Verhandlungen über diese Frage auf beiderseitigen
Wunsch hin vertagt.
Einerseits die Fortschritte der französischen Unter-
nehmugen am Sanga und Ubangi, in einem Ge-
biete, das nach den Grundsätzen des kolonialen
Völlerrechts ebenso wie nach allgemeiner in Deutsch-
land und Frankreich herrschender Meinung herrenlos
war und das als solches derjenigen europäischen
Mocht zusallen mußte, welche zuerst einen entsprechen-
den polilischen Einfluß ausüben würde, — anderer-
seits aber der Umstand, daß die deutschen Expeditionen
von der Küste nicht allzuweit in das Innere Kameruns
zu gelangen vermochten, mußte im Laufe der nächsten
Johre der deutschen Regierung, wie dies auch seitens
des Kolonialraths und der kolonialen Kreise wieder-
holt gewünscht wurde, den Gedanken nahe legen, die
dplomatischen Verhandlungen mit Frankreich bei
einem neuen Anerbieten nicht wieder abzulehnen.
Dieselben wurden im wohlverstandenen kolonialen
Interesse zur Nothwendigleit, als es auch der
b. Stetten schen Expedition nicht gelungen war,
über den 15. Grad östl. Gr. hinaus vorzudringen.
Die Gefahr wurde um so dringender, als bekannt
wurde, daß seit Mitte 1893 zwei neuc mit sehr
acheblichen Mitteln ausgestaktete französische Expe-
ditionen vom Kongo her im Anzug nach dem Tschad-
see sich besänden.
Die Möglichkeit, daß unter diesen Verhältnissen
noch eine Verschiebung zu Gunsten Doutschlands
eintreten werde, war jast ganz verschwunden. Der
sür die wissenschaftliche Ersorschung Afrikas aus-
gesetzte Fonds, an sich schon nicht genügend für die
mannigfachen Zwecke, denen er zu dienen hat, reichte
ouch nicht im Entferntesten aus, um die Kostlen einer
Hinreichend starken und gut ausgerüsteten wissenschaft-
lichen Expedition, dic gleichzeitig mit politischen Auf-
baben betraut werden konnte, zu decken. Bei der
gegenwärtigen Finanzlage des Neichs war, wie sich
überdies aus geeigneten Erkundigungen ergab, nicht
die geringste Aussicht vorhanden, daß der Reichstag
die bisherige maßvolle Kolonialpolitik verlassen
ud zu einer unbegrenzten Ausdehnung erhebliche
Mittel für Expeditionen ins Hinterland von
Kamerun bewilligen werde. Privatkreise hatten
schon genügende Schwierigkeiten gehabt, um die
lechtritzsche Expedition auf den Weg zu bringen.
Die Möglichkeit, in der kürzesten Zeit und noch im
Herbst des Jahres 1893 nach Rückkehr der Stetten-
schen Expedition Gelder für eine zweite große, auf
dem Wege öffentlicher oder privater Sammlung zu-
sammenzubringen, nachdem die erste unter erschweren-
den Umständen zu Stande gebracht war, erschien
auch den wärmsten Fürsprechern dieses Gedankens
ausgeschlossen. Die Möglichkeit etwaiger Erfolge der
lleinen Uechtritzschen Expedition war nicht zu be-
steiten, obwohl die Geringfügigkeit ihrer Mittel
bespaunte Hoffnungen nicht zuläßt.
Weas bis jebt von Nachrichten und Ergebnissen
bieses Unternehmens vorliegt, bestätigt, daß das
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deutsche Kamerun-Komitee bei der Auswahl der
Mitglieder der Expedition sehr glücklich gewesen ist.
Verdankt man doch dem zweiten Theilnehmer der-
selben, Dr. Passarge, außer anderweitigen werth-
vollen wissenschaftlichen Beobachtungen und Berichten
über das Gebiet des Benué die erste zuverlässige
Ortsbestimmung von Yola, welche das Kartenbild
dieses Theiles von Afrika nicht unwesentlich geändert
hat und die, wie sich aus einer Mittheilung der
französischen Regierung ergiebt, durch die mittler-
weile stattgehabte Berechnung der Mizonschen Be-
obachtungen in wyola ihre Bestätigung gefunden hat.
Schon hat die Expedition, noch bevor sie das im
Aufstande und in schweren inneren Kämpfen befind-
liche Baghirmi erreicht hat, den ihr von den Ein-
geborenen bereiteten Widerstand mit Waffengewalt
niederschlagen und sich behufs Einschlagung eines
andern Weges eine Zeit lang wieder zurückziehen
müssen, so daß ihr Schicksal durchaus nicht
gesichert erscheint. Jedensalls aber wird nach
der hoffentlich glücklichen Rückkehr der beiden Reisen-
den die Kaiserliche Regierung dank diesem Privat-
unternehmen in der Lage sein, durch die zu er-
wartenden weiteren Berichte und Mittheilungen der
Herren v. Uechtrih und Dr. Passarge über die
thatsächlichen Verhältnisse und die Hülfssquellen der
nunmehr für Deutschland gesicherten Gebiete östlich
vom Benué bestens unterrichtet zu werden, um dann
auf Grund dieser Nachrichten weitere Maßnahmen
im Interesse der Verwerthung dieser Gebiete treffen
zu können.
In Erwartung elwaiger polilischer Erfolge der
Expedition Uechtriß aber unthätig zu bleiben, würde,
wie einer ihrer Förderer selbst hervorhob, demienigen
gleichkommen, der einen sicheren aber maßvollen Vor-
theil aufgiebt und diesem gegenüber eine unsichere
und ungewisse Hoffnung auf einen größeren Gewinn
vorzieht; so handelt ein Spieler, aber kein treuer
Haushalter. Auch hatten die an diesem Unternehmen
betheiligten Männer und Kreise sich schon dadurch
um die koloniale Sache verdient gemacht, dase man in
Frankreich mit einiger Besorgniß auf diese Expedition
blickte und daher mehr als bisher zu Verhand-
lungen und zu einem Entgegenkommen bereit erschien.
Besonders aber die wirthschaftlichen Interessen des
Schutzgebietes Kamerun ließen den Abschluß einer
Vereinbarung mit Fraulreich dringend wünschens-
werth erscheinen. Mit den Expeditionen war —
nach einer auch in Ostafrika gemachten Erfahrung —
eine große Bennruhigung der eingeborenen Stämme
eingetreten und eine Erschütterung des Handels-
verkehrs mit der Küste erfolgt. Durch ein Abkommen
mußte für die Gegenwart in den Bestrebungen der
beiden Mächte im Kamernner Hinterland eine ge-
wisse Beruhigung gewonnen und der von rein
kolonialem Standpunkt nicht hoch genug zu schäßende
Vortheil geschaffen werden, alle zur Versügung
siehenden Kräfte und Mittel auf die wirthschaftlichen
Inkeressen und auf die Entwickelung der Hülfskräfte