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ich auch noch einen geeigneten Raum für Rein-
kulturen entdeckt haben, wenn Herr Wilken mich
nicht aus meinen Träumen gerissen hätte. Er giebt
mir auf mein Befragen über die mannigfachen
Schwierigkeiten Aufschluß, die der Bau bereitete, und
nur wenn man zugeschaut hat, wie dieser bescheidene,
aber durch und durch tüchtige Mann bald den Hobel
und die Axt, bald Mauerkelle und Löthkolben selber
in die Hand nimmt, begreift man überhaupt, daß er
ohne Mithülfe eines einzigen europäischen Arbeiters
hat fertig werden können. Stundenweit wurde das
Holz, nachdem es gleich oben zu Balken behauen
war, von den Moschileuten aus dem Gürtelwalde
herbeigeschleppt. Rohe Bohlen hatten die Unter-
thanen Fumbas zu stellen. Um den Kalk zu ge-
winnen, mußten mehrere Expeditionen weit in die
Steppe hinein unternommen werden. Endlich, noch
hinter Aruscha Tschini, in dem Winkel, den Pangani
und Ronga bei ihrem Zusammenfluß bilden, entdeckte
Wilken ein Material, das nach dem Brennen ein
Produkt, wie er es wünschte, lieferte. Dann hieß
es, sobald Brücken über die zu passirenden Flüsse
hergestellt waren, eine Eselkarawane ausrüsten, die
den an der Fundstelle gebrannten Kalk in Leder-
säcken nach Moschi trausportirten. Löwen fielen in
die Karawane ein und zersprengten sie. Die Well-
blechplatten kamen zum Theil in einem Zustande an,
daß Erfindungsgabe dazu gehörte, sie dennoch ver-
wenden zu können. Collya baya, d. h. alter Hut,
der Spitzname, unter dem Wilken an der ganzen
Küste bei den Eingeborenen bekannt ist, wurde, ohne
jemals seine Laune zu verlieren, Herr aller dieser
Widrigkeiten.
Außerhalb des Forts herrschten, als ich im
Dezember dort weilte, noch allenthalben Zustände,
denen der Stempel des Vorläufigen aufgeprägt war.
Man hatte nach der Niederwerfung Melis eben sehen
müssen, wie man sich so schnell als möglich ein
Unterkommen schaffte. Die Offiziere und Unter-
offiziere hausten zum Theil noch in ihren Zelten, die
sie, um besser gegen die Sonne geschützt zu sein,
mit einem aus trockenen Bananenblättern zusammen-
gefügten Ueberbau versehen hatten. Die Soldaten
wohnten in niedrigen, langgestreckten Schuppen, hatten
wohl auch. soweit sie verheirathet waren, sich da und
dort besondere kleine Hütten aus Fachwerk und Erde
hergerichtet. Trotz des Provisorischen aber, das
überall hervorleuchtete, fühlten sich Vorgesetzte wie
Untergebene offenbar ganz behaglich, fehlte es doch
am Wichtigsten nicht, einer ausreichenden Verpflegung.
Sowie sie sich vom ersten Kriegsschrecken erholt
hatten, waren die Eingeborenen wieder gekommen,
um ihre Ackerbauerzeugnisse zu verhandeln. Schlacht-
vieh hatten die drei besiegten Häuptlinge Fumba,
Kitungati und Meli zu stellen, später kamen noch
einige Tausend Ziegen hinzu, die man den Massais
in der Nähe von Aruscha In abgenommen hatte. —
Die Aussicht auf das umliegende Land ist im All-
gemeinen nicht so schön wie in Marangu. Zwar
präsentiren sich im Hintergrund Kibo und Mawenzi
nicht wesentlich anders, aber der Vordergrund, der
Blick auf die Steppe zu, ist reizloser. Von dem
prächtigen Cirkus des Uguenogebirges mit dem Mipe-
see daneben vermag man nur ganz zur Linken ein
kleines Stück mit einer davorgelagerten Gneiskuppe,
den Baumannhügel, zu sehen. Weit vorn in der
Ebene, die in ihrer Einförmigkeit wie ein unbewegtes
Meer daliegt, verräth an zwei Stellen aufsteigender
Rauch die beiden Oasen Kahe und Aruscha tschini.
Wie eine Wand erheben sich rechts davon die Litema-
berge, mäßige Höhen, aber sern am Horizont über-
ragt von dem dreispitzigen, gewiß an 3000 m hohen
Dioronjori. Ihn erkennt man auch von Marangu
aus zumeist in voller Schärfe, dagegen nicht den
hier im Westen auftauchenden gewaltigen Meru.
Schwarzen Berg nennen ihn die Massai und mit
Recht, denn so ost ich ihn auch gesehen habe, immer
hob er sich merklich durch seine dunkle Tönung von
allen anderen Erhebungen ab.
Das Klima der Militärstation Moschi ist infolge
ihrer weit nach unten vorgeschobenen Lage ein ziem-
lich heißes und trockenes, maß ich dort doch mehr-
mals 28 und 29°, wo auf der wissenschaftlichen
Marangustation nur 22 und 23° zur Beobachtung
kamen. Namentlich während der Zeit vom November
bis Februar, innerhalb deren die fast ständig herr-
schenden Stürme undurchdringliche Staubmassen in
die Höhe wirbeln, hat die große Hitze gewiß ihr
Unangenehmes. Dafür entschädigt dann aber die
Regenzeit, die ohnehin dem an das Zimmer Ge-
fesselten so viele Widrigkeiten bringt, durch eine
Temperatur, die doch wenigstens nicht alle Abend
den Mangel eines Ofens empfinden läßt.
Am Tage nach meiner Ankunft machte ich, vom
Kompagnieführer Johannes begleitet, einen Spazier-
gang in die nähere Umgebung, um das Terrain
kennen zu lernen, auf dem vor nunmehr gerade vier
Monaten das Gesecht stattgefunden hatte. Eine
traurige Erinnerung daran bot nur wenige Schritte
südlich von den letzten Soldatenhäusern die Begräbniß-
stätte der auf deutscher Seite Gefallenen, vor Allem
die des Lieutenants Ax. Bei unserem Heraufzuge
zum Kilimandjaro hatten wir den so früh aus dem
Leben Geschiedenen als Stationschef von Masinde
kennen und schätzen gelernt. Zwar fühlte er sich
ganz als Soldat auf seinem Posten, aber die eifrigen
Gespräche, die wir an zwei Abenden mit ihm pflogen,
bewiesen denn doch, wie sehr es ihm daran lag, nach
bestem Wissen und Können auch zur Erforschung
und Erschließung des ihm unterstellten Gebietes bei-
zutragen. Mit der v. Scheleschen Expedition kam
er dann zum Kilimandjaro. Sein erster Besuch
galt der wissenschaftlichen Station, und in heiterster
Laune schrieb er in das ihm vorgelegte Fremdenbuch:
Fieber und Dysenterie
Mäögen Sie befallen nie.
Holen Sie sich keinen Knax Ax.