Wenige Tage darauf holte er sich selber einen
Knax, einen ihn sofort todt niederstreckenden Schuß
in die Seite. Blumen der Heimath, rothe Geranien
und Balsaminen, Cineraria und Tropaeolum standen
jetzt bereits auf dem einfachen Grabe in üppigstem
Flor. Ein Holzkreuz, aus einer Thür der feindlichen
Boma gefertigt, kündet den Namen und Stand, eine
hohe Albizzia maranguensis, in ihrem Wuchs einer
Traueresche nicht unähnlich, wölbt ihre Zweige dar-
über her.
In unmittelbarer Nähe des Grabes weisen nur
wenige Spuren noch auf die Stätte, wo Melis
Boma gestanden. Was von den Steinen und dem
Holzwerk derselben brauchbar war, hat bei dem Bau
des Forts Verwendung gefunden. Auch aus dem
tiesen Graben, um dessen Besitz der heißeste Kampf
stattgesunden und der die meisten Opfer gekostet hat,
erhebt sich schon eine so dichte Vegetation, daß bald
nichts mehr von ihm zu erkennen sein wird. Wir
begeben uns weiter an den Rand des Sangatschi-
thals. Deutlich erblickt man drüben auf der anderen
Seite den Weg, der von der Steppe her herauf-
führt. An ihm, etwas weiter oben, sind Wolsrum
und v. Bülow gefallen. Dort standen die Gebäude
der Niederlassung, die die Deutsch-Ostafrikanische Ge-
sellschaft begründete, da die ehemalige Militärstation.
Nichts, nichts von Allem ist geblieben.
Selbst an die englische Mission, die von allen
europäischen Ansiedlungen am höchsten gelegen war,
gemahnt uns kein äußerliches Zeichen. Von Taveta
aus begründet, erstreckte sich ihre Wirksamkeit, der
auch in ihrem politischen Nebenzweck der Erfolg ver-
sagt geblieben ist, über 7 Jahre hinans, von 1885
bis 1892.
Als wir nach dem Fort zurückkehren, hat sich
Meli daselbst mit einer größeren Zohl von Akiden
eingefunden. Ich sah ihn nicht zum ersten Mal.
Damals steckte er in europäischer Tracht und sah
darin einem vierschrötigen Bauernjungen nicht
unähnlich. Das Gewand, welches er heut trug,
ein weißes, langes, am Rande mit Perlen besettes
Baumwolltuch, das wie eine Toga umgeschlagen war,
kleidete ihn um Vieles vortheilhafter. Aus seinem
ziemlich hellfarbigen Gesicht, das namentlich durch
die ausgeprägt griechische Nase und etwas hervor-
quellende Augen charakterisirt ist, spricht Simmlichkeit,
dagegen meinem Gesühle nach nichts von Beschränkt-
heit. Als er von der stolzen Höhe, auf die er sich
nach seinem Siege über die Deutschen erhoben hatte,
plötzlich herabgestürzt war, konnte er in seiner Denk-
art als Neger nichts Anderes erwarten, als daß sein
letztes Stündlein geschlagen habe.
Sieht man ihn jetzt, namentlich wenn er im Verkehr
mit seinen Akiden sich unbeobachtet glaubt, so kann
man sich der Besorgniß nicht erwehren, daß er, wie
sein Vater Mandara, trotz des harmlosen Aeußeren
doch zu den verschlagenen Füchsen gehört, die ihre
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Zeit abzuwarten verstehen. Jedenfalls ist Vorsicht
ihm gegenüber geboten, und es war sehr in Ordnung,
daß der „neue Herr“ ihm zum Hüttenbau einen
Platz angewiesen hat, der für die Kanonen des Forts
das denkbar günstigste Ziel abgiebt.
Dem Verwaltungsbericht der Deutsch-Ostafrikanischen
Gesellschaft
entnehmen wir Folgendes:
„Die Fortbildung unserer Unternehmungen hat
sich im Jahre 1893 in guter Weise vollzogen. Unser
Handelsbetrieb weist auf der ganzen Linie eine be-
merkenswerthe Besserung des Erfolges auf, und auf
unseren großen Pflanzungen entspricht der Stand
der Kulturen allen berechtigten Erwartungen. Die
hünstige Entwickelung unserer Plantagen ist für die
allgemeinen wirthschaftlichen Verhältnisse Deutsch-
Ostafrikas von außerordentlicher Bedeutung, weil
dieses Land, dessen Erzeugungsfähigkeit bis zum Ein-
setzen der deutschen Kolonisation fast gänzlich unaus-
genußt geblieben ist, nur durch Einführung neuer
Produltionszweige einen Aufschwung nehmen kann.
Den Umfang unserer landwirthschaftlichen Thätigkeit
haben wir abermals weiter zunehmen lassen und
sind dabei darauf bedacht geblieben, durch die Ver-
schiedenartigkeit der Kulturen ein vielseitiges Bild
zu geben. Was wir in Betreff des Kaffees schon
heute erreicht haben, wird von allen Sachkundigen
als ein bedeutender Erfolg angesehen, und es ist
daraus die allgemeine Ueberzeugung hervorgegangen,
dem Kaffee stehe in Usambara eine glänzende Zu-
kunft sehr bald bevor. Infolge dessen ist bei vielen
Faktoren der Wunsch, eigene Kasseeunternehmungen
in Usambara zu eröffnen, wach und praktisch ge-
worden. Unsere eigenen Kaffeepflanzungen stehen
nunmehr in ihrem dritten Lebensjahr, und der Zeit-
punkt des ersten Ertrages liegt also nicht mehr
allzuweit vor uns. Beide Plantagen, Derema wie
Aguelo, haben sich fortgesetzt günstig entwickelt; von
Derema aus ist neuerdings die Tochteranstalt Herue
auf dem anderen Ufer des Sigi, von Nguelo aus
die Tochteranstalt Union (an Rguelo sich auschließend)
geschaffen worden. Ueber die auf Derema in kleinem
Stil inszenirten Kuliuren von Thee, Kakao, Kar-
damom und anderen Pflanzen ist ein abschließendes
Urtheil heute noch nicht zu fällen. Eine besondere
Plantage für Kakao und Liberiakaffee will der
Leiter von Derema, Herr Cowley, in dem niederen
Hügelgebiet östlich des Sigiflusses demnächst an-
legen. Um die Plantagen Derema und Nguelo und
ihre Filialen in angemessene Verkehrsbeziehungen
zum Tieflande in der Nichtung auf Tanga, insonder-
heit zu der demnächstigen Eisenbahn zu bringen, sind
wir, die erheblichen Kosten nicht scheuend, zu einer
eigenen Wegeanlage geschritten.