erklären: Vorbereitende militärische Maßnahmen Rußlands müßten uns zu Gegen—
maßregeln zwingen. Diese müßten in der Mobilisierung der Armee bestehen. Die
Mobilisierung aber bedeute den Krieg. Wir könnten nicht annehmen, daß Ruß-
land einen europäischen Krieg entfesseln wolle. Am nächsten Tage erklärte der
russische Kriegsminister unserem Militärattaché, es sei noch keine Mobilmachungs-
order ergangen, kein Pferd ausgehoben, kein Reservist eingezogen. Es würden
lediglich vorbereitende Maßregeln getroffen. Wenn Osterreich-Ungarn die serbische
Grenze überschreite, würden die auf Osterreich-Ungarn gerichteten Militärbezirke
mobilisiert, unter keinen Umständen die an der deutschen Front liegenden. Jedoch
ließen zuverlässige Nachrichten schon in den nächsten Tagen keinen Zweifel, daß
auch an der deutschen Grenze die militärischen Vorbereitungen Rußlands in
vollem Gange waren. Die Meldungen hierüber häuften sich. Trotzdem wurden
noch am 29. von dem russischen Generalstabschef unserem Militärattaché erneut be-
ruhigende Erklärungen gegeben, die die Mitteilungen des Kriegsministers als noch
voll zu Recht bestehend bezeichneten.
Am 29. Juli ging ein Telegramm des Zaren an den Kaiser ein, in welchem
er die inständige Bitte aussprach, der Kaiser möge ihm in diesem so einsten
Augenblick helfen. Er bitte ihn, um dem Unglück eines europäischen Krieges vor-
zubeugen, alles ihm Mögliche zu tun, um den Bundesgenossen davon zurück-
zuhalten, zu weit zu gehen. Am selben Tage erwiderte der Kaiser in einem
längeren Telegramm, daß er die Aufgabe des Vermittlers auf den Appell an
seine Freundschaft und Hilfe bereitwillig übernommen habe. Dementsprechend
wurde sofort eine diplomatische Aktion in Wien eingeleitet. Während diese im
Gange war, lief die offizielle Nachricht ein, daß Rußland gegen Osterreich-Ungarn
mobil machte. Hierauf wies der Kaiser sofort den Zaren in einem weiteren
Telegramm darauf hin, daß durch die russische Mobilisierung gegen Osterreich-
Ungarn seine auf Bitten des Zaren übernommene Vermittlerrolle gefährdet, wenn
nicht unmöglich gemacht würde. Trotzdem wurde die in Wien eingeleitete Aktion
fortgesetzt, wobei von England gemachte, in ähnlicher Richtung sich bewegende
Vorschläge von der deutschen Regierung warm unterstützt wurden.
Über diese Vermittlungsvorschläge sollte heute in Wien die Entscheidung
fallen. Noch bevor sie fiel, erhielt die deutsche Regierung die offizielle Nachricht,
daß der Mobilmachungsbefehl für die gesamte russische Armee und Flotte er-
gangen sei. Darauf richtete der Kaiser ein letztes Telegramm an den Zaren, indem
er hervorhob, daß die Verantwortung für die Sicherheit des Reiches ihn zu
defensiven Maßregeln zwinge. Er sei mit seinen Bemühungen um die Erhaltung
des Weltfriedens bis an die äußerste Grenze des Möglichen gegangen. Nicht er
trage die Verantwortung für das Unheil, das jetzt der Welt drohe. Er habe die
Freundschaft für den Zaren und das russische Reich stets treu gehalten. Der Friede
Europas könne noch jetzt erhalten werden, wenn Rußland aufhöre, Deutschland
und Osterreich-Ungarn zu bedrohen.
Während also die deutsche Regierung auf Ersuchen Rußlands vermittelte,
machte Rußland seine gesamten Streitkräfte mobil und bedrohte damit die Sicher-
heit des Deutschen Reiches, von dem bis zu dieser Stunde noch keinerlei außer-
gewöhnliche militärische Maßregeln ergriffen waren.
So ist, nicht von Deutschland herbeigerufen, vielmehr wider den durch die
Tat bewährten Willen Deutschlands, der Augenblic gekommen, der die Wehrmacht
Deutschlands auf den Plan ruft.