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worden. Unter der „Ausfertigung“ haben wir also die
authentische Feststellung der Gesetzesurkunde durch den
Kaiser zu verstehen, wobei ich schon jetzt bemerken will,
dass die Frage, ob die Ausfertigung lediglich hierin be-
stehe oder ob sie gleichzeitig noch den Verkündigungs-
befehl der Gesetze mitenthalte, m. E. für unsere Reichs-
verfassung nichts weiter als ein Wortstreit ist. Denn,
haben wir erst einmal erkannt, dass das Wesen der Aus-
fertigung in der authentischen Feststellung des Gesetzes-
inhalts besteht, das Recht des Kaisers, die Verkündigung
der Gesetze zu bewirken, wird allgemein anerkannt. Es
ist also irrelevant, ob wir die Ausfertigung als etwas von
der Verkündigung Verschiedenes, oder „Ausfertigung und
Verkündigung“ gewissermassen als ein &v dr« dvorv ansehen.
Was nun die Frage betrifft, ob der Kaiser zur Aus-
fertigung eines Gesetzes ohne weiteres verpflichtet, oder
ob er vor Vollziehung der Ausfertigung gewisse Prüfungen
vorzunehmen berechtigt oder vielleicht auch verpflichtet
sei, oder ob er nicht die Pflicht, sondern lediglich das
Recht habe, die ihm vom Bundesrate zugestellten Gesetze
auszufertigen, sodass es von seinem freien Willen abhinge,
ob er ausfertigen wolle oder nicht, so haben sich für alle
diese Möglichkeiten Vertreter gefunden. Um die letztere
Ansicht vorweg zu behandeln, die von Ruville'), von Martitz?),
auch von Dernburg®) vertreten wird, so dürfte ihre
Unvereinbarkeit mit dem Geiste der ganzen Reichs-
verfassung genugsam dargetan sein, sodass ich kurz darüber
hinweggehen kann.*) Ein solches Recht des Kaisers würde
ein Vetorecht gegen alle Beschlüsse des Bundesrats be-
deuten, die ihrerseits im 'Obigen als die Sanktion der
1) von Ruville, Das deutsche Reich ein monarchischer Einheits-
staat S. 212ff.
2) von Martitz, Betrachtungen S. 53.
8) Dernburg, Pandekten 7. Aufl. S. 54.
4) Laband a.a.0. 8.38. Thudichum a.a.0.S.88. Hiersemenzel I
S. 70. von Held, System 8. 106. von Mohl, Staatsr. des Kgr. Württ.
8. 290. Seydel, Kommentar 8. 172. G. Meyer, Anteil S. 50 ff und
Staatsr. 8.31 ff. Riedel, Die R. V. U. S. 22,25. Frormann a.a.0. S.31ff,
dessen Ausführungen auf $S. 31 ich indess für gewagt halte.