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Kirchenverwaltung von Altenschönbach erklärte, die Austragung der Sache müsse auf dem
ordentlichen Rechtsweg erfolgen. Das Bezirksamt wies hierauf am 23. September 1907
den Antrag ab, weil nach dessen Begründung die Erwerbung des streitigen Rechtes auf das
der Gutsherrschaft zustehende Kirchenpatronat und auf unvordenkliche Ausübung des Rechtes
zurückgeführt werde und ein auf einen solchen privatrechtlichen Erwerbstitel gestützter Anspruch
nur auf „zivilgerichtlichem Wege“ geltend gemacht werden könne, die Verwaltungsbehörde
daher für die Entscheidung nicht zuständig sei.
Die die Freiherrlich von Crailsheimsche Guts= und Patronatsherrschaft repräsen-
tierenden Mitglieder der Familie erhoben hierauf gegen die Kirchengemeinde Altenschönbach
Klage bei dem Landgerichte Würzburg und beantragten zu erkennen, daß die Beklagte das
ausschließliche Recht der Patronatsherrschaft auf den bisher von ihr benützten Kirchenstand
anzuerkennen und jede Störung dieses Rechtes zu unterlassen habe. Zur Begründung des
Antrags wurde folgendes ausgeführt: Das Recht auf den besonderen Kirchenstand sei eines
der Ehrenrechte, die der Gutsherrschaft als Kirchenpatron zustünden und durch die Vor-
schriften im § 4 des Tit. V der bayerischen Verfassungsurkunde und im 8 24 der
VI. Beilage zu dieser bestätigt worden seien. Demgemäß sei der Kirchenstand stets der
Gutsherrschaft vorbehalten gewesen. Sie habe ihn seit unvordenklicher Zeit in der Über-
zeugung besessen, dadurch ein Recht auszuünben. Die Beklagte bestritt die Zulässigkeit des
Rechtswegs, weil die Klage ausschließlich auf das Patronatsrecht, also auf ein Verhältnis
des öffentlichen Rechtes gestützt werde. Der Kirchenstand sei niemals Ehrensitz des Kirchen-
patrons gewesen und als solcher von den jeweiligen Patronatsherren nie betreten oder benützt
worden. Durch den langjährigen Nichtgebrauch habe die Gutsherrschaft das Recht auf den
Kirchenstand verloren. Die Kläger erwiderten darauf folgendes: Der Patron einer Kirche
habe ein Recht auf einen Sitz im Chor. Rechtsbesitz sei anzunehmen bei Rechten, welche
eine sich wiederholende oder fortdauernde Ausübung zulassen, namentlich also bei dem Rechte
an einem Kirchenstuhle. Es werde also von den Klägern ein Gebrauchs= und Besitzrecht
(duasi possessio) an dem Kirchenstuhle behauptet und dieses werde gestützt auf langjährige
Ausübung. Die Möglichkeit der Ersitzung solcher Rechte sei nicht zu bezweifeln und im
bayerischen Landesrecht ausdrücklich anerkannt; die Grundsätze über die Ersitzung des Eigen-
tums fänden auch auf solche Rechte Anwendung. Kirchenstühle, die einem Patronatsherrn
verliehen werden, hießen subsellia realia. Die Verleihung eines Kirchenstuhls und unvor-
denkliche Ausübung des Rechtes begründeten die Vermutung rechtmäßiger Erwerbung des
Nechtes als eines Realrechts. Wird ein solches Recht von einer Seite geltend gemacht und
aus dem Privatrecht abgeleitet, von anderer Seite aber bestritten, so seien die Gerichte zur
Entscheidung berufen. Die Kläger behaupten, daß ihnen ein durch Verjährung erworbenes
Privatrecht auf den streitigen Kirchenstand zustehe, und die Beklagte habe dieses Recht als