Full text: Handbuch der Politik. Zweiter Band. (2)

Otto Schwarz, Die öffentlichen Kredite. 159 
  
Betreffs der ausserordentlichen Bedürfnisse der Schutzgebiete hatte $ 4 Ges. v. 30. 3. 92 
bestimmt, dass, im Falle solche die Aufnahme einer Anleihe oder die Übernahme einer Garantie 
erfordern sollten, dies durch Gesetz zu geschehen habe. Diese Bestimmung wurde in der schon 
erwähnten Novelle v. 18. Mai 08 durch einen $ 4 a dahin ergänzt, dass die in den — durch Dernburg 
neu eingerichteten — ausserordentl. Etat eingestellten Ausgaben, für welche nicht andere Einnahmen 
vorhanden sind, auf dem Wege der Anleihe zu Lasten dieser Schutzgebiete, 
(wobei das Reich für Verzinsung und Tilgung die Bürgschaft übernimmt), und zwar entweder 
zu Lasten eines einzelnen Schutzgebietes oder mehrerer Schutzgebiete aufzubringen sind. Die 
Tilgung der Anleihen hat mit mindestens 8/,%, unter Hinzurechnung der ersparten Zinsen zu 
erfolgen ($ 4e). Die alte Form der Darlehnsgewährung bleibt daneben zulässig. 
Für die Verzinsung und Tilgung der Anleihen haftet jedes beteiligte Schutzgebiet dem 
Gläubiger gegenüber als Gesamtschuldner. Im Verhältnis zueinander haften die einzelnen Schutz- 
gebiete indessen nur für ihren Anteil ($ &£e). 
Auf diesem Wege waren bis 1908 35325000 M. Schutzgebietsanleihen aufgebracht. Ende 
1910 betrug die Schutzgebietsschuld bereits 98175000 M. 
Nach dem Etatsentwurf für die Schutzgebiete für 1914 beläuft sich die Schutzgebiets- 
schuld bereits auf 136 150000 M. In dem Entwurf sind weitere Anleihekredite 56 856440 M. 
für 1914 vorgesehen. 
Garantien seitens der Schutzgebiete sind bisher nicht nötig geworden. 
D. Kommunales Kreditwesen. 
Für den Kommunalkredit gilt nicht minder, wie für den Staatskredit, dass ohne ihn 
die grossartige Entwicklung kommunalen Lebens, wie wir sie in den letzten 3—4 Dezennien er- 
lebt haben, nicht denkbar gewesen wäre. Die Milliardensummen, welche in dieser Zeit auf dem 
Kreditwege beschafft worden sind, um zahlreiche nutzbringende Gemeindeanstalten zu schaffen, 
stellen allerdings eine schwere Last dar, die der zukünftigen Generation auferlegt wird, aber letztere 
wächst dafür auch unter so gesicherten, gesundheitlich günstigen, wirtschaftlich und sozial vor- 
geschrittenen Bedingungen auf, wie es der gegenwärtigen und vergangenen Generationen nicht 
entfernt beschieden war. Man muss sich nur einmal vergegenwärtigen, welche Errungenschaften 
die mit Anleihen hergestellten oder von früher privaten Gesellschaften übernommenen Kanalisa- 
tionen, Beleuchtungsanstalten (Gas-, Elektrizitätswerke), Wasserleitungen, Schlachthofanlagen 
Markthallen, Feuerwehranstalten, Strassenbabnen, Häfen, Brücken, Strassenbauten, Krankenhäuser 
Badeanstalten, neuerdings auch Talsperren, Hypothekenämter usw. für die Bevölkerung bedeuten, 
um sich zu überzeugen, dass diese Gegenwerte mit der gegenüberstehenden Schuldenlast an sich 
keineswegs zu teuer erkauft sind. Ein Teil dieser Anlagen ist zudem werbender Natur, deren 
Überschüsse oft nicht nur die eigenen Schuldzins- und Tilgungsquoten, sondern auch einen Teil 
des sonstigen Verwaltungsaufwandes decken, für die Benutzung anderer können Gebühren 
erhoben werden, welche einen wenn auch oft nur geringen Teil des Schuldendienstes auf- 
bringen können. Vielfach mussten allerdings namentlich in Städten mit stark wachsender 
Bevölkerung (Verkehrszentren, Industriegebiete) auch Schul- und ähnliche reine Verwaltungs- 
kosten auf Anleihe genommen werden. Derartige sog. unproduktive Anlagen ganz auf Steuern 
zu verweisen, ist oft eine vollständige Unmöglichkeit. Trotz der in Preussen geltenden scharfen 
Bestimmungen über die Einschränkung der Aufnahme von kommunalen Anleihen entfielen 
nach einer Berechnung Silbergleits 1908 bei 104 preussischen Städten mit mehr als 25 000 Ein- 
wohnern von 2456 937000 M. auf andere als gewerbl. Zwecke also auf sog. unproduktive 
1161827000 M. oder 47,3%. (Gleiches ist übrigens auch in England der Fall.) 
Da ein grosser Teil der Schulden zu Anstalten werbender Natur aufgenommen ist, hat 
der Wert des werbenden Gemeindevermögens in den letzten Jahren ganz erheblich zugenommen. 
So wurde 1908 der Wert der Gemeindebetriebsanstalten im Deutschen Reich von Jaffe in Hirths 
 
	        
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