denschaften und der Begehrlichkeit“ (Worte des Reichsboten) an-
zuwenden und begann zugleich, mit fremdem Gelde Papier= und
Gäusergeschäfte zu eigenem Vorteil zu machen. Besiegelt wurde
der Sieg der extremen Richtung durch Beschlüsse und mehr noch
durch die Reden des Parteitags auf Tivoli in Berlin im Dezem-
ber 1892. Der Versammlung waren 14 Zusätze zu dem alten
Programm vorgeschlagen worden, deren wichtigste verlangten:
Kampf gegen den sich vielfach vordrängenden und zersetzenden
jüdischen Einfluß, jedoch unter Mißbilligung der Ausschreitungen
des Antisemitismus, Kampf für die Monarchie von Gottes Gnaden
gegen parlamentarisches Regiment, Kampf mit den Machtmitteln
der Staatsgewalt gegen die vaterlandslose Sozialdemokratie und
ihre Kennzeichnung als Feinde der staatlichen Ordnung in Gesetzen.
Die Versammlung strich aus dem Entwurfe die Erwähnung der
Auswüchse des Antisemitismus und änderte die Stelle über die
Sozialdemokratie dahin ab, daß nur vaterlandslose Anhänger der
Sozialdemokratie gekennzeichnet werden sollten. Die Milderung die-
ser Stelle geschah auf Berreiben Stöckers, um die christlich-soziale
Agitation, der sich eine Reihe jüngere und freier gerichtete Geist-
liche angeschlossen hatten, nicht zu erschweren.
Mit dem vollständigen Siege der Kreuzzeitungspartei im Tivoli-
programm und mit dem starken Hervortreten der materiellen In-
teressen der neuorganisierten Hilfstruppe, dem Bunde der Land-
wirte, war die Rückkehr zu dem früheren Kartell mit den Mittel-
parteien unmöglich gemacht.
An der Spitze der Reichs partei und der nationalliberalen
Partei standen noch die alten Parlamentarier v. Kardorff und v. Ben-
nigsen, die schon dem Norddeutschen Reichstag angehört, inzwi-
schen manche Illusion über die Macht des Parlaments aufge-
geben hatten, aber immer noch starke Reste ihrer jugendlichen kon-
stitutionellen Ansichten bewahrten. Herr v. Kardorff war immer
auf dem Plan, wenn es galt, einer ausschweifenden Rede Bebels
oder einem massiven Vorstoß Singers entgegenzutreten, stets in
urbanen Formen, niemals persönlich verletzend. Aber am 12. De-
zember 1894 bei der ersten Gelegenheit nach dem Kanzlerwechsel
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