Auch die weniger regenreichen Gegenden des engeren
Tropengürtels bieten ihm zusagende Bedingungen,
während feuchte Niederungen sein Verderb sind.
Die verbreitete Ansicht, daß es das Gebirge der
Ebene vorziehe, scheint irrig zu sein; die übrige
Terrainbeschaffenheit ist ihm gleichgültig, wenn nur
der Boden trocken ist.
Es erhellt hieraus, daß die Ansprüche des Maul-
thieres, welches in Bezug auf Futter außerordentlich
genügsam ist, verhältmißmäßig lange ohne Wasser
auskommen kann und erhebliche Hitzegrade verträgt,
mit denen des Kameels sehr nahe zusammenfallen.
Wenn wir früher dieses als einen aussichtsvollen
Kulturpionier für Ostafrika bezeichnen durften, so
können wir dieses Urtheil auch auf das Maulthier
ausdehnen. Beide treten als Konkurrenten im Zukunfts-
verkehr unseres steppenreichen Landes auf.
Als Lastthier ist das Maulthier seinen Stamm-
altern entschieden vorzuziehen: es ist leistungsfähiger
als der Esel und stetiger als das Pferd. Es geht
geduldig unter schwerem Gewicht und hat eine gegen
Druckschäden, Sonnenstrahlen und Regen gleich
unempfindliche Haut. Seine Schrittsicherheit im Ge-
birge ist bekannt; dagegen erreicht es nie die Schnellig-
keit eines Pferdes; bedächtig und gleichmäßig schreitet
es in der Karawane voran. Die Tragkraft schwankt
zwischen 50 und 150 kg, im Durchschnitt sind nicht
über 100 kg anzunehmen (Alles einschließlich des
Packsattels, der 12 bis 15 kg wiegt). Mit der
üblichen Last, die sich nach den Terrainschwierigkeiten
zu richten hat, legt es durchschnittlich 5 km pro Stunde
zurück, bewegt sich also viel schneller als ein Pack-
esel. Nordamerikanische Erfahrungen lehren, daß
man auf längeren Reisen mit Maulthieren Tage-
märsche bis 25 km ohne Nachtheil zurücklegen kann.
In gewissen Gegenden des pacifischen Küstenlandes
vermitteln Maulthierkarawanen noch heute den
alleinigen regelmäßigen Verkehr. Dort, wo meistens
gebirgiges Gelände zu passiren ist, tragen die Thiere
200 engl. Pfund (90 kg). Sehr lehrreich sind die
Erfahrungen, die der Oberverwalter der nordamerika-
nischen Regierungsställe, welcher nach dem Bürger-
kriege 74,000 Maoulthiere unter Aussicht hatte, hin-
sichtlich ihrer Leistungsfähigkeit gemacht hat. Ich
verweise dazu auf die Semlerschen Ausführungen und
hebe als Gesammtresultat nur hervor, daß das Maul-
thier einen monotonen Dienst liebt, den es in ruhiger
gemessener Weise ausführen kann. Ganz besonders
bewährt hat es sich in der Prairie, wo sich die
kleineren stets ausdauernder erwiesen als die großen.
In südenropäischen Staaten wird das Maulthier
namentlich zu Gebirgstransporten verwendet. England,
dessen klimatische Verhältnisse die Maulthierzucht im
Mutterlande verhindern, verwerthet es in den Kolonien
in ausgedehntestem Maße. Bei den Feldzügen in
der Krim, in Indien, Abessinien, Südafrika und
Aegypten hat man große Schaaren von Maulthieren
mitgeführt. Für den Zug nach Abessinien kaufte die
britische Regierung in Cypern, Brindisi, Malta,
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Smyrna, Gibraltar, Alicante, Valencia und Beirut
über 10 000 Maulthiere an. In Indien sind
sowohl die regulären wie irregulären Truppen mit
solchen ausgerüstet, die namentlich zum Transport von
Gebirgsbatterien und Proviant dienen. Seitdem
mit ihnen im asghanischen Feldzuge so gute Er-
fahrungen gemacht wurden, betreibt die Regierung
im Pandschabgebiet eine sorgfältige Zucht. Kapitin
Wickham erklärt das Maulthier für das beste
Transportthier. Auch dort hat man wie im Feld-
zuge gegen die Sulus die südafrikanische Rasse als
die ausdauerndste befunden; an sie reiht sich die süd-
amerikanische. Im letztgenannten Kontinent, sowohl
im ausgedehnten Flachlande wie in der Kordillere,
findet das Maulthier seine hervorragendste Ver-
wendung. Tschudi sagt, daß ohne dieses die Stufe
der Bildung und Gesittung in einem großen Theile
Südamerikas eine weit niedrigere wäre, als sie
heutzutage ist. „Der brasilische Maulthiertreiber,
Tropeiro genannt, bewerkstelligt mit seinen Maulthier=
truppen den Waarenverkehr zwischen den verschicdenen
Landestheilen. Er bringt aus den entferntesten
Gegenden des Reiches die Erzeugnisse des Bodens
und Gewerbfleißes nach der Küste und führt von
hier aus Gegenstände des täglichen Bedarfs und des
Luxus zurück, ist der Vermittler des Handels und
Geldverkehrs und spielt daher im Staatshaushalt
eine nicht unbedentende Rolle.“ Diese südamerika-
nischen Verhältnisse sind besonders lehrreich, da das
dorlige Flachland dem unseren sehr ähnliche Ver-
hältnisse darbietet, und darum lohnt es sich, einen
Augenblick bei der dortigen Betriebsart zu verweilen.
Jede Maulthiertruppe, „Tropa“, zerfällt in
kleinere Abtheilungen von 8 bis 12 Thieren unter
je elnem Treiber. Diese Züge folgen einander in
Abständen reihenweise; jedes einzelne Maulthier
nimmt dabei regelmäßig denselben Plaß ein. Ein
Leikthier, madrinha genannt, führt die ganze Tropa
an. Die Tagereisen sind nur kurz, je nach Witterung
und Beschaffenheit des Weges 14 bis 21 km, wozu 4 bis
6 Stunden gebraucht werden. An den einzelnen
Stationen befinden sich große, auf einer Seite offene
Schuppen, „rancho“ genannt. Dort erhalten die
Thiere Mais, den der vorauseilende Tropeiro aus
einem benachbarten Verkaufsladen herbeischafft. Dann
werden sie zum Tränken und zur Weide ausgetrieben
und bleiben die Nacht im Freien. Im Morgen-
grauen bringt man sie zum Rancho zurück; dort
werden sie gefüttert, beladen, und dann geht es
weiter. — Die Verwendung und Verbreitung der
Maulthiere nimmt in Südamerika immer mehr zu.
In Peru und Chile werden sie in großer Zahl ein-
geführt und theuer bezahlt. Man benuutzt sie dort
zum Reiten und Lastentragen. Das wichtigste Zucht-
land scheint Argentinien zu sein, welches durch die
Ausfuhr von Maulthieren erhebliche Einnahmen zu
verzeichnen hat.
Kehren wir zum Kilimandjaro zurück.
Es ist für mich zweifellos, daß das ganze Zwischen-