588 Abschnitt IX. Strafgesetzbuch.
§. 60. Eine erlittene Untersuchungshaft kann bei Fällung des Urtheils an
die erkannte Strafe ganz oder theilweise angerechnet werden. Z
§. 61. Eine Handlung, deren Verfolgung nur auf Antrag!) eintritt, ist
nicht zu verfolgen, wenn der zum Antrage Berechtigte es unterläßt, den
Antrag binnen drei Monaten zu stellen. Diese Frist beginnt mit dem Tage,
seit welchem der zum Antrage Berechtigte von der Handlung und von der
Person des Thäters Kenntniß gehabt hat. Z„ „ Z
§. 62. Wenn von mehreren zum Antrage Berechtigten einer die drei-
monatliche Frist versäumt, so wird hierdurch das Recht der übrigen nicht aus-
eschlossen. ..
8 scho 63. Der Antrag kann nicht getheilt werden. Das gerichtliche Ver-
fahren findet gegen sämmtliche an der Handlung Betheiligte (Thäter und
Theilnehmer), sowie gegen den Begünstiger statt, auch wenn nur gegen eine
dieser Personen auf Bestrafung angetragen worden ist. 6
S. 64. Die Zurücknahme des Antrages ist nur in den gesetzlich besonders
vorgesehenen Fällen und nur bis zur Verkündung eines auf Strafe lautenden
Urtheils zulässig. „
Die rechtzeitige Zurücknahme des Antrages gegen eine der vorbezeichneten
Personen hat die Einstellung des Verfahrens auch gegen die anderen zur Folge.
§. 65. Der Verletzte, welcher das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, ist
selbständig zu dem Antrage auf Bestrafung berechtigt. "
So lange der Verletzte minderjährig ist, hat der gesetzliche Vertreter
desselben, unabhängig von der eigenen Befugniß des Verletzten, das Recht, den
Antrag zu stellen. 4 Z
Bei bevormundeten Geisteskranken und Taubstummen ist der Vormund der
zur Stellung des Antrages Berechtigte.
§. 66. Durch Verjährung wird die Strafverfolgung und die Strafvoll-
streckung ausgeschlossen. 2
§. 67. Die Strafverfolgung von Verbrechen verjährt?),
wenn sie mit dem Tode oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bedroht
sind, in zwanzig Jahren;
!) Ueber die Frage, inwieweit ein Delikt, welches bereits Gegenstand einer polizei-
richterlichen Entscheidung war, als Antragsvergehen vor der Gerichtsabtheilung ver-
folgt werden kann, vergl. Erk. O. Trib. 12. Juni 1876 (E. LXXK. 332).
2) Bei Delikten, deren Thatbestand in der Fortsetzung eines gesetzwidrigen Zu-
standes besteht (z. B. Aufbewahrung entzündbarer Gegenstände an feuergefährlichen
Orten) beginnt die Verjährung erst mit dem Aufgeben des rechtswidrigen Verhaltens,
Opp. Anm. 6 zu §. 67, E. Crim. X. 203, — bei Omissiv delikten (3. B. Nicht-
leistung des schuldigen Militärdienstes §. 140, Verabsäumung der vorgeschriebenen
Meldung eines Dienstboten oder beherbergten Fremden) beginnt die Verjährung mit
der endlichen Vornahme der vorgeschriebenen Handlung oder mit dem Aufhören der
Verpflichtung, Opp. Anm. 8 zu §. 67. Vergl. Anm. zu § 360 Nr. 3.
Die Untersuchungsverhandlung des Richters eines Deutschen Bundesstaates unter-
bricht die Verjährung der demnächst in einem anderen Deutschen Bundesstaate ein-
geleiteten Strafverfolgung, Erk. O. Trib. 29. Mai 1877 (E. LXXX. 328). Die
in einem Einzelstaat erfolgte Unterbrechung der Strafverjährung ist für die Straf-
gewalt sämmtlicher Bundesstaaten wirksam, selbst wenn es sich um die Uebertretung
eines speziellen Landesgesetzes handelt, Erk. O. Trib. 29. Mai 1877 (J. M. Bl.
S. 157).
2rt Verjährung der Strafverfolgung wegen einer Uebertretung wird durch
eine auf Grund des Ges. 14. Mai 1852 (jetzt Ges. 23. April 1883) vom Polizei-
verwalter erlassene vorläufige Straffestsetzung unterbrochen, Erk. O. Trib.
4. Jan. 1873 (E. LXIX. 43). Dasselbe gilt von Strafbescheiden der Verwaltungs-
behörden bei Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher
Abgaben und Gefälle, §. 459 Str. P. O. ** J
Der letzte Tag der Frist muß abgelaufen sein, damit die Verjährung eintrete,
Opp. Anm. 12 zu §s. 67. Mit dem Beginn des dem Anfangstage entsprechenden
Kalendertages erreicht sie ihr Ende, Erk. 25. Juni 1886 (Rechtspr. VIII. 493).
Anders z. B. §. 145 Gew. O.: von dem Tage.