152 Vorteil der Opposition.
führer lehnte es grundsätztlich ab, eine positive Politik zu
machen. Er wollte in der Opposition bleiben; denn in der
Opposition sein, ist volkstümlich. Wer Positives leistet,
namentlich aber wer von den Bürgern verlangt, daß sie
Steuern zahlen sollen, ist ein sehr zweifelhafter Volksmann;
es sei denn, daß er es so eingerichtet hat, daß die Andern
die Steuern zahlen. Aber an dieser Überlegung: „Dann
sind wir keine Volkspartei mehr,“ daran ist damals das
Einschwenken gescheitert, das endlich die Natur die Dinge
doch herbeigeführt hat, aber erst im Jahre 1907, als es
für den Liberalismus bereits zu spät war. Zufällig gerade
heute las ich übrigens in der Frankfurter Zeitung (Nr. 207),
daß die Dinge noch weiter gewesen sein sollen. Da steht
nämlich, der Kaiser sei bereit gewesen, die Freisinnigen an
der Regierung teilnehmen zu lassen. Ob das wirklich wahr
ist, weiß ich nicht. Ich würde es damals dann wohl er-
fahren haben. Im Wesen kommt es ja auf das hinaus,
was ich gesagt habe. Denn ein solches Vertragen mit der
Regierung, wenn es auch nicht gerade Ministerposten be-
deutet, bedeutet doch immerhin einen sehr wesentlichen Ein-
fluß auf die Gesetzgebung. Aber es ist schwer, eine solche
Stellung zu gewinnen, wenn man eine ganze Generation
lang das Volk daran gewöhnt hat, sich vorzustellen, daß
die Regierung nichts als Böses treibe und Ungehöriges
verlange, und jeden, der zu der Regierung in Beziehung
tritt, als Höfling, „Wadenstrümpfler“, wie man es damals
nannte, verdächtigt hat. In dieser stets kritischen Negation
hat die Opposition eine große Stärke. Denn für den
Menschen gibt es keine größere seelische Lust, als schimpfen
zu können, oder wie Goethe das in seiner erhabeneren Weise
ausdrückt: „Der Handelnde hat immer unrecht; der Be-
trachtende hat immer recht.“ Sich in die Brust des Besser-