Full text: Aberglaube, Sitte und Brauch im sächsischen Erzgebirge.

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wochenlange Schmausereien an, und in den heiligen Hainen wurden 
Opferschmäuse begangen, an denen die Geister und ihre Führer selbst 
mit teilnahmen. Weil nun auch die Seelen der Abgeschiedenen in 
die Zukunft schauen und dem Menschen das dunkle Kommende enthüllen 
konnten, so waren diese Tage die Zeit der Weissagung und des Zaubers, 
wo Geisterbanner und Wahrsager besonders ihr Wesen trieben. 
Zu diesem altgermanischen Glauben und Kult finden sich noch 
heute in den Sitten und Gebräuchen, im Aberglauben zur Weihnachts- 
zeit mannigfache Beziehungen. Denn als das Cbristentum sich der 
heidnischen Religion bemächtigte, ließ es nicht nur dem Volke die meisten 
Bräuche und Kulthandlungen, soweit sie der christlichen Religion nicht 
feindlich gegenübertraten, sondern es nahm sie sogar in sich auf, nur 
schob es ihnen einen andern Sinn unter und veränderte das, wovon sich 
der germanische Geist nur schwer trennen konnte, in der Weise, daß der 
Bekehrte mit den gewohnten Sitten und Symbolen allmählich einen 
andern Sinn verband, „so daß durch diese Perversion der heidnischen 
Formen die neue Lehre zu geräuschlosem Siege einzog.“ Und eine 
reizvolle Aufgabe ist es für den Forscher, Vergleiche anzustellen zwischen 
den alten heidnischen Vorstellungen und den späteren christlichen Aus- 
legungen, verwandten Zügen nachzuspüren, die beide miteinander ver- 
binden. Freilich darf man dabei nicht außer acht lassen, daß auch viele 
der Bräuche und Sitten erst die Einführung des Christentums mit sich 
gebracht hat, erst in späthistorischer Zeit oder in Anlehnung an andere 
Festgebräuche geschaffen worden sind. 
Die Adventzzeit. 
Mit dem Beginn der Adventszeit zieht schon der volle Zauber der 
Weihnachtszeit ins Herz des Erzgebirgers ein; denn der größte Reiz 
des Festes liegt für ihn in der Zubereitung aller der Dinge, die nach 
altem Brauche am h. Abende nicht fehlen dürfen. Schon Wochen zu- 
vor „bästelt“ deshalb der Vater mit den Seinen an all den Dingen, 
die lediglich zur Ausschmückung des Festes und des Festraumes dienen, 
der gewissermaßen allen gemeinsam ist und an dem sich alle erfreuen 
sollen. Und dazu sind ja die stillen lichtlosen Wochen vor dem Feste 
wie geschaffen. 
Über der weltlichen Vorbereitung aber übersieht man die Bereitung 
des Herzens nicht. Außerordentlich gern werden die Adventsgottes- 
dienste besucht. In Ehr. blasen Musikanten während der Adventszeit 
und zwar wöchentlich dreimal vom Kirchturm aus „das Feldgeschrei“ 
in die stille Winternacht hinaus. In den 60er Jahren wurde der Turm 
illuminiert und daselbst die „Mette“, ein Transparent, aufgestellt mit 
der Inschrift: Gott segne unfre Stadt. Wenn auch nur noch ganz 
vereinzelt, stellt man am 1. Advent ein brennendes Licht, am 2. zwei, 
am 3. drei, am 4. vier in der Hausflur oder im Vorsaal auf und legt zu 
der Meistzahl der Lichter Speisen hinzu zum Zeichen, daß alle bereit 
sind auf den Einzug des Herrn (Gey.)
	        
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