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verwandten Stamme, augehörig, wurden durch jahre-
lange Kämpfe verdrängt oder in die Sklaverei ge-
führt, und das früher wohlbebaute Land ist zur
Wüstenei geworden.
Am Abend des 28. April schlugen wir in einem
engen Gebirgskessel, in malerischer Lage am Fuße
der Nyuaberge Lager auf. Meine Leute mochten
allerdings für die Schönheit der sie umgebenden
Natur wenig empfänglich sein, denn nun schliefen
wir schon die dritte Nacht im Busch und seit Yakun
hatten wir keine Lebensmittel mehr kausen können.
Deshalb traf auch der grauende Morgen die Expe-
dition schon vollkommen marschbereit, sollte doch
dieser Tag uns zu dem großen Lamido von Tibati
bringen. Je weiter wir marschirten, um so mehr
machte sich die Nähe eines großen Ortes fühlbar.
Bald passirten wir große, weit ausgedehnte Farmen
mit Mais-, Durrha= und Kassadafeldern, und in den
Umzäunungen weidete zahlreiches Rindvieh — das
sudanische Buckelrind.
Solch verlockender Anblick belebte die Geister
meiner entmuthigten Leute, und gegen Mittag machten
wir Halt auf cinem Hügel, dem gegenüber ein
endlos scheinendes Häusermeer sich ausdehnte —
Sanserni Tibati. Nachdem ich die üblichen Be-
grüßungssalven hatte abgeben lassen, wollte ich, da
sich schwere Gewitterwolken zeigten, sogleich weiter-
marschiren, doch meine Führer bedeuteten mir, daß
dies nicht angängig sei, da wir von hier aus feierlich
in die Stadt geleitet würden. Nach zwei Stunden
langen Wartens entlud sich das Unwetter, und durch
und durch naß, jedes mohammedanische Ceremoniel
zum Kuckuck wünschend, ließ ich die Lasten aufnehmen
und beschloß, auch ohne feierliche Einholung in
Sanserni einzuziehen.
Auf einem großen Platee am Eingange des
Ortes erwartete uns eine unzählige Vollsmenge,
welche sich nun unter Schießen und dem Lärm der
Trommeln, Elfenbeinhörner und Blechposaunen gegen
uns in Bewegung seßte. Voran an der Spitze 14
berittene Chefs, der Majordomus des Lamido Agia,
dem wir überwiesen waren, dann eine Anzahl Be-
waffneter, meist mit Speer und Bogen, selten mit
Gewehren, und dahinter das neugierige Volk. Die
erste Begrüßung der Chefs bestand darin, daß
jeder derselben einzeln mit Geschrei und Speer-
schwingen in Karriere auf uns los ritt und sein
Pferd knapp einen Schritt vor uns parirte. Jedem
gelang dieses Reiterkunststück nicht, und kamen einige
Male Roß und Reiter auf dem glatten Boden zu Falle,
während einer den Premierlieutenant Häring buch-
stäblich überritt. Nun wurden wir zu der am höchslen
Punkte des Platzes gelegenen Königsburg geführt,
woselbst an der Eingangspsorte seines Palastes, um-
heben von seinen Großen und einer vielköpfigen
Schar, Amalamu unserer harrke. Da er sich unt
einem großen Turban und dem Sitam bedeckt hatte,
war es mir damals nicht möglich, sein Gesicht zu sehen,
nur das konnte ich erkennen, daß seine Hautfarbe sehr
hell, fast gelb war. Wie gebräuchlich, war die erste
Begrüßung kurz und förmlich, und befahl er Agia,
uns Hütten anzuweisen.
Sanserni Tibati, das heißt Kriegslager von
Tibali, liegt auf drei flachen Rücken, welche von
einer Kuppe ausgehen, auf der sich die Alles über-
ragende Königsburg befindet. Der Lamido, dessen
Vater vorher die Unterwersung der Wuts und
Domms beendet hatte, liegt hier nun schon vier
Jahre im Kriege gegen den Stamm der Mandion-
golos, deren Hauplstadt Ngambé kaum 1 km von
den äußersten Hütten des Sanserni entfernt ist. Die
ganze Bauart desselben ist die eines großen Fullah=
ortes. Jede Familie hat für sich ihren eingczäunten
Komplex, innerhalb dessen sich eine Anzahl Lehm-
hütten befindet, und in welchem jedes freie Stück
Erde zum Anubau von Korn benutzt ist. Die Königs-
burg unterscheidet sich einzig dadurch von den Wohn-
pläßen der übrigen Großen, daß sic, von einem 5 bis
6 m hohen Flechtzaun umgeben, den Einblick voll-
kommen verwehrt. Sanserni ist eben momentan der
Hauptort des Tibatireiches und dürste elwa 10 000
Einwohner haben, da selbstverständlich die entsprechende
Anzahl Weiber und Sklaven den Kriegern folgen
mußte. Durch die Ansammlung so großer Menschen-
massen ist der Ort auch momentan der Haupthandels-
platz des Reiches, und es halten sich zahlreiche Haussas
daselbst auf, welche durch den Lamido gezwungen
werden, ihren Weg nach Süden über Sanserni zu
nehmen. Infolgedessen ist hier auch ein bedeutender
Markt. Der Marktplatz ist ziemlich groß und hat
eine bedentende Anzahl gedeckter Stände, in welchen
die Haussas alle möglichen Kleinigkeiten, als meist
selbstgewebte Stosse, Fullahmützen, Perlen und Arm-
bänder sowie Ledersachen und Hausgeräthe feilbieten.
Außerdem wird täglich geschlachlet, und ist das Fleisch
in kleinen und großen Portionen hier zu kaufen,
ebenso wie alle anderen Lebensmittel, als Mehl,
Salz und vor Allem die so beliebten, aus Durrha
bereiteten und in Palmöl gebratenen Brote. Seit
unserem Aufenthalt in Adamaua konnten wir auch
überall reinen, herrlich schmeckenden Gebirgshonig
bekommen, und derselbe war auch hier am Markte
zu haben. Große Geschäste in Toben, Pferden,
Rindvieh und Elfenbein werden jedoch niemals auf
dem Markte, sondern stets in den Häusern abgemacht.
Das hier übliche Kleingeld ist die Kaurimuschel oder
auch die weiße Perle, von welcher die runde fünf,
die flache ein Kauri gilt. Die herrschende Nasse im
Tibatireiche sind die Fullahs, welche sich jedoch
im Unterschied zu den anderen Adamauastaaten hier
in der Minderzahl befinden; die Mehrzahl bilden
die Ureinwohner des Landes, die Kapullahs. Wenn
auch die Fullahs diese als tief unter sich stehend be-
trachten und sie verächtlich Sllaven nennen, stützt sich
der Lamido doch hauptsächlich auf sie und hat den-
selben auch die obersten Hoschargen eingeräumt, wie
spezicll das Amt des Galadima, des Oberseldherrn,