Full text: Handbuch der Politik.Dritter Band. (3)

4 Adolf Günther, Arbeiter-, Angestellten- und Arbeitgeber-Organisationen. 
Zwei Verbände, jene der Landarbeiter und der Hausangestellten, sind hıerbeı nıcht einge- 
rechnet, weil sie erst seit 1911 in der Statistik erscheinen und organisatorisch den übrigen, die 
in der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands ıhren Mittelpunkt haben, noch nıcht 
gleichgestellt sind. Webrigens sind gerade diese beiden Verbände ın mehr als einer Richtung von 
besonderem Interesse und man bringt ihnen ım Kreise der Landwirtschaft und des Grossgrund- 
besitzes ein sehr grosses Interesse ertgegen. 
Die Zahlen verschieben sich einigermassen, wenn man an Stelle der Jahresmittelwerte die 
Abschlusszahlen br.ngt. Diese sind durchwegs, aber nıcht sehr wesentlich höher, es mag genügen, 
die Zahl für Ende 1912 zu bringen: 2 559 781, mit dem Landarbeiter- und Hausangestelltenverband 
zusammen 2 583 492. 
Innerhalb dieser weitaus grössten Gruppe der deutschen Arbeiterbewegung ragen einzelne 
Verbände besonders hervor : der Metallarbeiterverband mit (1912, Jahresschluss) 561 547 Mitgliedern, 
der Bauarbeiterverbard mit 331 165, der Transportarbeiterverband mit 225 988, der Fabrik- 
arbeiterverbard mit 207 597 Mitgliedern. Zwischen 100 000 und 200 000 Mitgliedern zählen die 
Verbände der Bergarbeiter, der Holzgrbeiter, der Textilarbeiter. Es ist klar, dass hier neben dem 
organischen Wachstum der Verbände noch andere Erscheinungen massgebend sınd. Es handelt sıch 
hir um die oben genannten Industrieverbände, zu denen sich die, zahlenmässig ursprünglich 
auf einen engeren beruflichen Rahmen zugeschnittenen, Berufsvereine umbilden — ein Prozess, 
der zweifellos auch zahlenmässig noch nicht zum Stillstand gelangt ist. 
Das Kassen- und Unterstützungswesen dieser gewaltigen Organisationen kann hier nur ın 
allgemeinsten Zügen dargestellt werden. Alles nähere ist in den oben namhaft gemachten Sonder- 
heften zum Reichsarbeitsblatt, wo die einschlägigen Partien vom Verf. dieses bearbeitet wurden, 
zu ersehen. Im Jahre 1912 betrug die Gesamteinnahme der freien Gewerkschaften über 80 Millionen 
Mark, die Gesamtausgabe über 61 Millionen Mark, an Vermögen war im ganzen 80 833 168 Mark 
angesammelt worden. Die grössten Zahlen entfallen, was Einnahme anlangt, auf Metallarbeiter 
(weit über 20 Millionen), Bauarbeiter (über 9 Mill.), Holzarbeiter (7,7 Mill.), die Ausgaben sind bei 
diesen Verbänden und bei den Transport- und Fabrikarbeitern am grössten, bleiben aber fast regel- 
mässig hinter den Einnahmen zurück, sodass die Vermögensbildung rasch vor sıch geht. Wiederum 
steht der Metallarbeiterverband mit 16,5 Mill. an der Spitze, ihm folgenaufdem Fusse die Bauarbeiter, 
dıe sich also von der Aussperrung des Jahres 1910 wicder erholt haben. An dritter Stelle marschiert 
dann eine Organisation, die in bezug auf Mitgliederzahl, Einnahme und Ausgabe sonst weit zurück- 
bleibt und ihr gewaltiges Vermögen von über 10 Mill. Mark einer sehr langen Friedenszeit verdankt: 
dıe Buchdrucker. 
Die Gestaltung der Ausgaben und damit des Unterstützungswesens lässt sich neuerdings 
auch bis 1912 verfolgen. Das erheblichste wissenschaftliche und praktische Interesse knüpft .hier 
an eine Dreiteilung der Ausgaben an in solche, welche für soziale Kämpfe — Streik, Aussperrung, 
Massregelung — nötig werden, ferner in die Ausgaben in den eigentlichen Unterstützungsfällen — 
Krankheit, Arbeitslosigkeit, Umzug, Reise, Invalidität und Tod —, endlich in Verwaltungsausgaben. 
Die Ausgabe tür Streiks usw. bewegte sich in den letzten 6 Jahren zwischen über 4 und über 
16 Mill. Mark, sie ist naturgemäss der am meisten veränderliche Faktor im Gesamtbudget. Sehr 
gleichmässig stieg die Ausgabe für Arbeitslosenunterstützung, die 1905 erst 2 Mill. ausmachte. 
1912 auf über 7,7 Mill. zugenommen hat. Die Ausgabe für Krankheit und Invalidität bewegt sich sehr 
regelmässig um 10 Mill. Mark, eine ähnliche Summe repräsentieren 1912 die Ausgaben für Ver- 
waltung ım weiteren Sinn, die allerdings seit 1905 eine sehr erhebliche Zunahme zu verzeichnen 
haben. Man wird diese Zunahme zweifellos aus dem gegenüber früher doch sehr erweiterten Wirkungs- 
kreis der Gewerkschaften erklären können. 
2. Christlicheund Hirsch-Dunckersche Gewerkschaften. 
Nur in Kürze kann beı diesen beiden Formen der deutschen Arbeiterbewegung verweilt 
werden. Die grossen Zahlen der freien Gewerkschaften werden von ihnen auch nicht annähernd 
erreicht, insbesondere zeigt sich bei der an zweiter Stelle genannten Gruppe seit längerem eine 
Stagnation, die die Mitglicderzahl stets um 100 000 beharren lässt. Grundsätzlich ist hier aus der 
  
  
  
  
  
  
  
  
    
  
  
  
  
 
	        
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