Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1910. (76)

Jedenfalls ist aber bei allen polizeilichen Maßnahmen gegen den unter Polizei— 
aufsicht Gestellten mit tunlichster Schonung zu verfahren und alles zu vermeiden, 
was ihn an der Rückkehr in geordnete Lebens- und Arbeitsverhältnisse hindern könnte. 
8 12. Bei einem späteren Wechsel des Aufenthaltsortes hat die Polizeibehörde 
des bisherigen diejenige des künftigen hiervon umgehend in Kenntnis zu setzen. Von 
dem Eintreffen eines unter Polizeiaufsicht Gestellten hat die Polizeibehörde des 
neuen Aufenthaltsortes die des bisherigen sofort zu benachrichtigen. Überhaupt 
ist durch gegenseitiges Vernehmen der Polizeibehörden dafür zu sorgen, daß der 
Aufenthalt eines unter Polizeiaufsicht Gestellten der Polizeibehörde des betreffenden 
Ortes nicht unbekannt bleibt. Ein etwa nötig werdendes polizeiliches Ermittelungs— 
verfahren über den Aufenthalt eines unter Polizeiaufsicht Gestellten liegt der Polizei— 
behörde des letzten bekannten Aufenthaltsortes des Betreffenden ob. 
§ 13. Bei den Kreishauptmannschaften, Amtshauptmannschaften und den 
Polizeibehörden sind über die unter Polizeiaufsicht Gestellten Verzeichnisse mit An- 
gaben der Personalien, des Hauptinhalts der Strafurteile, der Aufenthaltsorte und 
zzeiten, wie auch der Zeit der verhängten Polizeianfsicht und etwaiger Anordnungen 
nach § 39 Ziffer 1 und 2 des Reichsstrafgesetzbuchs, nebst etwaigen besonderen Be- 
merkungen (Führung usw.) zu halten. 
§ 14. Die Bestimmung in § 39 Ziffer 1 des Reichsstrafgesetzbuchs ist nicht 
bloß von „Ortschaften“ zu verstehen. Es kann daher der Aufenthalt auch in be- 
stimmten Stadtteilen, Gebäuden, Wirtschaften, Schaustellungsorten usw. verboten 
werden; dagegen ist die Anweisung eines bestimmten Bezirks zum Aufenthalte un- 
zulässig. Im übrigen enthält die Befugnis, den Aufenthalt unbeschränkt zu unter- 
sagen, auch das Mindere, z. B. die Befugnis, den Aufenthalt zu gewissen Zeiten 
(zur Nachtzeit usw.), für immer oder bei gewissen Vorgängen (bei Jahrmärkten, 
Schießfesten usw.) zu verbieten. 
§ 15. Zuwiderhandlungen der unter Polizeiaufsicht Gestellten gegen diese 
Vorschriften werden, soweit nicht eine Bestrafung gemäß § 361 Ziffer 1 des Reichs- 
strafgesetzbuchs zu erfolgen hat, mit Haft bis zu 14 Tagen bestraft. 
Dresden, am 15. März 1910. 
Ministerium des Innern. 
Graf Vitzthum v. Eckstädt. 
Gebhardt. 
  
Druck und Berlag der Königl. Hofbuchdruckerei von C. C. Meinholb & Söhne, Dresden.
	        
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