Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

und dann erst an das rechte User kommen, um den 
richtigen Weg im Galeriewald zu finden. 
Atafi zählt etwa 50 meist runde Hütten, die 
durch die rothe Farbe des verwendeten Lehms sehr 
an die Hütten Tsiaris erinnern. Mir wurde eine 
viereckige nach Ashantiart mit Giebeldach versehene, 
schön bemalte Hütte angewiesen. Auf einigen Hütten 
war die Dachspitze mit einem Wildgans= oder Reiherei 
geschmückt, wie die Häuptlinge im Norden Straußen- 
eier dazu verwenden. Atafi ist mit Tuntum durch 
einen über Karlkayo führenden Weg verbunden. 
Für den nächsten Tag stand uns ein langer 
Marsch bevor. Die Gegend zeigte einige Erhebungen, 
einzelne hohe Hügel, oft mit Kieselsteinen besät, und 
längere Höhenzüge. Wir kamen durch mehrere Dörfer 
und sahen andere unweit unseres Weges liegen. Das 
Land Kratji ist dicht bevölkert, doch sah ich nicht 
gerade viel angebautes Land, meist Buschsavanne 
oder auch weite Graswiesen, die an die norddeutsche 
Tiefebene erinnerten. In vielen Dörfern fand ich 
große Fetischhallen mit den aus Lehm hergestellten, 
mit Kauris geschmückten Opferaltären. Hinter dem 
Dorfe Dadiasi hat man für einige Angenblicke den 
Volta vor Augen, ein fernes mächtiges Silberband, 
das wohlthuend von all dem Buschwerk sich abhebt. 
Von dem letzten Dorfe vor Kete, Mafru, sandte ich 
einen eingeborenen Boten voraus, der meine Ankunft 
in Kete melden sollte. Gegen 5 Uhr kam uns der 
Zug der Haussas entgegen. Sofo, der erste Häupt- 
ling, Abudu Beda, der zweite Häuptling, und wohl 
noch ein Dutzend anderer Berittener auf zum Theil 
riesigen Pferden. Dazu eine große Menge von spcer- 
und schwerttragenden Bewaffneten und ein langer 
Zug Neugieriger. Ich wurde aufs Herzlichste be- 
grüßt und in die Stadt geleitet, wo auf den Straßen 
in langer Reihe die Bewohner sich aufgestellt hatten 
und mir ihr „Sanun“ zuriesen. Ich wurde darauf 
in Sofos Gehöft einquarliert. 
Kete ist eine Stadt von etwa 2000 Hütten. Die 
Strasßen sind fast durchweg mehrere Meter breit 
und gerade. Jedes Stadtviertel ist durch einen 
Strohmattenzaun abgeschlossen, so daß der auf den 
Straßen Gehende rechts und links von sich diese 
Matten hat. Die Straßen führen meist von Norden 
nach Süden oder von Osten nach Westen, letzterc zum 
Volta, und sind stets von Männern und Weibern, 
Reilern und Eseltreibern belebt. Krüppel oder Blinde 
hocken an den Seiten-und warten, bis ihnen Mit- 
leidige einige Kauris in die vor ihnen siehende Kale- 
basse werfen. Unzählige Geier, die den Vorüber- 
gehenden kaum Plah machen, treiben sich auf den 
Straßen und Dächern umher, besonders aber auf 
den Märkten. Die Marktplätze liegen etwas westlich 
der Houptstraße im Süden der Stadt. In Kete ist 
täglich von morgens 6 bis abends 6 Uhr Markt. 
Die Marktweiber sitzen dicht über den ganzen Platz 
verbreitet, ihre Waaren vor sich. Man kann hier 
Alles kaufen, was man haben will, und für meinen 
Tisch war jederzeit gesorgt. Man findet hier Dams 
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und Bananen und Ananas, süße Kartoffeln, fünf 
verschiedene Sorten Bohnen, Zwiebeln, Pfeffer, aller- 
hand einheimische Gemüse, getrocknetes Suppenkraut, 
fertige Speisen, Honigbier, Obst, Fische, Melonen, 
Mais, Hirse, Guincakorn, kurz Alles, was des Negers 
Mahlzeit bilden kann. Auch Palmöl und Palmkerne 
sehlen natürlich nicht. Dazu haben die Weiber ge- 
wöhnlich noch zahlreiche Bündel kleiner hellrother 
Wiesenblumen, mit denen die Mädchen und Frauen 
sich ihre Zähne roth zu färben lieben. An den Seiten 
des Marktes sind die Markthallen, das heißt die 
Stände für die Händler. Dort bietet man Salz 
aus, das in großen Mengen eingeführt wird, Stoffe 
aus dem Innern und europäische Zeuge, einheimischen 
Tabak, Pottasche zum Schnupfen und Dosen dazu, 
Antimon zum Blaufärben der Augenlider nebst 
Büchschen, Matten, schön schwarz-weiß-roth geflochten, 
roth gegerbte Ziegenfelle, fertige Lasttragen, Perlen, 
Achate und sonstigen Schmuck u. s. w. Der Haupt- 
handelsartikel ist aber die Kolanuß, ohne die der 
Haussa nicht leben kann und für die er erstaumliche 
Preise zahlt. Mir ist die Vorliebe für diese widerlich 
bitter schmeckende Frucht unbegreiflich. Als Zahl- 
mittel gilt überall die Kaurimuschel, die hier 
etwa ½10 Pfennig gilt, während sie an der Küste 
nur ½1/10 Pfennig ist. Geld wird jedoch auch ge- 
nommen. Daß Zenugstreifen als Münze verwendet 
werden wie im Sndan, habe ich nicht gesehen, ob- 
wohl ich dieselben überall ausbieten sah. Auf dem 
Fleischermarkte wird täglich frisches Fleisch und auch 
Vieh verkauft. Die Gesellen sind eifrigst beschäftigt, 
kleine Fleischstückchen herzurichten und dieselben dann 
zu zehn Stück auf ein Stöckchen zu spieseen, während 
dicht um sie herum die Schaar der Geier hockt. Solch 
Stöckchen mit Fleisch kostet 25 Pf. Der Großkauf, 
z. B. an Kantschuk, Elfenbein, Palmöl, Sheabutter 
und auch Sklaven, wird in den Häusern abgeschlossen. 
Eine Viertelstunde westlich von Kete fließt der 
Volta. Der Weg dorthin führt über Wiesen, auf 
denen Rinder und Schafe, Buckelrinder, Pferde und 
graugelbe Esel mit dunklem Querband über die 
Schultern weiden. Zwergreiher und Webervögel 
bevölkern die Zweige der Bäume. Der Volta ist 
hier 400 bis 500 Meter breit, halle jept in der 
Trockenzeit noch ein paar Meter hohe Ufer und weist 
dichten Baumwuchs an seinen Ufern auf. Morgens 
und abends pilgern viele Hunderte von Weibern mit 
den großen Lehmkrügen auf dem Kopse hierher hin- 
aus, um Wasser zu holen. Aber auch zu den anderen 
Tageszeiten findet man hier stets sich Badende oder 
Sklaven, welche Vieh waschen. Aus der Ferne tönt 
der Gesang der Feldarbeiter. Im Volta giebt es 
Krokodile und Flußpferde in Menge; ich selbst schoß 
eines der Letzteren, wobei mir leider eine Patrone 
platzte und ich nicht unerheblich an den Augen ver- 
letzt wurde. Ich glaube, der Harmattan thut mit 
seiner Trockenheit den Patronenhülsen Schaden. Der 
Volta ist an manchen Stellen noch sehr mit Felsen 
durchsetzt, so daß in der Trockenzeit der Verkehr mit 
 
	        
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