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Beilage 1 zum Gesetz= und Verordnungsblatte für das Königreich Bayern vom Jahre 1909.5)
Erkenntnis des Gerichtshofs für Kompetenzkonflikte in dem von der Regierung, Kammer des
Innern dem Landgerichte N. gegenüber anhängig gemachten Streite über die Zulässigkeit
des Rechtswegs für den von dem vormaligen Gemeindesekretär A. in O. gegen die Marktgemeinde
B. geltend gemachten Anspruch auf die Feststellung, daß er für den in der Kasse der Gemeinde
entstandenen Fehlbetrag nicht haftet.
Im Namen Seiner Majestät des Königs von Bayern
erkennt der Gerichtshof für Kompetenzkonflikte in dem von der Regierung, Kammer des
Innern dem Landgerichte N. gegenüber anhängig gemachten Streite über die
Zulässigkeit des Rechtswegs für den von dem vormaligen Gemeindesekretär A. in O. gegen
die Marktgemeinde B. geltend gemachten Anspruch auf die Feststellung, daß er für den in
der Kasse der Gemeinde entstandenen Fehlbetrag nicht haftet:
Der Rechtsweg ist unzulässig.
Gründe.
Der jetzt in O. wohnende A. war früher als Sekretär der Marktgemeinde B. angestellt
und hat dieses Amt ungefähr neun Jahre lang bis zum Oktober 1906 verwaltet. Bei
einer in diesem Jahre vorgenommenen Revision des Kassen= und Rechnungswesens der Ge-
meinde ergab sich ein Fehlbetrag von 2703,03 . Die Gemeinde beansprucht, daß A. für
den Fehlbetrag aufkommt. Sie hat das Dienstverhältnis durch außerordentliche Kündigung
aufgehoben und verweigert die Herausgabe der von A. bei dem Bankier Z., dem jetzigen
Bürgermeister, hinterlegten Wertpapiere. Das Verfahren, in dem festgestellt werden soll, ob
A. für den Fehlbetrag haftet, ist bei der Regierung anhängig. Im März 1908
erhob A. gegen die Marktgemeinde B. bei dem Landgerichte N. Klage mit dem Antrage,
festzustellen, daß er der Marktgemeinde für den in der Zeit seiner Amtsführung entstandenen
Fehlbetrag nicht haftet. Zur Begründung des Antrags ist in der Klageschrift folgendes
geltend gemacht: Die Kassenverhältnisse der Gemeinde seien so ungeordnet gewesen, daß den
Kläger die Verantwortlichkeit für das Entstehen des Fehlbetrags nicht treffen könne. Zur
Kasse hätten der Gemeindediener, der Polizeioffiziant, der Bürgermeister und ein Inzipient
Zutritt gehabt, und während der Abwesenheit des Klägers habe die Gemeinde die Verwaltung
*) Ausgegeben zu München, den 16. Januar 1909.