Full text: Geschichte des Preußischen Staates

Markgraf Jobst. 27 
dahin gegeben hatte, so kannte der „große Lügner", wie man den Markgrafen 
Jobst genannt, kein anderes Bestreben, als das dahingegebene Kapital aus dem 
Lande wieder herauszupressen und Wucherzinsen obenein. 
Es ist ohne weiteres klar, daß ohne eine sichere finanzielle Hrundlage, ohne 
regelmäßig fließende Einnahmen eine Regierungsgewalt nicht denkbar ist. Nun 
aber gab es solche in den Marken nur noch in sehr beschränktem Umfange. 
Schon durch den sog. Bedevertrag von 1280, noch mehr aber durch die Zu- 
geständnisse, die man 1345 den Ständen hatte machen müssen, war die Steuer- 
kraft des Landes erheblich beschränkt worden. Gefahrvoller noch war, daß unter 
den bayerischen Markgrafen die Unsitte eingerissen war, in finanziellen Verlegen- 
heiten Kapitalien aufzunehmen und für sie dem Gläunbiger landesherrliche 
Güter und Schlösser als Pfand hinzugeben, damit er aus ihnen beliebig 
Zinsen erhebe. Allmählich, als Schlösser, Güter, Dörfer und Städte nicht mehr 
ausreichten, auch die Verpfändungen ganzer Gebiete an auswärtige Fürsten, nament- 
lich der Neumark an den deutschen Orden (1402) das Geldbedürfnis nicht 
deckten, gab man auch landesherrliche Rechte wie Gerichtssporteln, Zölle und 
Steuern dahin. Und diese Unsitte bildete nun Jobst mit solcher Virtuosität aus, 
daß ordnungsmäßige Einnahmen für den Landesfürsten kaum noch übrig blieben. 
Wie sollte die obrigkeitliche Gewalt unter solchen Verhältnissen ihres Amtes 
walten! An eine irgendwie erfolgreiche Abwehr äußerer Feinde, von denen bald 
dieser, bald jener Teile der Mark heimsuchte, war gar nicht zu denken, und fast 
begnügte Jobst sich in dieser Hinsicht mit der Erlaubnis für seine Unterthanen, 
sich den Schutz fremder Fürsten zu erkaufen und zu erbitten. Es versteht sich 
auch, daß, ohne die notwendigen Auslagen machen zu können, die Obrigkeit nicht 
im stande war, eine thatkräftige Verwaltung, Polizei oder Justiz zu üben und 
weder für die Ergreifung noch für die Verurteilung des Verbrechers, noch für 
die Vollstreckung der etwa erkannten Strafe Sorge tragen konnte. Dazu erteilte 
aber der Landesfürst für die Gewährung von Geldmitteln Befreiungen von den 
ordentlichen Gerichten in maßloser Weise, ja gab, wie freilich auch früher schon 
geschehen, die höchste Gerichtsbarkeit, den Blutbann gegen bare Münze, unbekümmert 
um die Folgen, einzelnen Körperschaften dahin. 
Die Folgen aber konnten nicht andere sein, als die, daß sich der Einzelne, 
der nun im ordentlichen Gerichtsverfahren sein Recht nicht mehr erlangen konnte, 
dies selbst zu verschaffen suchte, und daß — der menschlichen Natur und dem 
Geist der Zeit gemäß — jeder wirkliche oder auch nur scheinbare Eingriff in das 
Recht dem Gekränkten sofort die Waffen in die Faust drückte. 
Ganz natürlich verwirrten sich weiter die Begriffe dahin, daß nicht nur 
Kampfeslust und Waffenfreudigkeit für etwas Edles und Ritterliches galt, sondern 
daß die Fehde an sich, ohne Rücksicht auf ihren Grund, ja schließlich gemeiner 
Straßenraub und Plünderung als etwas Berechtigtes angesehen wurde. Die Un- 
fähigkeit der Obrigkeit, das Recht zu wahren, führte mit Notwendigkeit dahin, 
das Unrecht, sofern es nur die Gewalt für sich hatte, zum Recht zu machen. Und 
eben dahin war es nun, wie vielfach in Deutschland, so ganz besonders in der 
Mark gekommen. Raub= und Fehdewesen, Gewalt und Unthaten aller Art waren 
die, das allgemeine wie das besondere Leben bestimmenden und beherrschenden 
Faktoren geworden. Selbst die Städte schreckten vor oft schwerster Gewaltthätigkeit 
keineswegs zurück, gewichtiger aber trifft den damaligen Adel der Vorwurf, das
	        
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