Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
Adel 61 
  
Der bayrische A. hat vier höhere Grade: Ritter, 
Freiherr, Graf, Fürst und es wird zur Erlangung 
einer höheren A. Stufe regelmäßig der vorherige 
Besitz der unteren erfordert, doch können aus be- 
sonderer Gnade Ausnahmen stattfinden (Bayr. 
A.Edikt s 6). Ein weiterer Unterschied innerhalb 
des niederen A. ist der zwischen Erb A. und persön- 
lichem A. Ersterer bildet die Regel und ist nament- 
lich in Preußen die einzige Art. Des persönlichen 
A., der sich hier aber auch auf die Frau erstreckt, 
und zwar des A. der Ritterklasse sind in Bayern 
alle diejenigen Inländer teilhaftig, welche den 
Militär= oder Zivil-Verdienstorden erhalten haben 
und nicht schon vorher zu einer höheren A. Klasse 
gehörten. Ein Ordensmitglied, dessen Vater und 
Großvater sich ebenfalls diese Auszeichnung er- 
worben hatten, hat Anspruch auf taxfreie Ver- 
leihung des erblichen A. (A.Edikt § 5 u. 6). In 
Württemberg ist der persönliche A. mit allen 
Staatsämtern der vier obersten Rangstufen, ferner 
mit dem Militärverdienstorden aller Grade sowie 
mit den vier obersten Stufen des Kronordens ver- 
bunden, soweit die Ordensträger Inländer sind. 
Von gewisser Bedeutung kann endlich auch noch 
der historische Unterschied zwischen dem unmittel- 
baren Reichs A. des ehemaligen deutschen Reiches 
und dem Landes A. sein, insofern z. B. a 58 Ec# 
z. BGB dem ehemaligen Reichs A. noch eine ge- 
wisse privatrechtliche Sonderstellung gewährt (vgl. 
weiter unten) und es auch statutengemäß zur 
Erbfolge in gewisse Güter noch heute reichsun- 
mittelbarer Qualität der Ahnen bedürfen könnte. 
Partikularrechtlich gibt es weiter in einzelnen Staa- 
ten und Provinzen noch einen Gegensatz zwischen 
einem sogenannten „ritterschaftlichen“ A. (oder 
„grundherrlichen"), der nicht mit dem ehemals 
reichsunmittelbaren V. zusammenzufallen braucht, 
und dem gewöhnlichen Erb A. Der Kreis dieser 
„Ritterschaften“, die teilweise an die Ministerialen- 
korps des Mittelalters anknüpfen, pflegt ein mehr 
oder weniger geschlossener zu sein, und die „Ritter- 
schaft“ besitzt Privilegien auf dem Gebiete des 
privaten und öffentlichen Rechts, darüber siehe 
unten. 
c) Sonderstellung des niederen 
Adels. In Bezug auf diese wollte die deutsche 
Bundesakte in a 14 den ehemaligen Reichs A. be- 
sonders privilegieren, nachdem im übrigen schon die 
napoleonische Zeit, insbesondere die preußische Re- 
sorm Ggebung der Stein-Hardenbergschen Periode, 
die Idee der staatsbürgerlichen Gleichheit vor dem 
Gesetz mehr und mehr zur Geltung gebracht hatte. 
Der ehemaligen Reichsritterschaft wurde Freiheit 
der Wahl des Aufenthaltsorts und das Recht der 
Familienautonomie nach den Grundsätzen der frü- 
heren deutschen Verf, Anteil der Begüterten an der 
Landstandschaft, Patrimonial= und Forstgerichts- 
barkeit, Ortspolizei, Kirchenpatronat und privi- 
legierter Gerichtsstand zugesichert, das alles frei- 
lich nur nach Maßgabe der Landes G. Die spätere 
Rechtsentwicklung hat aber dazu geführt, daß diese 
Rechte in der Mehrzahl in Wegfall gekommen bezw. 
inhaltslos geworden sind (von der Ausnahme auf 
Grund des a 58 Eüc z. BGB siehe weiter unten), 
indem namentlich die Bewegung des Jahres 1848 
die grundsätzliche Gleichberechtigung aller Staats- 
bürger durchgeführt hat. Insbesondere hat in 
Preußen a 9 Bü die Gleichheit aller Preußen vor 
dem Gesetz anerkannt und zugleich alle Standes- 
  
vorrechte für aufgehoben erklärt. In der Haupt- 
sache sind seitdem die Rechte des niederen A. nur 
noch Ehrenrechte, die dem niederen 2. nur noch 
eine gewisse soziale Bedeutung sichern, daneben 
freilich haben sich hie und da für den gesamten nie- 
deren A. oder doch einzelne Kreise desselben Privi- 
legien auf einzelnen Gebieten des öffentlichen und 
privaten Rechts erhalten. Als wichtigstes Ehren- 
recht des A. ist die Führung eines A. Zeichens an- 
zusehen, das in den oben erwähnten A. Prädikaten 
zu erblicken ist. Das bloße Wort „von“" beweist den 
A. nicht, andererseits ist es insofern nicht erforder- 
lich, als ausschließlich ein höheres A. Prädikat vor- 
handen sein kann. Ein A. ohne jedes A. Prädikat, 
wie es einst oft der Stadt A. gewesen, wird aber 
heute nicht mehr anerkannt. Die Prädikate des 
Hoch A. kommen heute auch bei dem niederen A. 
vor. Schon zu Zeiten des alten Reichs hatte die 
gesamte reichsunmittelbare Ritterschaft das Prä- 
dikat „Freiherr“ angenommen. Daneben ist in den 
letzten Jahrhunderten des alten Reiches das Prä- 
dikat als „Reichsfreiherr“ oder „Reichsgraf“ auch 
Angehörigen des Landes A. verliehen worden, so- 
daß zwischen den unmittelbaren Reichsfreiherrn 
und den reichsständischen Reichsgrafen einerseits 
und bloßen Titulargrafen und Titularfreiherrn des 
Reiches andererseits unterschieden werden muß. 
Im Zweifel gehen auch die höheren A. Prä- 
dikate auf die gesamte Nachkommenschaft über, 
doch kann bei der Verleihung auch etwas anderes 
vorgesehen sein, indem z. B. ein gewisses Prädikat 
nur für den Träger eines gewissen Grundbesitzes 
verliehen wird, so in Preußen bei zahlreichen Stan- 
deserhöhungengelegentlich der Huldigung von 1840, 
hier sogar auch für die unterste A. Stufe. Ein 
Wappen anzunehmen ist auch dem Bürgerlichen 
erlaubt, natürlich nur ohne in ein fremdes Wappen- 
recht ein zugreifen. Ein anderes Ehrenrecht des 
gesamten niederen A. ist die Hoffähigkeit, die ihm 
regelmäßig zugestanden wird, womit offenbar auch 
die regelmäßige ausschließliche Zulassung adeliger 
Personen zu den höheren Hofämtern zusammen- 
hängt, in der bei dem Charakter der Hofämter 
keine Verletzung der staatsbürgerlichen Gleichbe- 
rechtigung aller Untertanen zu erblicken ist #Erb- 
ämters. Privilegien auf dem Gebiete des 
öffentlichen Rechts besitzt der niedere A. vielfach 
in Gestalt eines besonderen Anteils an der Bildung 
der Landesvertretung [ULandtags. In Preu- 
ßen kommt hier namentlich das Präsentations- 
recht für das Herrenhaus in Betracht, das der für 
jede Provinz zu bildende Verband der mit Ritter- 
gütern angesessenen Grafen besitzt. Tatsächlich 
sind auch die Geschlechterverbände mit ausgebrei- 
tetem Familienbesitz, denen der König das Recht 
der Präsentation verliehen hat, ausnahmslos adlig, 
ebenso nach dem oben Gesagten die Inhaber der 
vier großen Landesämter im Königreich Preußen, 
die auf Lebenszeit berufen werden (vgl. VB v. 
12. 10. 54 wegen Bildung der ersten Kammer 83 
u. 4). In Bayern kann die erbliche Reichsrats- 
würde nur adeligen Gutsbesitzern verliehen werden 
(Vu Tit. VI §3). In Württemberg hat 
der sogen. „ritterschaftliche“ A., d. h. der staats- 
angehörige Erb A., der mit einem als Rittergut 
in die Realmatrikel des Königreichs eingetragenen 
Grundbesitz angesessen ist, ein besonderes Wahl- 
und Wählbarkeitsrecht zur Ersten Kammer der 
Ständeversammlung (Vl # 129, 132). Auch in
	        
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