Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

1. Der Elefant. 
Schon vor langer Zeit ist die Frage der Zähmung 
des afrikanischen Elefanten und seiner Verwendung 
zu Transportzwecken aufgeworsen worden. Der alte 
Petermann ist sehr lebhaft dafür eingetreten; in 
neuerer Zeit wurde sie von dem Direktor des 
Hamburger Zoologischen Gartens, Dr. Bolan, ge- 
fördert; am eingehendsten hat sich dann die Deutsche 
Kolonialgesellschaft mit ihr beschäftigt und seiner Zeit 
sogar eine ansehnliche Summe für dahingehende Ver- 
suche ausgeworfen. 
Das Thier lebt im Lande selbst, findet also dort 
zusagende Bedingungen, hat ungeheure Kräfte, ist 
intelligent und geht, wenn nicht bald ein Eingriff 
geschieht, durch dic rücksichtslose Elsenbeingewinnung 
einem raschen Aussterben entgegen. Diese Er- 
wägungen lassen eine ungesäumte Ventilirung der 
Angelegenheit räthlich erscheinen. 
Ueber die Frage, ob der afrikauische Elefant 
zähmbar ist, kann man, glaube ich, hinweggehen. 
Erwiesenermaßen spielten die Thiere im Alterlhum 
sowohl zu Kriegs= wic Schauzwecken eine bedeutende 
Nolle. Wenn sie heute aus dem Dienst des Menschen 
verschwunden sind, so hat dies seinen Grund darin, 
daß ihre Verbreitung sehr beschränkt wurde und sie 
nur schwer noch lebend erlangt werden. Thier= 
händler importiren sie noch aus den Atbaraländern 
zwischen Rothem Meere und dem oberen Nil, wo# 
Kassala seit den fünfziger Jahren den Mittelpunkt dieses 
Handels bildet. Der intelligente Afrikaner, den man 
im Berliner Zoologischen Garten zu bewundern 
Gelegenheit hat, ist bis zum Velocipedfahrer gediehen. 
Mehr kann man nicht verlangen. Brehmy) schildert 
eingehend die Lebensweise der Thiere in Freiheit 
und Gefangenschaft, und verweise ich daher auf ihn. 
In unserem Schubgebiele ist Gelegenheit zur 
Elefantenzähmung nichl viel mehr vorhanden. 
Stuhlmann, der in Begleitung Emin Paschas 
die in Frage kommenden Gebiete wohl am gründ- 
lichsten kennen lernte, schlägt außer dem Kilimandjaro 
Frangi, Mopororo und Ruanda vor. In welcher 
Weise der Fang zu betreiben sei, ist hier neben- 
sächlich; die indische Methode wurde als bewährtes 
Vorbild schon öfter beschrieben. Was verspricht 
man sich nun von dem Elefanten? 
Seine Tragfähigkeit ist unzweifelhaft eine enorme. 
Do für den Afrikaner keine bestimmten Daten vorliegen, 
so wollen wir uns zunächst an die indische Art 
halten, die ihm in dieser Beziehung sehr nahe siehen 
dürste. Eine ausführliche Darlegung darüber ver- 
danken wir Sanderson,'') welcher lange Zeit 
Offizier in Cbarge ol tae Governement Elephant- 
catching Establishment in Mysore war. Er 
giebt an, daß nach der Regierungsvorschrift ein 
Elefant bis zu 1640 Pfund (engl.) belastet werden 
  
*) ietera, 3. Aufl., III, S. 9 ff. 
*% Thirteen Fenrs among wild bensts of India. 
London 1578. 
576 
  
  
soll, außerdem aber noch die Wärter und Ketten 
trägt, was zusammen etwa 2000 Pfund ergiebt. 
Die normale Belastung bei andauernden Märschen 
bleibt aber sehr dahinter zurück, sic beträgt etwa 
1000 Pfund, wovon je nach Terrain und Marsch- 
dauer Abweichungen zwischen 700 und 1900 Pfund 
vorkommen. Im Durchschnitt lege ein Lastelefant 
pro Stunde einen Weg von vier englischen Meilen 
zurück, auf kurze Strecken mehr. Kräftige Läuser 
sollen ohne Nuhepaunse bis zu 39 englische Meilen 
zu machen im Stande sein. Bolan knüpft daran 
solgende Berechnung:*?) „Wenn man 50 Pfund als 
die normale Belastung eines Trägers auf weiteren 
Märschen annimmt, die Tragfähigkeit eines Elefanten 
dagegen nur mit 1000 Pfund, dabei aber berück- 
sichtigt, daß nach Stanley eine Trägerkolonne täg- 
lich nur 16,55 km oder mit Zuziehung der noth- 
wendigen Rasttage gar nur 11⅛ km, ein Elefant 
dagegen mindestens 62 km in einem Tage zurücklegt, 
so ist die Leistung eines unserer Thiere 75 oder 
gar 110 mal so groß als die eines Trägers, mit 
anderen Worten: ein Elefant kann 75 bezw. 110 Träger 
ersetzen.“ 
Diese Berechnung ist in jeder Beziehung über- 
trieben und geeignet, die öffentliche Meinung auf 
falsche Bahnen zu leiten. Ich muß ihr in Rücksicht 
auf den Zweck dieser Schrift mit Entschiedenheit 
entgegentreten. Zunächst ist zu beachten, daß die 
Stanleys') entnommenen Zahler sich auf Forschungs- 
reisen beziehen, die mehr oder weniger unbekannte 
Gebiete durchqueren und durch die Interessen der 
begleitenden Europäer zu einem langsamen Marsch- 
tempo gezwungen werden. Wir haben bei diesen 
rein wirthschaftlichen Betrachtungen mit den Zissern 
zu rechnen, welche die Erfahrungen gewöhnlicher 
Transportkarawanen auf einer und derselben wohl- 
bekannten Route an die Hand geben. Sodamn ist 
die durchschnittliche Geschwindigkeit eines Lastelefanten 
weit überschätzt, ganz abgesehen von der Unfähigkeit 
der übrigen Karawanenmitglieder, derartige Tage- 
märsche mitzumachen. Dr. Pechuel-Lvesche, der 
die mittelafrikanische Reisemethode aus eigener An- 
schauung kennt und die neue Auflage von Brehms 
„Thierleben“ bearbeiket hat, äußert sich dort in fol- 
gender Weise, zunächst über den indischen Elefanten: 
„Bei andauernden Märschen ist für ihn durch- 
schnitllich eine gule Last: in ebenem Gelände 
500 kg und in higeligen oder morastigen Gegen- 
den bloß 350 kg. Schnelle und leicht beladene 
Reitelesanten können zwar in einem Tage einmal 
60 bis 70 Km zurücklegen, wozu sie mindestens 
10 bis 12 Stunden gebrauchen, aber den, wie 
oben angegeben, bepackten Lastelesanten wird man 
bei sortgesehten Märschen nur die Hälste der 
Strecke, wenn überhaupt so viel, im Tage zumuthen 
* Der Elesant in Krieg und Frieden. Hamburg 1887. 
*“) Durch den dunklen Welltheil. Leipzig 1878. I. S. 150. 
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