336 Zweiundzwanzigstes Kapitel 10. März 1872
Korrẽspondenz, die ich Rößler für die Grenzboten! schreiben lassen
will, deren Redaktion dann sorgen soll, daß Biedermann sie in der
Deutschen Allgemeinen Zeitung wiedergiebt. Buchers Stenogramm
lautete: „Eine Zeitung hätte gemeint, Windthorst erwarte nach seinem
Briefe an Kozmian die Intervention Frankreichs für den Papst. Der
Abgeordnete für Meppen sehe aber wohl weiter, nämlich, daß, wenn
Frankreich in solche Wege einlenkte, der natürliche Freund der fran-
zösischen und der ultramontanen Politik in Wien sei. Ein ultra-
montan-französisch= österreichisches Bündnis würde nun seine Haupt-
spitze natürlich gegen Deutschland kehren, aber auch die Revolutio-
nierung Polens im päpstlichen Sinne außerordentlich leicht finden,
wenn man nach den Konzessionen urteilte, die man in Galizien machen
wolle. Jetzt sei das Verhältnis Deutschlands zu Osterreich gut,
beruhe aber doch wesentlich auf der Persönlichkeit des Monarchen.
Doch Gefahr einer Rückkehr zu der sogenannten Beichtväterpolitik
unter einem Hohenwart. Damit wäre auch jede freiheitliche Ent-
wicklung in Osterreich gelähmt. Dies zunächst in eine Wochen-
schrift. Von da aus weiter vertreiben.“
Andeutungen des hier in betreff der Polen Bemerkten hatte
der Chef schon in der Braßschen Zeitung vom 17. Februar gegeben,
und dieser Artikel hatte in Wien viel Aufsehen erregt und war darauf
Gegenstand von Depeschen zwischen Schweinitz und unserm Kanzler
geworden.
Abends. Auf einen Befehl des Chefs, den Bucher überbrachte,
eine Korrespondenz für die Kölnische Zeitung geschrieben, worin in
betreff der Schulaufsichtsdebatte darauf aufmerksam gemacht wurde,
„daß die Gründe und Belege, auf die hin Graf Eulenburg am
Abstimmungstage sich für das Vorgehen der Regierung erklärt habe,
aus langjähriger Erfahrung unter der polnischen Bevölkerung ge-
schöpft seien, um die es sich bei der Gesetzvorlage — wo nicht
allein — doch vorwiegend gehandelt habe.“ Der Genannte lebe
seit vielen Jahren als höherer Verwaltungsbeamter in Westpreußen,
sei Burggraf von Preußen und stehe als Regierungspräsident von
Marienwerder in steter Berührung mit den polnisch sprechenden Ele-
menten seines Bezirks. „Auch die Rede des Herrn von Kleist-
1 Nicht zu ermitteln, wann und wol!