Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

— 579 
In dem Maße wie infolge des überwiegenden 
Steppencharakters von Deutsch-Ostafrika die Chancen 
für jenes sich vermindern, nehmen sie für dieses zu, 
und daher gebührt dem Kameel ein besonderes, wirth- 
schaftlich dasjenige des Elefanten weit übersteigendes 
Interesse. Es ist ein eigentliches Wüsten= und 
Steppenthier und gedeiht nur in trockenen heißen 
Landstrichen. Feuchtes Klima verträgt es nicht; die 
Ebene zieht es dem Gebirge vor. Sein Futter- 
bedürfniß ist ein außerordentlich geringes, es begnügt 
sich mit schlechter Kost und kann bekanntlich Wasser- 
mangel länger ertragen als irgend ein anderes Last- 
thier. Diese absonderlichen Eigenschaften machen es 
zum geeignetsten Verkehrsvermittler in sterilen Ebenen, 
sie erklären seine heutige Verbreitung in Nordafrika, 
obwohl die ursprüngliche Heimath des Thieres weit 
von dort, in den Wüstensteppen West= und Süd- 
asiens liegt. Ueber die Saharaländer dehnt es sich 
nicht weit nach Süden aus. Prof. Wohltmannd) 
giebt an, daß etwa mit 12° nördl. Br. im Innern 
Afrikas die Kameelzucht aufhöre. An den Küsten 
aber sind die Thiere weiter südlich verbreitet. Noch 
in Deutsch-Ostafrika werden einige an den Küsten- 
plätzen gehalten, wenn auch nicht gezüchtet. Ich sah 
mehrere in Tanga, wo sie den Göpel einer Oelpresse 
trieben, in Pangani arbeiten sie in der einheimischen 
Zuckerindustrie, auf der Insel Sansibar werden sie 
gleichfalls gehalten. Im Innern unseres Landes 
kommen sie nicht vor, wiewohl sie dort, wie wir 
sehen werden, günstigere Bedingungen finden als an 
der Küste. 
Für Temperakurdifferenzen scheint das Kameel 
wenig empfindlich zu sein, um so mehr für Terrain= 
schwierigkeiten und Feuchtigkeit. Das ergiebt sich aus 
den Erfahrungen, welche mit Einführungsversuchen 
in verschiedenen Ländern gemacht wurden. In Indien, 
wo noch sehr viele Thiere in Gebrauch sind und auch 
zum Ziehen benußzt werden, haben sie nach Wickham 
in den letzten 60 Jahren einen entschiedenen Miß- 
erfolg aufzuweisen. Im asghanischen Kriege 1878/80 
verlor die englische Armee nicht weniger als 40 000. 
Vor mehreren Jahrzehnten gemachte Versuche, Kameele 
auf Java einzubürgern, sind gänzlich gescheitert. 
Wiederum in trockenen Strichen der gemäßigten Zone 
haben sie sich bewährt. 1622 wurden sie in Toskana 
eingeführt und leben dort noch heute im Gebiete von 
San Rossore (bei Pisa) auf einer großen sandigen 
Ebene. In Südspanien ist ihre Einführung und 
Zucht gleichfalls gelungen. Die Regierung der Ver- 
einigten Staaten von Nordamerika kaufte 1856 in 
Smyrna 75 Dromedare, um sie in den Einöden von 
Texas, Arizona und Neumexiko als Lastthiere zu 
verwenden. Der Bürgerkrieg brachte ihnen wechsel- 
volle Schicksale. Sie gewannen theilweise die Frei- 
heit und sollen noch heute vereinzelt in der Llano 
Estacado von Nordtexas, sowie in der Wildniß von 
Arizona und Kalifornien vorkommen. 
*) Tropische Agrikullur I, S. 432. 
  
Es geht daraus hervor, daß der Verbreitungs- 
bezirk der Kameele wohl einer künstlichen Erweiterung 
fähig ist, wenn die Grundbedingung, trockenes, ebenes 
Land, erfüllt wird. 
In Nordafrika legen Lastkameele bis 50 km pro 
Tag zurück, durchschnittlich 4 km die Stunde, und 
werden belastet bis zu 150 kg (als Höchstgewicht 
hat die ägyptische Regierung rund 250 kg fest- 
gesetzt). Auf längeren Karawanenreisen mit noth- 
wendigen Rasten beträgt ihre mittlere Tagesleistung 
25 bis 30 km. Aus der Zucht ist interessant, daß 
man die Wüstenkameele von Jugend auf daran ge- 
wöhnt, nur alle 4 bis 6 Tage getränkt zu werden. 
Ungleich erheblichere Strecken als die Lastkameele 
legen die von den ägyptischen Botenreitern benußten 
Thiere zurück. 
Welche Aussichten bieten nun die besonderen 
Verhältnisse unseres Zwischenlandes? Wohl der 
gründlichste derzeitige Kenner des ganzen in Frage 
kommenden Landkomplexes ist Dr. Baumann. 
Derselbe streist in seinem Hauptwerke, nachdem er 
die Verwendung von Eseln besprochen hat, auch die- 
jenige der Kameele") und meint: 
„Zur Erschließung der großen Steppengebiete, 
welche, wie die Massaiebene, gegenwärtig nur zu 
gewissen Jahreszeiten gangbar sind, würden Esel 
nicht ausreichen, sondern müssen auch Kameele 
herangezogen werden. Dieselben können aus Süd- 
arabien (Aden) oder den Somalihäfen unschwer 
bezogen werden und sind auch thatsächlich in ein- 
zelnen Exemplaren an allen Küstenplätzen in Ver- 
wendung. Auch hier müßte das Hauptgewicht 
vorerst auf die Zucht gelegt werden, die natürlich 
ebenfalls an möglichst krockenen Punkten in Angriff 
zu nehmen wäre. Die Vorlandsnyika*) und der 
Rand der Umbasteppe wären die küstennächsten 
geeigneten Punkte. Sobald jedoch einige Resultate 
erzielt sind, wäre die betreffende Station nach 
Aruscha, das mit seinem Wüstenklima wie geschaffen 
zum Kameelplatz ist, zu verlegen. Als Warte- 
mannschaft kämen hierbei vor Allem Somali in 
Betracht. Es ist selbstverständlich, daß das Kameel, 
welches feuchtes Tropenklima nicht verträgt, nur 
in den Steppenlandschaften zur Verwendung kommen 
könnte, deren Erschließung jedoch dann erreicht 
wäre.“ 
Man muß sich von vornherein klar machen, daß 
die wenigen Kameele, welche heute an der Küste 
leben, keinen Maßstab für die Möglichkeit oder Un- 
möglichkeit ihrer Zucht im Binnenlande abgeben. 
An der Küste sind die Verhältnisse sehr ungünstig. 
Außer den ständigen Regenzeiten, welche das Land 
monatelang durchtränken, kommen durch den Einfluß 
des Meeres unregelmäßige Niederschläge hinzu, welche 
eben die Kulturfähigkeit dieses Striches bedingen. 
Für die Kameelzucht liegt in der somit hohen Feuch- 
  
¾ Usambara S. 298. » 
«SteppenditlichdeöUsaatbaragebtrges.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.