Full text: Deutsches Kolonialblatt. IV. Jahrgang, 1893. (4)

Ein Mann von Sungura war unter einem 
Vorwande über Nacht in der Station zurückgehalten 
worden, um als Führer zu dienen. Zur befohlenen 
Zeit war Alles angetreten, ich marschirte in nach- 
siehender Ordnung ab: Spitze — Lieutenant v. Both- 
mer — Feldwebel Erttel — Geschüß — 40 Mann 
— Sergeant Wilhelm — 15 Mann. 
Dem Sergeanten Wilhelm ertheilte ich den Be- 
sehl, an einer später von mir zu bestimmenden Stelle, 
wo ich Aufstellung nehmen werde, links auszubiegen 
und jenseits der Tembe eine flankirende Aufstellung 
zu nehmen, von der er die dortige lange Front be- 
streichen könnte. Falls ich zum Sturm vorginge, 
sollte er gleichfalls angreisen. 
Meine Absicht war, unker dem Schuße der 
Dunkelheit meine Aufstellung zu nehmen, sobald es 
heller würde, mit meiner Abtheilung und vor Allem 
dem Geschütz die Tembe zu beschießen und die dann 
voraussichtlich entfliehenden Bewohner in das Feuer 
der anderen Abtheilung zu treiben. Ich gelangte 
bis etwa 50 Mcter heran, schickte dem Sergeanten 
Wilhelm Befehl, an den angewiesenen Platz zu 
rücken, und nahm selbst Ausstellung. 
Sobald die vorgeschrittene Dämmerung ein Richten 
gestattete, befahl ich dem Feldwebel Erttel, das 
Geschützfener zu eröffnen. Die ersien Granaten hatten 
den Erfolg, daß die Abtheilung des Sergeanten 
Wilhelm sofort ein lebhaftes Feuer auf die dort 
Ausreißenden begann. Gleichzeitig bekam auch meine 
Abtheilung, sowie die des Sergeanten Wilhelm aus 
der Tembe Gewehrfener und Pfeilschüsse, das durch 
Schützenfener erwidert wurde. Das Zielen war er- 
schwert, einmal war die Dämmerung noch nicht 
völlig gewichen, andererseits konnte man vom Feinde 
selbst nichts sehen, sondern war beschränkt, dahin zu 
halten, wo die feindlichen Schüsse aufolitzten bezw. 
der Pulverdampf aufstieg; die Front der Tembe 
hatte nämlich keinerlei sichtbare Scharten, sondern 
der Feind schoß aus lleinen Löchern oder Spalten 
in der Wand. 
Das Geschützsener blieb ohne jede erkennbare 
Wirkung, die meisten Granaten waren Blindgänger, 
ich habe mit Bestimmtheit nur eine krepiren sehen. 
Mittlerweile war es auch hell geworden, ich ließ 
nur einen Ombascha und vier Mann bei dem Geschüß 
zurück und ging mit den Uebrigen mit Marsch, 
Marsch, Hurrah zum Sturm vor. Oben auf dem 
Dache der Tembe erhielt ich auf nächste Entfernung 
einen Gewehrschuß durch den linken Unterschenkel. 
Ich stürmte noch elwa zehn Schritt vorwärts, brach 
aber dann zusammen. Dem herankommenden Feld- 
webel Erttel übergab ich das Kommando; alsdann 
trugen mich zwei Askaris vom Dach herunter und 
ich ließ mich neben dem Geschütz niederlegen, wo ich 
bis zum Schluß des Gefechts verblieb und wo auch 
die später Gefallenen und Verwundeten hingeschasst 
wurden. Nach Meldung des Sergeanten Wilhelm 
ging der Kampf im Innern unterdessen unter starken 
Verlusten weiter. 
  
250 — 
Sergeant Wilhelm hatte, als er das Hurrah 
hörte, gleichfalls gestürmt und sich mit der diesseitigen 
Abtheilung vereinigt. Die große, aus einer Unmenge 
von Höfen und einzelnen miteinander in Verbindung 
stehenden Räumen zusammengesetzte Tembe mußte 
abschnittsweise genommen werden, indem abwechselnd 
Salven hineingefeuert und dann weiter vorgedrungen 
wurde. Dabei vermied es der Feind klüglich, sich 
in den offenen Höfen zu zeigen, sondern entwich von 
einem Schlupfwinkel in den anderen, stets im Dun- 
keln und so aus größter Nähe auf den Eindringenden 
mit Gewehren, sowie Bogen und Pfeil mit Sicher- 
heit schießend. 
Auf diese Weise fiel, etwa ½ Stunde nach meiner 
Verwundung, Feldwebel Ertlel. In eine Thür 
hineinstürmend, erhielt er einen sofort ködtlichen Ge- 
wehrschuß durch die Brust. Der Sergeant Wilhelm, 
der dicht bei ihm war, übernahm das Kommando 
und setzte den Kampf in eben beschriebener Weise 
fort. Ein Versuch seinerseits, Feuer anzulegen, war 
bei der Bauart der Tembe ohne jeden Erfolg. Die 
Wände bestanden aus Flechtwerk mit Holzstützen, 
waren dick mit Lehm beworsen und das flache Dach 
war fußhoch mit festgestampfter Erde beschüttet. 
Nach 2½/ stündigem Kampfe war schließlich der 
feindliche Widerstand gebrochen, die Ueberlebenden 
waren ausgerissen. Es wurde nunmehr das Vieh, 
soweit es umverletzt, ausgetrieben. Inzwischen war 
eine volle Last Petroleum von der Station geholt 
worden, und cs wurde nochmals der Versuch ge- 
macht, mit Hülfe desselben Feuer anzulegen, was 
aber auch nicht gelang. 
Die Mannschaft wurde gesammelt und der Ab- 
marsch zur Station angetreten. Nach Aussage der 
gefangenen Wciber soll Masenta überhaupt in der 
Tembe gar nicht anwesend gewesen sein. Die Be- 
wohner seiner übrigen elf Temben in der Nähe 
waren während des Gefechts entflohen und hatten 
ihr Vieh in Sicherheit gebracht. Im Laufe des 
Tages wurden etwa 50 Lasten Brennholz herbei- 
geschafft, die im Magazin der Station vorhandenen 
Negerhacken mit Stielen versehen, und am nächsten 
Tage schickte ich ein Kommandv aus, um mit der 
Zerstörung der genommenen Tembe zu beginnen, so- 
wie die dort lagernden Kornvorräthe zu bergen. 
Ueber Nacht waren Wagogos wieder dort gewesen 
und hatten die Leichen fortgeschleppt, daher ist der 
Verlust des Feindes nicht festzustellen gewesen. 
Diesseitige Verlustliste solgt zum Schluß. 
Die angeführten Arbeiten wurden 8 bis 14 Tage 
sortgesetzt und auch auf die übrigen Masenta-Temben 
ausgedehnt, es sind mindestens 2400 Lasten Korn 
herbeigeschafft worden. 
Ueber den Aufenthalt des Masenta ist nur be- 
kannt geworden, daß er zu den Wahehe geflüchtet sei. 
Den übrigen Wagogos ist unter Androhung von 
Krieg verboten worden, ihn aufzunehmen oder ihm 
Vorschub zu leisten.
	        
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