Full text: Regierung und Volkswille.

Die englische Volksvertretung. 11 
gesetzt. Lord Lonsdale ernannte 9, der Herzog von New- 
castle, der Herzog von Buckingham und andere je 6. Die 
Stadt Edinburg hatte nur 33 Wähler. Das berühmteste von 
den rotten boroughs ist ein Flecken, der ehedem am Meer 
gelegen hatte, aber bei einer Sturmflut von den Wellen 
verschlungen worden war. Die Wahl vollzog sich hier so, 
daß ein Rechtsanwalt in einem Boot auf den Fleck fuhr, 
wo das Städtchen ehedem gestanden, und dort das Protokoll 
über die Ernennung der beiden Abgeordneten aufnahm. 
Diesen Flecken hatte sich William Pitt als seinen Wahlsitz 
ausgesucht, um völlig unabhängig von jeder Wählerschaft 
zu sein. Die rotten boroughs waren durch den Besitz des 
Wahlrechts zu einem gesuchten Handelsartikel geworden, 
und wenn jemand in Indien Reichtümer erworben hatte, 
nach Hause, wie man es nannte, als „Nabob“ zurückkehrte 
und nun eine gesellschaftliche Stellung anstrebte, so war 
das einfachste Mittel, ein rotten borough zu kaufen und 
sich ins Unterhaus wählen zu lassen. Es brauchte das nicht 
einmal ein bloß der Eitelkeit gebrachtes Opfer zu sein, 
sondern konnte auch eine ganz gute Kapitalsanlage werden. 
Denn das Mandat als Abgeordneter wurde wiederum aufs 
Kräftigste ausgenutzt, um von der Regierung irgendwelche 
Zuwendungen zu empfangen oder auch zu erpressen. Im 
besonderen wurden die Beamten ausschließlich auf Emp- 
fehlung ernannt, Empfehlung von den Abgeordneten, die 
als Mitglieder der Majorität die Regierung stützten und ihr 
unentbehrlich waren. Die große Masse der Abgeordneten 
bestand demgemäß aus den Söhnen, Vettern, Neffen und 
Schützlingen der großen Herren, die selber im Oberhaus 
saßen. Dadurch erklärt es sich, daß wir in dieser Zeit fast 
niemals von einem Konflikt zwischen Oberhaus und Unter- 
haus hören. Es sind eben dieselben Schichten der Gesell- 
Delbrück, Regierung und Volkswille.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.