die Debatte ein, fragte, was es heiße, daß man ihm dies Wort
vorwerfe, berief sich darauf, daß er als junger Mensch zu Füßen
Stahls, des geistigen Nährvaters der konservativen Partei, ge-
sessen hätte und beschwor den Geist Fichtes und Arndts gegen die
Ubertreibung von Gruppeninteressen gegen die Staatsinteressen
herauf. v 6
Aber alle Beweise und Beschwörungen wirkten gerade da
nicht, wo sie am meisten wirken sollten, auf dem platten Lande.
Der Bauer verstand die statistischen und sonstigen Darlegungen über
den Einfluß des Weltmarktpreises auf den Inlandspreis nicht, er
fing wirklich an, Not zu leiden, und hörte lieber von den Agita-
toren des am 18. Februar 1893 gegründeten Bundes der Land-
wirte, daß die Landwirtschaft bisher nur Amboß gewesen sei und
nun Hammer werden müsse. Auf der rechten Seite des Reichs-
tags gab es nur wenige, die an dem Ton der Bundesredner Anstoß
nahmen, darunter der immer aufrichtige Abgeordnete v. Kardorff.
In der Sache selbst, daß die Landwirtschaft die Kosten der Handels-
verträge zu bezahlen habe, stimmten so ziemlich alle vom Ab-
geordneten Grafen Limburg-Stirum bis zu den ländlichen Abge-
ordneten der Nationalliberalen überein. 1 1
Ein neuer Sturm gegen Caprivi ging Anfang 1894 los, als
sich die Wahrscheinlichkeit zeigte, daß der Jollkrieg mit Rußland
mit einem langfristigen Handelsvertrag, also für die Caprivische
Politik erfolgreich, den Agrariern zuwider, beendet werden würde.
Die Führung in der Presse übernahm die Kreuzzeitung. Im Grunde
war es für die Preisbildung beim Getreide nicht erheblich, ob nun
auch Rußland der Vertragszoll gewährt werden sollte oder nicht.
Die erforderliche Menge ausländischen Getreides ging doch, gleich-
viel woher, zu dem niedrigeren Satze ein, und wenn die äöstliche
Grenze ganz gesperrt worden wäre, hätte der russische Getreide-
überschuß seinen Druck auf den Hauptfaktor der Preisbildung, den
von den Welternten abhängigen Weltmarktpreis, kaum vermindert.
Der Gegenwert für die Jollvergünstigungen des Auslandes war
zum großen Teil schon mit den niedrigeren deutschen Getreide-
zöllen in den laufenden Verträgen mit Österreich-Ungarn, den Ver-
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