Full text: Gesetz- und Verordnungs-Blatt für das Königreich Bayern. 1909. (36)

26 
Kirchenverwaltung von Altenschönbach erklärte, die Austragung der Sache müsse auf dem 
ordentlichen Rechtsweg erfolgen. Das Bezirksamt wies hierauf am 23. September 1907 
den Antrag ab, weil nach dessen Begründung die Erwerbung des streitigen Rechtes auf das 
der Gutsherrschaft zustehende Kirchenpatronat und auf unvordenkliche Ausübung des Rechtes 
zurückgeführt werde und ein auf einen solchen privatrechtlichen Erwerbstitel gestützter Anspruch 
nur auf „zivilgerichtlichem Wege“ geltend gemacht werden könne, die Verwaltungsbehörde 
daher für die Entscheidung nicht zuständig sei. 
Die die Freiherrlich von Crailsheimsche Guts= und Patronatsherrschaft repräsen- 
tierenden Mitglieder der Familie erhoben hierauf gegen die Kirchengemeinde Altenschönbach 
Klage bei dem Landgerichte Würzburg und beantragten zu erkennen, daß die Beklagte das 
ausschließliche Recht der Patronatsherrschaft auf den bisher von ihr benützten Kirchenstand 
anzuerkennen und jede Störung dieses Rechtes zu unterlassen habe. Zur Begründung des 
Antrags wurde folgendes ausgeführt: Das Recht auf den besonderen Kirchenstand sei eines 
der Ehrenrechte, die der Gutsherrschaft als Kirchenpatron zustünden und durch die Vor- 
schriften im § 4 des Tit. V der bayerischen Verfassungsurkunde und im 8 24 der 
VI. Beilage zu dieser bestätigt worden seien. Demgemäß sei der Kirchenstand stets der 
Gutsherrschaft vorbehalten gewesen. Sie habe ihn seit unvordenklicher Zeit in der Über- 
zeugung besessen, dadurch ein Recht auszuünben. Die Beklagte bestritt die Zulässigkeit des 
Rechtswegs, weil die Klage ausschließlich auf das Patronatsrecht, also auf ein Verhältnis 
des öffentlichen Rechtes gestützt werde. Der Kirchenstand sei niemals Ehrensitz des Kirchen- 
patrons gewesen und als solcher von den jeweiligen Patronatsherren nie betreten oder benützt 
worden. Durch den langjährigen Nichtgebrauch habe die Gutsherrschaft das Recht auf den 
Kirchenstand verloren. Die Kläger erwiderten darauf folgendes: Der Patron einer Kirche 
habe ein Recht auf einen Sitz im Chor. Rechtsbesitz sei anzunehmen bei Rechten, welche 
eine sich wiederholende oder fortdauernde Ausübung zulassen, namentlich also bei dem Rechte 
an einem Kirchenstuhle. Es werde also von den Klägern ein Gebrauchs= und Besitzrecht 
(duasi possessio) an dem Kirchenstuhle behauptet und dieses werde gestützt auf langjährige 
Ausübung. Die Möglichkeit der Ersitzung solcher Rechte sei nicht zu bezweifeln und im 
bayerischen Landesrecht ausdrücklich anerkannt; die Grundsätze über die Ersitzung des Eigen- 
tums fänden auch auf solche Rechte Anwendung. Kirchenstühle, die einem Patronatsherrn 
verliehen werden, hießen subsellia realia. Die Verleihung eines Kirchenstuhls und unvor- 
denkliche Ausübung des Rechtes begründeten die Vermutung rechtmäßiger Erwerbung des 
Nechtes als eines Realrechts. Wird ein solches Recht von einer Seite geltend gemacht und 
aus dem Privatrecht abgeleitet, von anderer Seite aber bestritten, so seien die Gerichte zur 
Entscheidung berufen. Die Kläger behaupten, daß ihnen ein durch Verjährung erworbenes 
Privatrecht auf den streitigen Kirchenstand zustehe, und die Beklagte habe dieses Recht als
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.