10 Die englische Volksvertretung.
schichte von England. Das englische Unterhaus ist bereits
gebildet worden im 14. Jahrhundert, aber sehr lange hat
es neben dem Oberhause nichts bedeutet. Erst nach den
Revolutionen des 17. Jahrhunderts kann man die Begriffe
des Parlamentarismus im modernen Sinne auf die englischen
Institutionen anwenden. Das Unterhaus wurde gewählt
teils von den Grafschaften, teils von den Städten. In
den Städten war das Wahlrecht sehr mannigfaltig gestaltet.
In manchen von ihnen hatte sich das Gewohnheitsrecht
gebildet, daß die Magistrate die Abgeordneten ernannten;
in andern wählten die sämtlichen Hausbesitzer, in noch
anderen die Gilden. Sehr häufig hatten ganz kleine Städte
das Recht, Abgeordnete zu senden, Städtchen, die ganz und gar in
der Hand des umliegenden Großgrundbesitzes und sogar eines
benachbarten Großgrundbesitzers waren. Zum Beispiel der
Herzog von Newcastle war in einem solchen mit dem Wahl-
recht begnadeten Städtchen der Besitzer der sämtlichen Häuser.
Als nun einmal die Bürger Abgeordnete gewählt hatten,
die ihm nicht genehm waren, setzte er sie samt und sonders
aus ihren Wohnungen hinaus und ließ sie mit Weib und
Kind sechs Wochen im freien Felde biwaklieren. Man nannte
diese Städte, die ihre wirtschaftliche Bedeutung mit der Zeit
eingebüßt, das Wahlrecht aber behalten hatten, rotten
boroughs. Im Jahre 1793 wurde berechnet, daß 172 Mit-
glieder des Unterhauses für England und Wales direkt vom
Ministerium oder von Individuen ernannt wurden und 137
unter einem solchen Einfluß gewählt. 45 schottische Mit-
glieder wurden durch 35 Personen ernannt; von den 100
irischen wurden 71 von 55 Personen ernannt. Das Haus
hatte im ganzen nach der Union mit Irland 658 Mitglieder.
Von diesen 658 Mitgliedern waren also im ganzen 424
durch Ernennung oder Empfehlung von 252 Personen ein-