Wenn man diese Erfahrungen zusammenfaßt, so
kann uns das Resultat in summa summarum offen-
bar nicht ermuthigen. Aber es läßt sich doch noch
spezifiziren. Der Elefant ist ein Thier von bestimmt
ausgesprochener Eigenart. Wenn man von unserem
sagt, er lebe in Afrika, so kann das nicht heißen,
daß er auch überall in diesem Kontinent sein Fort-
kommen finde. Nach allen Beobachtungen, welche
ich während des bisher einjährigen Aufenthalts am
Kilimandjaro machen konnte, bevorzugt er als Nah-
rung hohes breitblättriges, schilsartiges Gras. Dieses
findet sich namentlich in den höheren Theilen unseres
Urwaldgürtels, lokal auch in tieferen Partien. Dort
beobachtet man slets die zahlreichsten und frischesten
Spuren des Wildes. Die ostafrikanischen Steppen,
welche doch den weitaus größten Theil des Landes
bedecken, entbehren solcher Gräser; sie sind überaus
dürr und kahl, nur in kurzen Perioden nach der
Regenzeit dürften sie so viel frisches Grün haben, um
diesen Thieren ausreichende Nahrung zu gewähren.
Daß der Elefant Baumzweige, etwa die der meist
stacheligen Steppenbäume fresse, ist entweder voll-
ständig eine Fabel oder nur ganz ausnahmsweise
der Fall. Alle Losung, die wir bei jedem Urwald-
marsch am Berge noch reichlich gefunden, erweist sich
stets als das Produkt von Grasnahrung. Diese sehr
beachtenswerthe Thatsache dürfte auch die oben citirten
widersprechenden Erfahrungen erklären. In Abessinien,
wo auscheinend sehr ähnliche Verhältnisse herrschen
wie am Kilimandjaro, hielten sich die Thiere gut;
auch nach im oberen Sudan, wo Waldvegetation und
frischer Graswuchs verbreitet sind, dauerten sie Jahre
lang aus. In den dürren Steppen Ostafrikas da-
gegen gingen sie rasch zu Grunde, oder man sah von
vornherein ein, daß man mit ihnen nicht weit kommen
werde. Ich betone immer und immer wieder, daß
man sich in Deutschland derartiger Projekte enthalten
sollte, bis man das Urtheil Landeskundiger eingeholt
hat. Das Land bietet eben in seinen verschiedenen
Theilen sehr verschiedene Bedingungen, und so gewiß
Elefanten sich in feuchten, waldigen Gegenden mit
üppiger Vegetation wohl fühlen, ebenso sicher werden
sie bei längerem Aufenthalt in offenen Steppen, zu
deren Durchquerung sie doch vorzugsweise dienen
sollen, zu Grunde gehen. Ferner berücksichtige man
die enormen Kosten, die mit dem Fang und der
Ernährung der Elefanten verbunden sind. Gerade
der Umstand, daß die Thiere in Bezug auf Nahrung
sehr wählerisch sind, erhöht die Schwierigkeiten ihrer
Unterhaltung. Hier in den einzelnen Theilen unseres
Berges sind sie keineswegs Standwild. Sie durch-
ziehen vielmehr das ganze Waldland; heute grasen
sie hier, morgen 20, 30 km weiter, offenbar weil
sie bestimmten Futterqualitäten nachgehen.
Es ist etwas ganz Anderes, ob man den Elefanten
als stationäres Arbeitsthier oder als Lastthier auf
Reisen benuten will An einer bestimmten Lokalität,
wo seine Bedingungen gegeben sind, wie z. B. am
Kilimandjaro, mag er gute Dieuste leisten, obwohl
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auch da seine Haltung schwierig genug sein dürfte.
Ich kann mein Urtheil über die „Elefantenfrage“,
nachdem ich ein Gebiet, in welchem die Thlere noch
heute zahlreich leben, eingehend kennen gelernt habe,
nur so zusammenfassen. In unserem wesentlich aus
vegetationsarmen Steppen gebildeten Schutzgebiete
ist ihre Verwendung als Lastthier außerordentlich
schwierig und unrentabel. Ich bin überhaupt der
Ansicht, daß in alle den Fällen, wo die Arbeits-
leistung eines Elefanten durch mehrere kleinere Thiere
vollbracht werden kann, Leßteres vorzuziehen sei, daß
demnach dem großen Dickhäuter nur da eine wirth-
schaftliche Rolle bevorstehe, wo Letzteres ausgeschlossen
ist, wo es sich bei monumentalen Bauten (Brücken,
Straßen) um die Bewegung schwerer Gewichtseinheiten,
von Felsblöcken, Baumstämmen und dergleichen hau-
delt, welche die Kräfte kleinerer Thiere übersteigen.
Man vergleiche damit Brehms Urtheil: „Fragt
man, ob es zweckmäßig ist, einen Marstall von
Elefanten, z. B. auf Ceylon, zu halten, so muß die
Antwort lauten: daß sie allerdings in den noch un-
bebauten Landtheilen von Nutzen sind, wo Wälder (1)
nur durch rauhe Pfade durchschnitten werden und
Flüsse zu durchkreuzen sind, daß aber in Gegenden,
wo Ochsen und Pferde zum Zuge angewandt werden
können, ihre kostbare Verwendung sehr eingeschränkt,
wenn nicht gänzlich entbehrt werden darf.“ In der
That scheint auch bei unseren „Afrikanern“ die
Stimmung für Elefantenzähmung abzunehmen. Bau-
mann schrieb 1891:X) „Man kann sagen, daß an
dem Tage, wo es gelingt, den afrikanischen Elefanten
als Lastthier zu verwenden, die Entwickelung Mittel-
afrikas mindestens um ein Jahrhundert vorgeschritten
sei.“ Stuhlmann geht 1893 schon auf die Hälfte
herunter, *) er meint: „Von dem Augenblick, wo es
gelingt, diesen (den afrikanischen Elefanten) in aus-
giebiger Weise zu Trägerdiensten zu verwenden, ist
das Innere in der Kultur um ein halbes Jahr-
hundert fortgeschritten.“ Bleiben wir in derselben
Progression, so können wir heute oder nächstes Jahr
überhaupt keinen Kulturfortschritt mehr anerkennen.
Dahingegen durchlief die Presse neuerdings die Nach-
richt, Herr Ehlers sammele Gelder, um „die Ele-
fauten des Kilimandjaro nach indischem Muster in
die Schule zu nehmen“. Ich bin einem derartigen
Versuche durchaus nicht abgeneigt, da sie sich hier
durch Transport von Baumstämmen sehr nühlich
machen könnten, darf aber nicht zu Hoffnungen er-
muthigen, daß für die Verkehrsfrage daraus Ersprieß-
liches entspringen werde
2. Das Kameel.
Es handelt sich hier zunächst nur um das aus
Nordafrika bekannte Dromedar oder einhöckerige
Kameel. Seine Lebensbedingungen sind wesentlich
andere als die des eben besprochenen Lastthieres.
l Usambara, S. 300.
Mit Emin Pascha, S. 860.