Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

aber schon auf halbem Wege zwischen Doktorhaus 
und Hospital hörten wir ein wahnsinniges Feuern 
auf das Letztere und ebenso in unserem Rücken nach 
dem Gouvernementsgebände zu. Vorwärts konnten 
wir nicht mehr, so kehrten wir um und erreichten 
ungesehen die Vorderseite des Doktorhauses und 
gingen in das dunkele Wohnzimmer des Doktors; 
dort setzten wir uns in ängstlicher Erwartung des 
Kommenden. Um uns, vor uns, in das Haus, 
überoll hin flogen die Kugeln. Ich machte mich 
gesaßt, in der nächsten Viertelstunde sterben zu 
müssen. Dem armen Herrn V. mag auch nicht ge- 
müthlich zu Sinn gewesen sein, nur einen Arm be- 
an#en zu können, und ohne Waffen mit mir allein. 
Ich nahm mir vor, wenn die Rebellen kämen, ihnen 
entgegenzugehen, um wenigstens möglichst schnell 
geködtet zu werden. Wir hatten wohl eine halbe 
Stunde dort verbracht — und was für eine! — da 
lom Herr Hesse, Gott segne ihn! (er ist der 
Vertreter von Woermann hier draußen); der war 
erst zum Hospital gegangen mit noch drei anderen 
Herren — Plaensdorf, Stegmann und Mr. 
Gibney —, um uns zu holen. Im Hospital fand 
er Schwester Emma mit zwei Patienten; der 
Schwerkranke war schon fort, zum Wasser hinunter, 
halle sich ein Kanoe genommen und mit den Händen, 
ohne Paddel, zum „Soden“ gerudert. Die anderen 
wRrei nun wurden in dem Boot, in dem Herr Hesse 
lom, auf die „Nachligall“ gebracht, und Letßterer 
lam durch das Wasser am Ufer entlang den Hügel 
zum Doktorhause hinauf, weil er gehört hatte, daß 
Her Vanselow und ich dort seien. Die Empfin- 
dung, die ich hatte, als ich einen weißen Schritt, 
d. h. Stiefel, auf der Veranda und Herrn Hesse 
msen hörte, kann ich Niemand beschreiben. Nun 
brachte er uns unter Deckung zum Gorvernements- 
haus und dort verlebten wir eine Nacht, wie sie 
wohl wenige Menschen erlebt haben. Wir saßen im 
oberen Aufbau des Hauses: Kanzler Leist, die 
Offiziere der Schutztruppe, Lieutenant Haering, 
dver Offizier des Vermessungs-Detachements, Lieute- 
nant Deimling mit seinen Matrosen, nebst den 
Herren von der Woermann-Faktorei, die uns geholt 
halten. Das Parterre des Gebäudes wurde von 
verschiedenen Anderen, die ich nicht alle mehr im 
Kopfe habe, vertheidigt. Kanzler Leist wies mir 
sein Schlafzimmer, das neben dem Raum, in dem 
Alle versammelt waren, liegt, an. Kaum zwei 
Stunden im Gouvernementsgebäude, wurde unser 
Lazarethgehülse Siepert verwundet heraufgebracht. 
Da hieß es verbinden! Ich zerriß Betttücher von 
Konzler Leist und verband Siepert, während die 
Kugeln uns immer um den Kopf sausten. Eine 
Konone hatten die Feinde dicht beim Haus, an der 
Küche, aufgestellt und alle Augenblicke krachte es um 
und unter uns von Mauerstücken. Die Fenster- 
scheiben, die Borrikaden, Alles wurde glatt durch- 
schossen und flog uns in Splittern in das Gesicht. 
Munition war wenig vorhanden, und am 16. 
129 
  
morgens gegen 10 Uhr hieß es: Wir müssen uns 
zurückziehen. Zuerst wurde Siepert von vier 
schwarzen Soldaten fortgebracht. In dem Augen- 
blick, als wir hinunter wollten, schlug eine Granate 
noch das Treppenhaus entzwei. Ueber die Trümmer 
hinweg eilten wir nach unten. Vorher hatten wir 
uns aber erst die Taschen voll Patronen gesteckt und 
ich ebenfalls eine Waffe, einen geladenen Revolver, 
den ich fand, zu mir genommen, um mich, falls es 
zum Letten kommen sollte, davor zu schüten, den 
Barbaren lebendig in die Hände zu fallen. Die 
Front des Hauses war frei; dorthin gingen wir. 
Da bekamen wir von den Seiten ein wahnsinniges 
Feuer. Zuletzt sagte Jemand: „Schwester Grete, 
nun müssen Sie versuchen, voraus zu fliehen; wir 
wollen feuern, um Sie zu decken, und unmittelbar 
nachkommen.“ Da befahl ich meine Seele Gott und 
lief voraus, so schnell mich meine Füße tragen 
konnten. Auf dem Wege wurde auch auf mich ge- 
feuert. In einem Moment, als ich einen Schuh 
verlor und mich danach bückte, sauste mir eine 
Kugel über den Kopf fort. — Mag übrigens ein 
reizendes Bild gewesen sein: in einer Hand den 
Schuh, in der Rechten den Nevolver, das Kleid von 
oben bis unten voll Blut. Auf dem Kopf einen 
großen Hut vom schwarzen Lazarethgehülfen! 
So kamen wir, immer umsanst von den Kugeln 
der Schwarzen, ans Wasser, auf die neue Landungs- 
brücke und in die Boote. Von der „Nachtigall“ 
schickte man sofort die Pinasse, die nahm uns ins 
Schlepptau und brachte uns an Bord. 
Die Post muß fort, also so viel für heute, daß 
Sie nicht ganz ohne Nachricht blieben; in acht Tagen, 
mil der „Aline“, sende ich die Fortsetzung. 
Das Hospital ist arg zerschossen, und momentan 
hat Herr Hesse, unser Lebensretier (denn fünf 
Minuten nachdem wir fort waren, wurde das Doktor- 
haus gestürmt), uns mitsammt den Patienten in 
seinem Hause ausgenommen. 
  
von der Ramerun-Land- und Plantagen= Gesellschaft. 
Die Plantage der Kamerun-Land= und Plantagen- 
Gesellschaft bei Victoria an der Hriegsschiffsbucht hat 
mit jedem Jahre steigende Erträgnisse zu verzeichnen, 
wie sich aus nachstehender Aufstellung ergiebt. 
1889: 5 Sack Kakao, Erlös 316 Mk. 
1890: 171 = - - 11 457 = 
1891: 342 - - 18 841 
1892: 749 = - - 43374 - 
1893:1324 (— 66200 kg) 
Kakao, Erlös 75 575 „= 
Im Jahre 1893 wurden auch bereits 58 kg 
Kaffee geerntet. Vor Kurzem sind wiederum über 
16 000 kg Kakao zur Verschiffung gelangt. Die 
Qualität des Kalao war eine befriedigende, das 
Pfund wurde zu 67 Pfennig verkauft. Dieser er- 
freuliche Erfolg ist in erster Linie der großen prak-
	        
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