Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1868. (34)

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Art. 231. 
Widerruf. 
Ist die wahrheitswidrige eidliche oder nicht eidliche Aussage von Dem, der sie erstattet 
hat, aus eigenem Antriebe, und bevor noch ein Rechtsnachtheil für einen Anderen daraus 
entstanden, widerrufen worden, so ist der Fall einem nach Art. 42 Nr. 1 zu beurtheilenden 
Versuche gleich zu achten. 
Wurde die wahrheitswidrige Aussage jedoch bei einer Hauptverhandlung oder in einem 
Verhandlungstermine vor einem Strafgerichte erstattet, und noch vor dem Schlusse der Ver- 
handlung widerrufen, so soll eine Strafe nicht eintreten. 
Art. 232. 
Schmähungen in Beziehung auf Religion und Cultus. 
Wer zum öffentlichen Aergernisse, in Wort oder Schrift (vergl. Art. 125), über Gott 
oder göttliche Dinge, oder über andere Gegenstände der religiösen Verehrung, oder über 
Religions-Lehren oder Gebräuche, herabwürdigende, verhöhnende oder verächtliche Aeußerungen 
sich erlaubt, ingleichen wer in Kirchen oder an anderen zur Gottesverehrung bestimmten Orten, 
oder an Gegenständen, welche dem Gottesdienste gewidmet sind oder eine kirchlich = spmbolische 
Bedeutung haben, beschimpfenden Unfug verübt, ist mit Gefängniß oder Arbeitshaus bis zu 
zwei Jahren zu bestrafen. 
Art. 233. 
Störung gottesdienstlicher Handlungen. 
Muthwillige oder boshafte Handlungen, wodurch die Ruhe und Ordnung in einer 
gottesdienstlichen Versammlung gestört, eine religiöse Handlung oder Feierlichkeit unterbrochen, 
oder Geistliche, welche behufs einer Amtshandlung gegenwärtig sind, beleidigt werden, in- 
gleichen die Verhinderung gottesdienstlicher Versammlungen oder religiöbser Handlungen und 
Feierlichkeiten durch Gewalt oder Bedrohung mit solcher, sind mit Gefängniß= oder Arbeits- 
hausstrafe bis zu vier Jahren zu ahnden. Ist ein Geistlicher während einer Amtshandlung 
thätlich beleidigt oder gemißhandelt worden, so ist auf Arbeitshaus= oder Zuchthausstrafe bis 
zu vier Jahren zu erkennen. 
Art. 234. 
Ergänzende Bestimmung. 
Die in Art. 232 und 233 getroffenen Strafbestimmungen setzen zu ihrer Anwendung 
eine vom Staate anerkannte Religionsgesellschaft voraus.
	        
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