Full text: Der neue Kurs.

oder Nichtverlängerung des Vertrags „Hals über Kopf“ zuging, 
hat seine Richtigkeit. Schuld daran war nicht sowohl die Sucht 
Holsteins, von der Macht, die ihm beim Weggang des alten Hexen— 
meisters überlassen war, so schnell als möglich Gebrauch zu machen, 
als vielmehr der nahe Ablauf der Frist, innerhalb der eine Er— 
klärung über die Frage der Erneuerung abzugeben war. Dem 
Fürsten Bismarck war viel daran gelegen, die russische Sache 
in seinem Sinne abgeschlossen zu sehen. Vermutlich hat dieser 
Wunsch auch dabei mitgewirkt, daß Graf Herbert Bismarck nach 
dem Rücktritt seines Vaters noch eine Woche Staatssekretär des 
Auswärtigen Amtes blieb. Als er am Tage nach der Kanzlerkrisis 
vom Zentralbureau des Auswärtigen Amtes die Geheimakten über 
den Vertrag verlangte, erfuhr er, daß sie sich bei Herrn v. Holstein 
befänden. Graf Herbert ahnte sofort, was das zu bedeuten hatte, 
und es kam zu einem Auftritt mit Holstein. Bismarck Vater 
und Sohn mußten die ÜUberzeugung haben, daß Holstein zur Eile 
drängte und für die rasche Entschließung des neuen Kanzlers ver- 
antwortlich war, was viel zu ihrer unverhohlenen Feindschaft gegen 
ihn beitrug. Caprivi hat sich später wiederholt zu mir darauf 
berufen, daß er in auswärtigen Angelegenheiten während der ersten 
JZeit seiner Kanzlerschaft mit einem neuen, noch nicht eingearbeiteten 
Staatssekretär ganz auf den Rat des ältesten und erfahrensten 
Mitgliedes der politischen Abteilung angewiesen war. Zu seiner 
Entscheidung gegen die Verlängerung des Vertrags trug neben 
dem Nat Holsteins auch das Votum des Botschafters von Schweinitz 
bei, der seinerzeit bei dem Abschluß des Vertrags mitgewirkt hatte, 
jetzt aber für den Verzicht stimmte. 
Daß Bismarck Vater und Sohn unmittelbar nach der Krisis 
noch glaubten den russischen Vertrag retten zu können, widerlegt 
die Ansicht einzelner Schriftsteller, die Tragödie von Bismarcks 
Sturz habe sich vor allem hierum gedreht. Richtig ist nur, daß 
Fürst Bismarck während der Krisis im März 1890 die Rücksicht 
auf Rußland und die Verlängerung des Vertrags für sein Ver- 
bleiben im Amte geltend gemacht hat. Bis dahin hatte er dem 
Kaiser überhaupt noch keinen Vortrag über das geheime russische 
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