Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

nun unterhalb 1300 Meter beschaffen? Da wird es 
genügen, zu sagen, daß im ganzen Osten des Berges 
von Muika bis hin nach Kimangelia die typischste, 
ausgesprochenste Steppe mit Akazien und Kandelaber- 
Euphorbien bis zu dieser Höhe, ja noch weiter am 
Berge hinaufsteigt. 
Von Muika bis zum äußersten Westen bis Schira 
wird man rund 1000 Meter als oberste Steppen- 
grenze angeben können, und es bleibt also hier ein 
Streifen von 300 Meter Steigungshöhe, über dessen 
Bebauungsfähigkeit ich mich auszusprechen hältte. 
Eine zusammenhängende meteorologische Zahlenreihe 
liegt mir für diese Zone nicht vor. Ich kann nur 
Folgendes andenten. 
Einen tropischen Charakter hat der Strich nir- 
gends, überall ist Trockenheit seine Signatur. Nur 
unmittelbar an den Flüssen und da und dort, wo 
solche sich nähern, auch im zwischenliegenden Gebict, 
kommt es zu einer Waldflora. Im Uebrigen bedeckt 
zumeist dichter Busch das Land, in dem es an 
Dornsträuchern, Succulenten, überhaupt Arophyten 
nicht mangelt. Kultur ist jedenfalls möglich, das 
beweisen die besonders von Kilema und Moschi aus 
weit vorgeschobenen Mais= und Bohnenfelder, aber 
sie ist erschwert darum, weil sich eine künstliche Be- 
wässerung hier nicht so leicht bewerkstelligen läßt wie 
oberwärls, wo die Bäche noch getrennt verlaufen. 
So viel kann ich bestimmt behaupten, es werden nur 
beschränkte Lokalitälen sein, an denen man mit dem 
Anbau von Kaffee, Vanille, Erdnuß, Tabak, Ma- 
nihot Glaziovii u. s. w. Bersuche machen könnte. 
Am vielversprechendsten dürfte die Kultur der Lan- 
dolphia florida sein, da diese an den Steppenflüssen 
wild vorkommt. 
Nach dieser Abschweifung, zu der mich die Ver- 
suchsersolge Bruder Blanchards verführt haben, 
setze ich mit diesem die Wanderung fort. Wir ver- 
lassen den Garten und bewegen uns auf einer breiten, 
von Dracänen eingefaßten Straße fort, die vom 
Kirchenthor nach Osten führt. Sie mündet bei einem 
regelrechten kleinen Dorf, dem einzigen am Berge. 
Schon die Bauart der Hütten, Giebelhäuschen mit 
einer Veranda davor, beweist, daß hier keine Wa- 
dschagga wohnen. Wasuaheli hausen darin, ehemalige, 
jetzt zu Mann und Frau verbundene Zöglinge aus 
Bagamoyo, die man hier angesiedelt hat, um als 
freie Arbeiter, als Tischler, Maurer und Schmiede 
vor Allem, gegen Lohn auf der Mission thätig zu 
sein. Jede Familie, deren Besitzthum von unzähligen 
Hühnern bevölkert ist, bebaut nebenher ein kleines 
Stück Eigenland, das die nöthigen Bohnen, süßen 
Kartoffeln u. s. w. für den Haushalt liesert. Er- 
reicht ist mit einer derartigen Käthnerwirthschaft, 
wenn man es so nennen will, daß die im Christen- 
thum auferzogenen und zu einem Handwerk an- 
gelernten Neger ständig unter Aufsicht ihrer Lehrer 
bleiben. Sie selbst und mehr noch natürlich ihre 
Kinder gehen nicht wieder verloren, wie es nur zu 
häufig geschieht, sobald sich ihr Leben später zwanglos 
312 
  
unter der heidnischen oder mohammedanischen Vetter- 
und Freundschaft abspinnt. Einige Hundert Schritt 
hinter dem Dorse sieht man links die Jühlkeshöhe 
aufragen, einen runden, kahlen, rothgetönten Tuff- 
hügel, auf dessen Spiße der Häuptling von Kilema, 
Fumba, seine Weiber in einem umfriedeten Hütten- 
komplex eingeschlossen hält; rechts gelangt man zu 
der Musschlucht, die am jenseitigen User durch eine 
weit in die Ebene vorspringende Bergkette begleitet 
wird. Die bedeutendste Erhebung der letzteren, die 
Petershöhe, auf der eine einzelne große Akazie ein 
weithin sichtbares trigonometrisches Signal abgiebt, 
hatte ich vor einigen Wochen erklommen, aber den 
schwierigen, durch dichtes Gebüsch ungemein behin- 
derten Anstieg durch keine besonders schöne Aussicht 
belohnt erhalten. 
Wir lehren zur Mission zurück und finden dort 
Fumba vor, der gekommen ist, mir ein Schaf als 
Gastgeschenk zu bringen. Er ist ein großer, kräftig 
gebauter Mann, gewiß überragt er die meisten seiner 
Unierthanen um Haupteslänge, indessen steht seine 
Machtgewalt mit dieser körperlichen Erscheinung nicht 
in Einklang. Man sieht ihm den Trinker an, und 
darauf mag es zurückzuführen sein, daß die Befehle, 
die er giebt, fast immer wirkungslos bleiben. Kom- 
pagniechef Johannes mußte das erfahren, als er be- 
strebt war, durch einen Einheitstarif den Preis der 
Lebensmittel auf eine einigermaßen ihrem Werthe 
entsprechende Höhe herabzudrücken. In Kilema und 
Marangu war das einfach nicht zu erreichen, darum 
nicht, weil die betreffenden Mangis durch Trunk und 
Liebe zu energielosen Schattenfiguren gesunken sind. 
Man darf nun freilich nicht glauben, daß damit 
Anarchie herrsche; in allen Landschaften regieren 
neben dem Mangi noch die Aliden, die Aeltesten, 
im Stillen zumeist, aber auch äußerlich erkennbar, 
dann z. B., wenn es sich um die Neubesehung eines 
erledigten Thrones handelt. Fumba erzählt mir, daß 
er seine Boma, an der wir heute Mittag vorüber- 
gekommen sind, verlassen und seinem Sohne Ma- 
bruka, einem stämmigen Burschen von 15 bis 
16 Jahren etwa, übergeben wolle. Er sei im Be- 
griff, sich südlich nach der Ebene zu, wo auch seine 
Vorfahren schon residirt hätten, eine neue zu bauen. 
Den Grund verschweigt er mir. Es geschieht, weil 
es ihm unbehaglich ist, so unmittelbar an der Straße 
zu sitzen, an der fast tagtäglich seine Besieger auf 
dem Hin= und Herwege zwischen Moschi und Ma- 
raugu vorüberziehen. Jeder Askari mag ihn an die 
Kriegskontribution, 100 Ochsen, erinnern, die es ihm 
und dem jeßigen Machthaber ungemein schwer wird, 
von seinem Herzen loszureißen. 
Am Abend, nach dem Essen, erfahre ich von 
P. Flick so Manches noch über die Mission, das 
auch in weiteren Kreisen interessiren dürfte. Ich 
gebe hier Einiges, was deren Geschichte angeht. 
Gegen Ende des Jahres 1890 begaben sich, mit 
Mitteln des Deulschen Afrika-Vereins ausgerüstet, der 
Bischof de Courmont und die PP. Gommen-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.