Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

Stellung. Es befindet sich ihr gegenüber auf etwa 
2500 m Entfernung eine nach europäischen Begriffen 
bessere Stellung, mit reichlicher Wasserversorgung, 
Letzteres bei den hiesigen Verhälmissen von besonders 
wesentlicher Bedeutung. Denn dadurch ist auch dem 
Angreifer Gelegenheit gegeben, sich einzurichten und 
das Weitere in Ruhe vorzubereiten." 
Kurze Zeit nach dem Eintreffen der Schutztruppe 
erschien aus dem feindlichen Lager ein Reiter mit 
weißer Fahne, um im Auftrage Hendrik Witboois 
mit dem Führer der Truppe zu unterhandeln und 
um „Frieden“ zu bitten. Da die aus Windhoek 
erwarteten Verstärkungen noch nicht eingetroffen 
waren, nahm Major Leutwein die Vorschläge des 
Unterhändlers nicht ungern auf. Die Bedingungen, 
die den Witboois gestellt wurden, waren völlige 
Unterwerfung des Stammes, Ablieserung der Waffen 
und der Munitionsvorräthe und Anerkennung der 
deutschen Schußherrschaft. Dabei wurde Hendrik 
und seinen Leuten das Leben zugesichert und nur 
von Ersterem verlangt, daß er sich solange nach 
Windhoek in eine milde Gefangenschaft begebe, bis 
höheren Orts eine Entscheidung über den ihm zu- 
zuweisenden künftigen Anfenthalt getroffen sein würde. 
Hendrik suchte zunächst einer unzweidentigen Ant- 
wort auszuweichen und kam dann immer wieder auf 
die Bitte zurück, die Schutztruppe möge sich zunächst 
zurückziehen, damit er in Ruhe mit seinen Groß- 
mannen über die wichtige Angelegenheit berathen 
könne. Nachdem die gewährte Bedenkfrist wiederholt 
verlängert war, brach Major Leutwein die Ver- 
handlungen ab und ließ am 9. Mai das Feuer 
wieder eröffnen. Er sah sich hierzu umsomehr 
veranlaßt, als an diesem Tage die Nachricht eintraf, 
daß Witbooi am 1. Maoi, während die Truppe sich 
auf dem Anmarsch gegen die Nanklust befand, einen 
Ueberfall gegen die Rehobother Bastards verübt und 
zahlreiches Vieh geraubt hatte. 
Die nächsten acht Tage brachte Major Leutwein, 
wie er weiter berichtet, mit Erkundungsgesechten, den 
Gegner ermüdenden Alarmirungen sowie mit per- 
sönlicher Rekognoszirung der feindlichen Stellung zu. 
In den kleineren Gesechten während dieser Zeit wurde 
auf deutscher Seite ein Mann leicht verwundet, 
während die Hottentotten nachweisbar zwei Schwer- 
verwundete hatlen. Aus der persönlichen Erkundung 
zog Major Leutwein zwei Schlüsse: Daß er mit 
der ihm zur Verfügung slehenden Macht Witbooi 
zwar schlagen aber nicht vernichten könnte, und 
zweitens, daß die Stellung Witboois zu einer Ab- 
schließung und daher vielleicht Vernichtung desselben 
ganz besonders geeignet sei, so daß es taklisch un- 
richtig wäre, ihn daraus zu verdrängen. Nachdem 
er inzwischen auch von der Entsendung eines Ver- 
stärkungs-Kommandos aus Deutschland Kenntniß er- 
halten hatte, beschloß er, den Hauptschlag gegen 
Witbooi bis nach Eintreffen der Verstärkungs= 
mannschaften zu verschieben. Als daher Witbooi 
gegen Ende des Monaks die Unterhandlungen wieder 
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anknüpfte, gewährte er ihm eine zweimonatliche 
Bedenkzeit bis zum 1. August, um sich über die An- 
nahme der ihm gestellten Bedingungen schlüssig zu 
machen. Hendrik versicherte in einem von Friedens- 
betheuerungen überfließenden Briese vom 24. Mai 
feierlich, bis dahin alle Feindseligleiten ruhen zu 
lassen. Einige Stunden nach Empfang dieses Briefes 
begab sich Major Leutwein in Begleitung eines 
Offiziers und zweier Reiter persönlich in das Lager 
Witboois in der Nankluft und hatte mit Hendrik 
eine Unterredung. Er berichtet hierüber: 
„In höflicher Form und unter entsprechender Be- 
gründung schlug ich ihm seine vorgebrachten Bitten 
wegen Freilassung einiger wegen Verdacht des 
Munitionsschmuggels verhafteler Leute ab und 
fragte ihn dann, ob er mir noch ekwas zu sagen 
habe, ich sei gerne bereit, ihm auf Alles Auskunft 
zu geben. Er erwiderte, er sei lediglich er- 
schienen, um mich zu begrüßen, und freue sich, daß 
ich zu ihm gekommen sei. Ueber alles Weitere wolle 
er sich Bedenkzeit vorbehalten und hoffe er, mir 
dann später klare Antwort geben zu können. Wir 
trennten uns dann in der freundschaftlichsten Weise. 
Wilbooi sieht zur Zeit nicht gesund aus und 
scheint recht leidend; seine Leute hatten mir bereits 
vorher gesagt, der Kapitän sei gegenwärtig krank. 
Im Uebrigen aber ist er eine Erscheinung 
von ansprechendem Aeußeren und hinterläßt einen 
durchaus guten Eindruck. 
Ob Witbooi den Waffenstillstand halten wird, 
ist bei seiner phantastischen Gesinnung, die in slarke 
Selbstüberhebung ausartet, sowie bei der aalglatten 
Gewandtheit, mit welcher er Alles zu drehen 
weiß, um selbst stets als der unschuldige und an- 
gegriffene Theil zu erscheinen, mit Bestimmtheit nicht 
voraus zu sagen. Den guten Willen dazu hat er 
gegemwärtig gewiß, und habe ich diesen guten Willen 
durch Anordnungen, welche einen Bruch des Waffen- 
stillstandes für ihn einigermaßen bedenklich erscheinen 
lassen, unterstützt. Außerdem habe ich Vorsorge ge- 
troffen, daß ich durch Spione und Patrouillen von 
Allem, was er unternimmt, möglichst bald benach- 
richtigt werde.“ 
Aus dem Briefwechsel zwischen Major Leutwein 
und Hendrik Witbooi theilen wir nachstehend noch 
einige Stellen mit, die zwar zur Sache von ge- 
ringerem Inleresse sind, jedoch auf die Denkungsart 
und den Charaktler des Hottentottenhäuptlings 
bezeichnende Streiflichter werfen. 
Naanklof, den 4. Mai 1894. 
Mein lieber hochedler Deutsch-Kaiserlicher Herr, 
Stellvertreter v. Frangois. 
Euer Edeln fragen mich, ob ich Frieden mit 
Ihnen will machen oder Krieg? Darauf antworte 
ich: Frangois weiß es ganz gut und Ener Hoch- 
edeln auch, obwohl Euer Edeln nicht hier waren, 
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daß ich von Alters her mit Ihnen, mit Frangois 
und mit allen weißen Leuten Frieden gehalten habe.
	        
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