Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1868. (34)

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Art. 93. 
Zwang. 
Zwang schließt die strafrechtliche Zurechnung aus, wenn er in unwiderstehlicher körper— 
licher Gewalt oder in solchen Drohungen besteht, wodurch der Bedrohte in den Zustand echter 
Noth (Art. 92) versetzt wird. 
Art. 94. 
Befehl. 
Der Befehl eines Vorgesetzten kommt dem Untergebenen insofern zu Statten, daß er 
wegen einer in Gemäßheit desselben vorgenommenen Handlung, auch wenn sie etwas Gesetz— 
widriges enthält, nicht bestraft werden kann, dafern der Vorgesetzte an und für sich zu der 
Anordnung dieser Handlung berechtigt war, und die Gesetzwidrigkeit des Befehls nicht sofort 
in das Auge fiel. 
Art. 95. 
Irrthum. 
Irrthum oder Unwissenheit über Thatsachen, durch welche eine an sich erlaubte Hand— 
lung zu einem Verbrechen, oder eine schon an sich strafbare Handlung zu einem schwereren 
Verbrechen wird, schließen die Zurechnung aus, soweit sie auf die Handlung von Einfluß ge— 
wesen sind. Ist jedoch der Irrthum oder die Unwissenheit von der Art, daß sie von dem 
Handelnden durch die nach seiner Persönlichkeit und der Natur seiner Handlung von ihm zu 
fordernde Aufmerksamkeit hätten vermieden werden können, so hat der Richter zu ermessen, ob 
und wie weit dem Handelnden Unbedachtsamkeit oder selbst Absicht (vergl. Art. 47, 48) 
beizumessen sei. 
Durch Unbekanntschaft mit dem Gesetze, welches die Handlung mit Strafe bedroht, wird 
ein begangenes Verbrechen eben so wenig, als durch den Wahn, als ob dieselbe nach dem 
Gewissen oder der Religion erlaubt oder verdienstlich sei, entschuldigt. 
Art. 96. 
Verminderte Zurechnung. 
Liegen Umstände vor, welche an die in Art. 91, 92, 93, 94 gedachten angrenzen, ohne 
daß jedoch ein wirklicher Zustand der Nothwehr, eine wirkliche echte Noth, ein wirklicher un— 
widerstehlicher Zwang, oder ein völlig entschuldigender Befehl anzunehmen wäre, so tritt die 
Bestimmung im Art. 88 ein. 
Art. 97. 
Verminderte Zurechnung beim Excesse in der Nothwehr ꝛc. und beim Rechtsirrthume. 
Dieselbe Bestimmung tritt ein, wenn Jemand in einem wirklichen Zustande der Noth— 
wehr, der echten Noth, oder der erlaubten Selbsthülfe zwar die gesetzlichen Grenzen über
	        
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