Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

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ich auch noch einen geeigneten Raum für Rein- 
kulturen entdeckt haben, wenn Herr Wilken mich 
nicht aus meinen Träumen gerissen hätte. Er giebt 
mir auf mein Befragen über die mannigfachen 
Schwierigkeiten Aufschluß, die der Bau bereitete, und 
nur wenn man zugeschaut hat, wie dieser bescheidene, 
aber durch und durch tüchtige Mann bald den Hobel 
und die Axt, bald Mauerkelle und Löthkolben selber 
in die Hand nimmt, begreift man überhaupt, daß er 
ohne Mithülfe eines einzigen europäischen Arbeiters 
hat fertig werden können. Stundenweit wurde das 
Holz, nachdem es gleich oben zu Balken behauen 
war, von den Moschileuten aus dem Gürtelwalde 
herbeigeschleppt. Rohe Bohlen hatten die Unter- 
thanen Fumbas zu stellen. Um den Kalk zu ge- 
winnen, mußten mehrere Expeditionen weit in die 
Steppe hinein unternommen werden. Endlich, noch 
hinter Aruscha Tschini, in dem Winkel, den Pangani 
und Ronga bei ihrem Zusammenfluß bilden, entdeckte 
Wilken ein Material, das nach dem Brennen ein 
Produkt, wie er es wünschte, lieferte. Dann hieß 
es, sobald Brücken über die zu passirenden Flüsse 
hergestellt waren, eine Eselkarawane ausrüsten, die 
den an der Fundstelle gebrannten Kalk in Leder- 
säcken nach Moschi trausportirten. Löwen fielen in 
die Karawane ein und zersprengten sie. Die Well- 
blechplatten kamen zum Theil in einem Zustande an, 
daß Erfindungsgabe dazu gehörte, sie dennoch ver- 
wenden zu können. Collya baya, d. h. alter Hut, 
der Spitzname, unter dem Wilken an der ganzen 
Küste bei den Eingeborenen bekannt ist, wurde, ohne 
jemals seine Laune zu verlieren, Herr aller dieser 
Widrigkeiten. 
Außerhalb des Forts herrschten, als ich im 
Dezember dort weilte, noch allenthalben Zustände, 
denen der Stempel des Vorläufigen aufgeprägt war. 
Man hatte nach der Niederwerfung Melis eben sehen 
müssen, wie man sich so schnell als möglich ein 
Unterkommen schaffte. Die Offiziere und Unter- 
offiziere hausten zum Theil noch in ihren Zelten, die 
sie, um besser gegen die Sonne geschützt zu sein, 
mit einem aus trockenen Bananenblättern zusammen- 
gefügten Ueberbau versehen hatten. Die Soldaten 
wohnten in niedrigen, langgestreckten Schuppen, hatten 
wohl auch. soweit sie verheirathet waren, sich da und 
dort besondere kleine Hütten aus Fachwerk und Erde 
hergerichtet. Trotz des Provisorischen aber, das 
überall hervorleuchtete, fühlten sich Vorgesetzte wie 
Untergebene offenbar ganz behaglich, fehlte es doch 
am Wichtigsten nicht, einer ausreichenden Verpflegung. 
Sowie sie sich vom ersten Kriegsschrecken erholt 
hatten, waren die Eingeborenen wieder gekommen, 
um ihre Ackerbauerzeugnisse zu verhandeln. Schlacht- 
vieh hatten die drei besiegten Häuptlinge Fumba, 
Kitungati und Meli zu stellen, später kamen noch 
einige Tausend Ziegen hinzu, die man den Massais 
in der Nähe von Aruscha In abgenommen hatte. — 
Die Aussicht auf das umliegende Land ist im All- 
gemeinen nicht so schön wie in Marangu. Zwar 
  
präsentiren sich im Hintergrund Kibo und Mawenzi 
nicht wesentlich anders, aber der Vordergrund, der 
Blick auf die Steppe zu, ist reizloser. Von dem 
prächtigen Cirkus des Uguenogebirges mit dem Mipe- 
see daneben vermag man nur ganz zur Linken ein 
kleines Stück mit einer davorgelagerten Gneiskuppe, 
den Baumannhügel, zu sehen. Weit vorn in der 
Ebene, die in ihrer Einförmigkeit wie ein unbewegtes 
Meer daliegt, verräth an zwei Stellen aufsteigender 
Rauch die beiden Oasen Kahe und Aruscha tschini. 
Wie eine Wand erheben sich rechts davon die Litema- 
berge, mäßige Höhen, aber sern am Horizont über- 
ragt von dem dreispitzigen, gewiß an 3000 m hohen 
Dioronjori. Ihn erkennt man auch von Marangu 
aus zumeist in voller Schärfe, dagegen nicht den 
hier im Westen auftauchenden gewaltigen Meru. 
Schwarzen Berg nennen ihn die Massai und mit 
Recht, denn so ost ich ihn auch gesehen habe, immer 
hob er sich merklich durch seine dunkle Tönung von 
allen anderen Erhebungen ab. 
Das Klima der Militärstation Moschi ist infolge 
ihrer weit nach unten vorgeschobenen Lage ein ziem- 
lich heißes und trockenes, maß ich dort doch mehr- 
mals 28 und 29°, wo auf der wissenschaftlichen 
Marangustation nur 22 und 23° zur Beobachtung 
kamen. Namentlich während der Zeit vom November 
bis Februar, innerhalb deren die fast ständig herr- 
schenden Stürme undurchdringliche Staubmassen in 
die Höhe wirbeln, hat die große Hitze gewiß ihr 
Unangenehmes. Dafür entschädigt dann aber die 
Regenzeit, die ohnehin dem an das Zimmer Ge- 
fesselten so viele Widrigkeiten bringt, durch eine 
Temperatur, die doch wenigstens nicht alle Abend 
den Mangel eines Ofens empfinden läßt. 
Am Tage nach meiner Ankunft machte ich, vom 
Kompagnieführer Johannes begleitet, einen Spazier- 
gang in die nähere Umgebung, um das Terrain 
kennen zu lernen, auf dem vor nunmehr gerade vier 
Monaten das Gesecht stattgefunden hatte. Eine 
traurige Erinnerung daran bot nur wenige Schritte 
südlich von den letzten Soldatenhäusern die Begräbniß- 
stätte der auf deutscher Seite Gefallenen, vor Allem 
die des Lieutenants Ax. Bei unserem Heraufzuge 
zum Kilimandjaro hatten wir den so früh aus dem 
Leben Geschiedenen als Stationschef von Masinde 
kennen und schätzen gelernt. Zwar fühlte er sich 
ganz als Soldat auf seinem Posten, aber die eifrigen 
Gespräche, die wir an zwei Abenden mit ihm pflogen, 
bewiesen denn doch, wie sehr es ihm daran lag, nach 
bestem Wissen und Können auch zur Erforschung 
und Erschließung des ihm unterstellten Gebietes bei- 
zutragen. Mit der v. Scheleschen Expedition kam 
er dann zum Kilimandjaro. Sein erster Besuch 
galt der wissenschaftlichen Station, und in heiterster 
Laune schrieb er in das ihm vorgelegte Fremdenbuch: 
Fieber und Dysenterie 
Mäögen Sie befallen nie. 
Holen Sie sich keinen Knax Ax.
	        
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