Full text: Um den Kaiser.

gebiete, in der allerlei Mißbräuche eingerissen waren. Die Geschäfte 
an der Zentralstelle in Berlin waren längst über den Rahmen einer 
Abteilung des Auswärtigen Amtes hinausgewachsen. Es hatte nicht 
genügt, daß der Direktor in allen inneren Verwaltungsfragen der 
Schutzgebiete dem Reichskanzler unmittelbar unterstellt wurde. Was 
dem Staatssekretär des Auswärtigen Amtes an Verantwortlichkeit 
verblieb, war viel mehr, als sich mit seinen übrigen Pflichten ver- 
einigen ließ. Die Geschäftsüberlastung, der der frühere Staats- 
sekretär Frhr. v. Richthofen erlegen war, rührte wesentlich von der 
Kontrolle über die Kolonialabteilung her. Nach dem Entwurf des 
Reichshaushalts für 1905% 7 sollte deshalb die Kolonialabteilung 
in ein Reichskolonialamt mit einem Staatssekretär an der Spitze 
verwandelt werden. 
Gegen die Neuerung zeigten sich sogleich starke Widerstände 
im Zentrum und in der damals in die achtzig Stimmen zählenden 
sozialdemokratischen Fraktion. In der Haushaltskommission wurde 
eine ganze Reihe von Beschwerden über Eigenmächtigkeiten von Be- 
amten in den Kolonien vorgebracht. Eine schneidige Rede des Ober- 
sten v. Deimling für neue Mittel zur vollständigen Unterdrückung 
des Eingeborenenaufstandes in Südwestafrika verschärfte noch die 
ungünstige Stimmung. Sachlich machte man gegen die Umwand- 
lung der Kolonialabteilung in ein Staatssekretariat geltend, daß 
ein selbständiges Kolonialamt leicht in Reibungen mit dem Auswär- 
tigen Amt geraten und kolonialer Ubereifer der auswärtigen Politik 
Schwierigkeiten bereiten könnte. Auch persönliche Motive schienen 
mitzuspielen: Der für das neue Neichsamt in Aussicht genommene 
Erbprinz Ernst von Hohenlohe-Langenburg, der seit Weihnachten die 
Geschäfte der Kolonialabteilung führte, wurde als Gegner deo Zen- 
trums beargwöhnt. Trotzdem gelang es dem Kanzler, in der zwei- 
ten Lesung im Plenum, acht Tage vor seiner Erkrankung, einen Be- 
schluß herbeizuführen, der sich mit 127 Stimmen gegen 110 für 
die Genehmigung der Forderung aussprach. In der dritten Lesung 
am 26. Mai jedoch fehlte die parlamentarische Geschicklichkeit des 
Fürsten Volow, 142 Abgeordnete gegen 119 lehnten die Stelle 
eines Staatssekretärs ab. Eine gleiche Niederlage erlitt die Regie- 
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