Full text: Deutsches Kolonialblatt. III. Jahrgang, 1892. (3)

Hülfsmitteln kann der Kamernner seine Gläu- 
biger erst nach geraumer Zeit befriedigen. Es 
ist klar, daß ein Gläubiger, so lange er nur 
noch einige Aussichten hat, zu seinem Gelde 
zu kommen, seinen Schuldner nicht wird 
pfänden lassen. Denn damit beraubt er den- 
selben der letzten Möglichkeit, seinen Verpflich- 
tungen nachkommen zu können, und er schneidet 
sich daher ins eigene Fleisch. Den Schuldner 
einsperren zu lassen ist ein Mittel, welches, 
wenn dessen Familie ihn auslöst, zum Ziele 
führt. Ob das aber namentlich in Zukunft 
immer Erfolg haben wird, ist aus mehr wie 
einem Grunde fraglich. 
Groß ist die Zahl der insolventen Schuldner 
in Kamerun, und die Höhe der von denselben 
geschuldeten Summe dürfte so beträchtlich sein, 
daß dieselbe, in Arbeitsleistung umgesetzt, eine 
vorzügliche Anlage für das Schutgebiet sein 
wird, sofern sich diese Arbeit auf die Anlage 
von Plantagen, deren Erträgnisse theils zur 
Befriedigung der Gläubiger dienen, theils 
Eigenthum des Schuldners werden, erstreckt. 
Vielleicht empfiehlt es sich, die Gläubiger Mit- 
eigenthümer an den von den Schuldnern an- 
zulegenden und in Stand zu haltenden Plan- 
tagen werden zu lassen, da dadurch bei dem 
großen Interesse des Gläubigers an möglichst 
reichem Ertrage der Farm derselbe dem Staat 
einen Theil der Aussicht abnehmen kann. 
Angenommen, ein Mann wäre zur Zahlung 
von 100 Mk. verurtheilt und seine Zahlungs- 
unfähigkeit ist festgestellt. Es entsprechen 100 Mk. 
bei 0,50 Mk. täglichem Arbeitslohn = 200 
Arbeitstagen; somit würde der Schuldner eine 
Arbeit zu verrichten haben, sei es selbst oder 
durch seine Sklaven, welche der Gesammt- 
leistung von 200 Tagen gleichkommt. 
Dieses Resultat dürfte indessen weit über 
das hinausgehen, was der Schuldner zu leisten 
hat, wenn es nur auf eine Farm ankäme, die 
ausschließlich die Schuld mit den Zinsen nach 
Verlauf von 5 Jahren beispielsweise decken 
soll durch einen einmaligen Ernteertrag. 
Ein Kaffeebaum trägt z. B., wenig ge- 
rechnet, 5 Pfund Früchte schon nach 3 Jahren; 
wir halten aber der Sicherheit halber an 
5 Jahren fest. Die Schuld beläuft sich nach 
5 Jahren mit Zinsen auf 125 Mark, welche 
Summe dem Erträgnisse von 50 Kasfeebäumen 
gleichkommt. Der Kasffeebaum erfordert etwa 
3 m Pflanzweite, also beanspruchen 50 Kaffee- 
bäume mit Wegen ca. 500 qm. Ein Neger 
macht diese Fläche, sofern es auf die Arbeits- 
leistung eines einzigen Individuums ankommt, 
im Besitze guter Werkzeuge bequem in 20 Tagen 
fertig. Oben aber rechneten wir 200 Arbeits- 
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tage heraus. Hieraus erhellt, daß der Schuldner 
sich mit dem Ueberschusse seiner Arbeitsleistung 
im Besitze einer ganz hübschen Farm sieht, 
deren Erträgnisse ihm ein neues Handels- 
produkt ohne sonderlich viel Mühe und dem 
Staate eine neue Einnahmcquelle gewähren, 
indem derartig entstandene Pflanzungen ctwa 
5 Jahre nach der ersten Ernte besteuert 
werden könnten. Ob die Anlage der Farm 
selbst unter „polizeilicher“ Aufsicht geschieht, 
ob man dem Gläubiger das Recht giebt, den 
Schuldner unter Kontrole der Plantageninspek- 
toren dieselbe aulegen zu lassen u. s. w. — Alles 
dies sind Fragen, welche erst dann in Betracht 
kommen, wenn man sich über eine derartige 
Heranziehung des zur Zeit unfruchtbar da- 
liegenden, wahrscheinlich nach Vernichtung 
des Handels der Kameruner überhaupt 
verloren gehenden, durch die Kameruner den 
Europäern geschuldeten Kapitals im Prinzip 
klar geworden ist. 
Diese Plantagenwirthschaft würde der 
Natur der Sache nach indessen auch nur 
einen Bruchtheil der Bevölkerung treffen; 
aber sie wäre um so eher mit in den Kauf 
zu nehmen, als durch den dabei gehandhabten 
direkten, den Eingeborenen aber trotzdem als 
gerecht erscheinenden Zwang mit der Zeit eine 
beträchtliche Anzahl geübter Plantagenarbeiter 
ausgebildet werden würde, die ihrerseits ihre 
Kenntnisse im Lande weiter verwerthen würden. 
Da die Eingeborenen durch uns den 
Segnungen der Kultur zugeführt werden, so 
ist es recht und billig, daß sie dafür zu den 
Unkosten beitragen und dieses geschicht durch 
Zahlung von Steuern. Es ließe sich an 
eine Art Familiensteuer denken, deren Höhe 
sich für den einzelnen pater lamilias nach 
der Anzahl der seiner Gewalt unterstehenden 
Personen, namentlich Weiber und Sklaven, 
richtet. Durch diese Familiensteuer wird ge- 
rade die „wohlhabende“ Klasse betroffen. Es 
dürfte sonst schwer sein, von einem allein- 
stehenden Kamerunmann, der nichts wie ein 
kleines Kanu sein eigen nennt, einen in baar 
zu entrichtenden Kopfzoll einzutreiben. Dieser 
käme erst für unsere Zwecke in Betracht, nach- 
dem die wohlhabenderen Eingeborenen sich 
daran gewöhnt haben, die in baar zu ent- 
richtende Familiensteuer abzuarbeiten. Durch 
einträglichen Handel der körperlichen Arbeit 
abgewendet würden die Eingeborenen einer, 
austatt baarer Leistung Arbeit verlangenden 
Steuer gegenüber sich wohl ziemlich renitent 
erweisen, abgesehen davon, daß unsererseits 
eine Kontrole über eine so ausdedehnte Ar- 
beitsleistung ganzer Stämme einfach zunächst 
unmöglich sein dürfte und wir wieder über
	        
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