Full text: Handbuch für Preußische Verwaltungsbeamte. Zweiter Band. (2)

808 Abschnitt XXXVI. Landgemeinde-Ordnung für die sieben 
3. Landgemeinden und Gutsbezirke können mit anderen Gemeinde- oder Guts- 
bezirken nach Anhörung der betheiligten Gemeinden und Gutsbesitzer, sowie 
des Kreisausschusses mit Königlicher Genehmigung vereinigt werden, wenn die 
Betheiligten hiermit einverstanden sind!). Wenn ein Einverständniß der Be- 
theiligten nicht zu erzielen ist, so ist die Zustimmung derselben, sofern das 
öffentliche Interesse dies erheischt, im Beschlußverfahren durch den Kreisausschuß 
zu ersetzen. Gegen den auf Beschwerde ergehenden Beschluß des Vezirksaus- 
schusses steht den Betheiligten und nach Maßgabe des §. 123 des Gesetzes 
über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (G. S. S. 195) 
dem Vorsitzenden des Bezirksausschuffes die weitere Beschwerde an den Provin- 
zialrath zu. Erachtet der Oberpräsident das öffentliche Interesse durch den 
Beschluß des Provinzialraths für gefährdet, so steht demselben in der gleichen 
Weise (§. 123 a. a. O.) die Beschwerde an das Staatsministerium offen. Der 
mit Gründen zu versehende Beschluß des Staatsministeriums ist dem Ober- 
präsidenten behufs Zustellung an die Betheiligten zuzufertigen. Umer den 
gleichen Voraussetzungen und in der gleichen Weise können Gutsbezirke in 
Landgemeinden und Landgemeinden in Gutebezirke durch Königlichen Erlaß 
umgewandelt werden?). 
Wird eine leistungsunfähige ?) Gemeinde einem leistungsfähigen Gutsbezirke 
zugelegt, so bleibt letzterer als solcher bestehen, sofern der Gutsbesitzer dies 
beantragt. 1 
4. Die Abtretung einzelner Theile"!) von einem Gemeinde= oder Gutsbezirke und 
deren Vereinigung mit einem anderen Gemeinde= oder Gutsbezirke kann, wenn 
die betheiligten Gemeinden und Gutsbesitzer, sowie die Besitzer der betreffenden 
Grundstücke einwilligen, oder wenn beim Widerspruche Betheiligter das 
öffentliche Interesse es erheischt, durch Beschluß des Kreisausschusses erfolgen. 
Gegen den auf Beschwerde ergehenden Beschluß des Bezirksausschusses steht 
den Betheiligten und dem Vorsitzenden des Bezirksausschusses die weitere Be- 
schwerde an den Provinzialrath, und gegen den Beschluß des Provinzialraths 
dem Oberpräsidenten die fernere Beschwerde an das Staatsministerium nach 
Maßgabe der Nr. 3 offen. Soll aus den abgetrennten Grundstücken ein 
neuer Gemeinde= oder Gutsbezirk gebildet werden, so ist die Königliche Ge- 
nehmigung erforderlich"). 
5. Ein öffentliches Interesse im Sinne der Nr. 3 und 4 ist nur dann als vor- 
liegend anzusehen, 
à) wenn Landgemeinden oder Gutsbezirke ihre öffentlich-rechtlichen Ver- 
pflichtungen) zu erfüllen außer Stande sind. 
Bei Beurtheilung dieser Frage find Zuwendungen, welche Gemeinden 
und Gutsbezirken vom Staate oder größeren Kommnunalverbänden zu- 
stehen, nicht als bestimmend zu erachten, 
  
Zu Anmerkung 4 auf S. 807. 
mit der Maßgabe bewilligt, daß der Gutsbesitzer zu seiner Wiederherausgabe an eine 
etwa neu zu bildende Gemeinde, zu der das Grundstück gehören würde, verpflichter 
ist, Res. 9. Jan. 1895 (M. Bl. S. 18). 
1) Das Einverständniß muß noch in dem Zeitpunkte vorhanden sein, wo die 
Kgl. Genehmigung zu der Vereinigung erwirkt wird, Res. 18. April 1893 (M. Bl. 
129). 
S. 
:) Ueber die Wahl des Gemeindevorstandes und der Gemeindevertretung in 
einer durch Bereinigung mehrerer Gemeinden gebildeten neuen Gemeinde vergl. Res. 
18. Dez. 1893 (M. Bl. 1894 S. 16). 
2) Leistungsunfähig ist eine Gemeinde, die ihre öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen 
zu erfüllen außer Stande ist, Sten. Ber. A. H. S. 2455. 
4) Ansf. Anw. II. 3. Ueber die hier oft in Frage kommenden Auen und Auen- 
rechte vergl. Brauchitsch III. 12. Aufl. S. 145ff. 
*:) Vor Beschlußfassung durch die Kreis= und Bezirksausschüsse ist erstere durch 
die Kommunal-Aufsichtsbehörden ausgiebig vorzubereiten, Res. 19. Dez. 1893 (M. Bl. 
1894 S. 17). # 
6") Solche können aus der Erfüllung rein polizeilicher, also den ländlichen 
Kommunen an sich fremder Interessen, nicht entspringen, Sten. Ber. A. H. S. 1855.
	        
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