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gar nicht mehr am Berge, sondern da erhöbe, wo
die Steppe eben seinen Fuß berührt. In völlig
kahler Umgebung, auf der Ostseite von dem grasigen
Abfall zum Sangatschibach begrenzt, stand eine größere
Zahl von Häusern aufgebaut, deren Mittelpunkt das
mauerumzogene, augenscheinlich noch nicht ganz fertig-
gestellte Fort einnahm. Hastiger geht es jetzt dem
Ziele zu, aber noch bedarf es fast einer Stunde, ehe
ich, von den Herren der Station begrüßt, meinen
Einzug halten konnte.
Der Plan, nach dem die Militärstation Moschi
ausgeführt ist, unterscheidet sich von dem in Marangn
zur Anwendung gekommenen zunächst dadurch, daß
man es aufgegeben hat, sämmtliche Gebäude zu einer
Festungsanlage zu vereinen. Es ist, um es kurz
auszudrücken, eine Scheidung eingetreten zwischen
Fort und Kasernements. Nur das Erstere, in dem
sämmtliche Europäer ihre Wohnung haben und das
ein Areal von 1300 Quadratmetern bedeckt, ist durch
Gräben, Mauern und Bastionen gesichert; die Letz-
teren werden aufgegeben, sowie sie gegen den Feind
nicht mehr zu halten sind.
Wenn man von Marangu her kommt und an
dem ziemlich langgestreckten Gemüsegarten vorbei ist,
geräth man in eine kurze Straße, die von niedrigen
Erdhütten, provisorischen Soldatenhäusern, gebildet
wird. Unsäglich schmutzige und ebenso unsäglich
häßliche Sudanesenweiber hocken darin, theils
schwatzend in Gruppen beisammen, theils geben sie
sich der nützlichen Beschäftigung des Maisstanyfens
hin. Ab und zu schlägt einc, sich in ihrer
Zunge oder Hände Werk gestört fühlend, hinten aus
und bringt dadurch entweder ein Kind oder einen
Hund zum Ueberkugeln. Von beiden „wimmelt's“.
Wir gelangen, obwohl ein Gegenstand lebhaftester
Neugierde, so doch an Leib und Seele ungeschädigt
durch die Gasse der schwarzen Ungehener hindurch
bis an eine 3 m hohe und ½ m dicke Mauer.
Sie umschließt im Geviert das Fort, ist aus kleinen
Bruchsteinen mit Lehm als Mörtel aufgeführt und
soll erst noch während der kommenden Regenzeit be-
weisen, daß man hinter ihr vor jedem „Einfall“
sicher ist. Ein breites Thor erschließt das Innere.
Im Wesentlichen sind es drei Gebäude, die darin
ihren Platz gefunden haben oder noch erhalten sollen,
das Haus für die Offiziere, das für die Unteroffiziere
und die Küche. Den größten Naum nimmt das
Erstere ein. In wohlgefälligen Formen, von un-
gefähr quadratischem Grundriß erhebt es sich an
der Südostecke des Mauergevierts in Höhe von zwei
Stockwerken. Man hat lange geschwankt, ob es nicht
gerathen sei, sich nur mit einem Geschoß zu be-
gnügen, der Erdbeben wegen. Solche sind keines-
wegs selten am Kilimandjaro und den Eingeborenen
wohl bekannt. Ich selbst erlebte in der Nacht vom
16. bis 17. August 1893 einen ziemlich heftigen,
von unten kommenden Stoß, der sich in Seiten-
wellen fortpflanzte, am Abend des 9. April 1894
einen ähnlichen, aber schwächeren. Die Kilema-
Missionare berichteten, daß im Februar 1892 oft-
mals ihre Hauswände förmlich ins Schwanken ge-
rathen wären und auch während der Anwesenheit
der Wissmann-Expedition sind Erdstöße vorgekommen.
Herr Wilken, der Erbauer der Moschi-Station,
ein Praktiker ersten Nanges, hat nun der mit einem
Einsturz verbundenen Gefahr dadurch vorzubeugen
gesucht, daß er den Oberstock einmal aus sehr leichtem
Material als Fachwerk mit Kalkputz emporführte
und ihm dann noch einen besonderen, von den
Mauern des Unterstocks unabhängigen Balkenrost als
Stüte gab. Für das Erdgeschoß, dessen Räume
der Unterbringung von Munition, Vorräthen, Mate-
rialien aller Art zu dienen haben, sind Bruchsleine,
wie sie die zerstörte Meliboma lieferte, und Kalk-
mörtel zur Verwendung gekommen. Das nöthige
Licht geben eiserne, von der Küste her bezogene
Gitterfenster. Benutzt man eine der Freitreppen, die
vom Westen wie Norden her zum Oberstock führen,
so gelangt man auf eine wohl 4 m breite, luftige
Veranda, die sich rings um das ganze Gebäude
herumzieht und ihm dadurch, wenn man von dem
sehlenden ornamentalen Schmuck absieht, den Charakter
einer Schweizer-Villa aufdrückt. Indische, in Sansibar
fertig käufliche Thüren und halbgetheilte Klappfenster
hehen von der Veranda aus im Süden zu den
Zimmern des Kompagnieführers und der Messe, im
Osten zu denen der Offiziere und des Arztes. Das
Dach, das aus Wellblech mit einem Balkenwerk als
Unterlage konstruirt ist, fällt nach den vier Himmels-
richtungen gleichmäßig ab. An der Sddostecke ist
eine zum Sangatschithal vorspringende Bastion mit
in die Veranda einbezogen und durch eine besondere
sich höher erhebende Bedachung in einen pavillon-
artigen Anbau umgestaltet. Küche und Unteroffizier-
haus, die sich an die Westmauer des Forts anlehnen,
verdienen ebenso wenig eine Beschreibung wie die
provisorisch aufgestellte, transportable Baracke, die
für später als Lazareth dienen soll.
Im Ganzen macht die Anlage einen überaus
vortheilhaften Eindruck und es dürfte keinen Stations-
chef im Innern geben, der nicht beim Anblick dieses
Prachtbaues in seiner Art in den Seufzer ausbräche:
Hätt' ich doch etwas Aehnliches. Mir selbst ging es
kaum anders. Die wissenschaftliche Station, die ich
mit meinem Kollegen Dr. Lent und mit Unterstützung
des Kompagnieführers Johannes in viermonatlicher,
harter Arbeit erbaut, war mir bis dahin immer als
Palast erschienen, jetzt sank sie durch den Vergleich
zu einer Lehmbude herab. Fast gewaltsam suchte
ich mich mit dem Gedanken zu trösten, daß vielleicht
doch einmal eine Zeit kommen könnte, wo Mars aus
dieser schönen Wohnung exmittirt werden würde,
um Minerven zu weichen. Wie leicht ließe sich der
Exerzirplatz da unten in einen Versuchsgarten um-
wandeln; hier müßten die Mikroskopirtische stehen,
da ließen sich die meteorologischen Instrumente am
besten unterbringen. Ob der Sangatschibach wohl
eine Dynamomaschine treiben könnte? Sicher würde