Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1910. (76)

weitverzweigte Gebiet unserer Sprache und Kulturgeschichte, die sich stets an Be— 
kanntes, Mundartliches, Volkstümliches anschließen sollen, von großem Werte. Die 
in § 10 gegebene Verteilung des sprachgeschichtlichen Stoffes, der nicht in syste- 
matischem Zusammenhang, sondern gelegentlich mitzuteilen ist, ist so zu verstehen, 
daß in der betreffenden Klasse auf den ihr zugeschriebenen Teil besonderer Wert 
zu legen ist. 
§ 12. Aus den einzelnen Unterrichtsfächern soll eine „Schulphilosophie“ heraus- 
wachsen, in der die mannigfaltigen Erscheinungen der Welt und des Menschenlebens auf 
allgemeine Begriffe zurückgeführt, in Wechselbeziehung zu einander gesetzt und zu einer 
Welt= und Lebensanschauung verschmolzen werden. Religionsunterricht, Sprachunter- 
richt, Geschichte, Erdkunde und Naturwissenschaften haben ihren Anteil daran; ebenso 
können die wissenschaftlichen Methoden, die im Schulunterricht zur Anwendung 
kommen, zu den Elementen der Erkenntnislehre führen, aus der deutschen und 
fremdsprachlichen Lektüre Gesetze der Psychologie und Asthetik gewonnen werden. 
Es empfehlen sich aber auch für die Studienanstalt in den Primen besondere 
Stunden, die, wenn sie nicht allein dem deutschen Unterricht abgespart werden können, 
im Laufe des Jahres abwechselnd und nach Vereinbarung von den anderen Fächern 
zur Verfügung gestellt werden müssen. Der philosophische Unterricht soll nicht neuen 
Lehrstoff herbeitragen, sondern den vorhandenen klären, ordnen, fruchtbar machen, den 
Schulstudien einen gewissen Abschluß geben. Auch lassen sich mit ihm leicht ÜUbungen 
im freien Vortrag verbinden. 
Tatbeinisch. 
§ 13. Der Unterricht in der lateinischen Sprache hat den Schülerinnen einen 
klaren Einblick in die Sprache und das Geistesleben des römischen Volkes zu ver- 
schaffen; zugleich aber soll die gründliche Einführung in den streng gesetzmäßigen 
Bau seiner Kunstsprache die logische Ausbildung des jugendlichen Geistes fördern. 
Am Schlusse des Lehrganges kann von den Schülerinnen erwartet werden, daß 
sie sich ein sicheres grammatisches Wissen in den Grenzen einer nach den Grundsätzen 
der Reformmethode verfaßten Schulgrammatik und einen ausreichenden Wortschatz 
erworben haben, 
durch eigene Lektüre mit einer Reihe von bildungfördernden Schriftwerken #der 
römischen Literatur bekannt geworden sind, 
die zum Verständnis der Schriftwerke nötigen Kenntnisse in Mythologie, Staats- 
wesen, Privataltertümern und Literaturgeschichte sich zu eigen gemacht haben und 
sich fähig zeigen, eine nicht zu schwierige Stelle aus einem römischen Schriftsteller 
bei einiger Nachhilfe auch ohne Vorbereitung schriftlich und mündlich zu über- 
setzen. 
1910. 101 
Philosophische 
Propädentik. 
Lehrziel.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.