Full text: Deutsches Kolonialblatt. VI. Jahrgang, 1895. (6)

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verwandten Stamme, augehörig, wurden durch jahre- 
lange Kämpfe verdrängt oder in die Sklaverei ge- 
führt, und das früher wohlbebaute Land ist zur 
Wüstenei geworden. 
Am Abend des 28. April schlugen wir in einem 
engen Gebirgskessel, in malerischer Lage am Fuße 
der Nyuaberge Lager auf. Meine Leute mochten 
allerdings für die Schönheit der sie umgebenden 
Natur wenig empfänglich sein, denn nun schliefen 
wir schon die dritte Nacht im Busch und seit Yakun 
hatten wir keine Lebensmittel mehr kausen können. 
Deshalb traf auch der grauende Morgen die Expe- 
dition schon vollkommen marschbereit, sollte doch 
dieser Tag uns zu dem großen Lamido von Tibati 
bringen. Je weiter wir marschirten, um so mehr 
machte sich die Nähe eines großen Ortes fühlbar. 
Bald passirten wir große, weit ausgedehnte Farmen 
mit Mais-, Durrha= und Kassadafeldern, und in den 
Umzäunungen weidete zahlreiches Rindvieh — das 
sudanische Buckelrind. 
Solch verlockender Anblick belebte die Geister 
meiner entmuthigten Leute, und gegen Mittag machten 
wir Halt auf cinem Hügel, dem gegenüber ein 
endlos scheinendes Häusermeer sich ausdehnte — 
Sanserni Tibati. Nachdem ich die üblichen Be- 
grüßungssalven hatte abgeben lassen, wollte ich, da 
sich schwere Gewitterwolken zeigten, sogleich weiter- 
marschiren, doch meine Führer bedeuteten mir, daß 
dies nicht angängig sei, da wir von hier aus feierlich 
in die Stadt geleitet würden. Nach zwei Stunden 
langen Wartens entlud sich das Unwetter, und durch 
und durch naß, jedes mohammedanische Ceremoniel 
zum Kuckuck wünschend, ließ ich die Lasten aufnehmen 
und beschloß, auch ohne feierliche Einholung in 
Sanserni einzuziehen. 
Auf einem großen Platee am Eingange des 
Ortes erwartete uns eine unzählige Vollsmenge, 
welche sich nun unter Schießen und dem Lärm der 
Trommeln, Elfenbeinhörner und Blechposaunen gegen 
uns in Bewegung seßte. Voran an der Spitze 14 
berittene Chefs, der Majordomus des Lamido Agia, 
dem wir überwiesen waren, dann eine Anzahl Be- 
waffneter, meist mit Speer und Bogen, selten mit 
Gewehren, und dahinter das neugierige Volk. Die 
erste Begrüßung der Chefs bestand darin, daß 
jeder derselben einzeln mit Geschrei und Speer- 
schwingen in Karriere auf uns los ritt und sein 
Pferd knapp einen Schritt vor uns parirte. Jedem 
gelang dieses Reiterkunststück nicht, und kamen einige 
Male Roß und Reiter auf dem glatten Boden zu Falle, 
während einer den Premierlieutenant Häring buch- 
stäblich überritt. Nun wurden wir zu der am höchslen 
Punkte des Platzes gelegenen Königsburg geführt, 
woselbst an der Eingangspsorte seines Palastes, um- 
heben von seinen Großen und einer vielköpfigen 
Schar, Amalamu unserer harrke. Da er sich unt 
einem großen Turban und dem Sitam bedeckt hatte, 
war es mir damals nicht möglich, sein Gesicht zu sehen, 
  
nur das konnte ich erkennen, daß seine Hautfarbe sehr 
hell, fast gelb war. Wie gebräuchlich, war die erste 
Begrüßung kurz und förmlich, und befahl er Agia, 
uns Hütten anzuweisen. 
Sanserni Tibati, das heißt Kriegslager von 
Tibali, liegt auf drei flachen Rücken, welche von 
einer Kuppe ausgehen, auf der sich die Alles über- 
ragende Königsburg befindet. Der Lamido, dessen 
Vater vorher die Unterwersung der Wuts und 
Domms beendet hatte, liegt hier nun schon vier 
Jahre im Kriege gegen den Stamm der Mandion- 
golos, deren Hauplstadt Ngambé kaum 1 km von 
den äußersten Hütten des Sanserni entfernt ist. Die 
ganze Bauart desselben ist die eines großen Fullah= 
ortes. Jede Familie hat für sich ihren eingczäunten 
Komplex, innerhalb dessen sich eine Anzahl Lehm- 
hütten befindet, und in welchem jedes freie Stück 
Erde zum Anubau von Korn benutzt ist. Die Königs- 
burg unterscheidet sich einzig dadurch von den Wohn- 
pläßen der übrigen Großen, daß sic, von einem 5 bis 
6 m hohen Flechtzaun umgeben, den Einblick voll- 
kommen verwehrt. Sanserni ist eben momentan der 
Hauptort des Tibatireiches und dürste elwa 10 000 
Einwohner haben, da selbstverständlich die entsprechende 
Anzahl Weiber und Sklaven den Kriegern folgen 
mußte. Durch die Ansammlung so großer Menschen- 
massen ist der Ort auch momentan der Haupthandels- 
platz des Reiches, und es halten sich zahlreiche Haussas 
daselbst auf, welche durch den Lamido gezwungen 
werden, ihren Weg nach Süden über Sanserni zu 
nehmen. Infolgedessen ist hier auch ein bedeutender 
Markt. Der Marktplatz ist ziemlich groß und hat 
eine bedentende Anzahl gedeckter Stände, in welchen 
die Haussas alle möglichen Kleinigkeiten, als meist 
selbstgewebte Stosse, Fullahmützen, Perlen und Arm- 
bänder sowie Ledersachen und Hausgeräthe feilbieten. 
Außerdem wird täglich geschlachlet, und ist das Fleisch 
in kleinen und großen Portionen hier zu kaufen, 
ebenso wie alle anderen Lebensmittel, als Mehl, 
Salz und vor Allem die so beliebten, aus Durrha 
bereiteten und in Palmöl gebratenen Brote. Seit 
unserem Aufenthalt in Adamaua konnten wir auch 
überall reinen, herrlich schmeckenden Gebirgshonig 
bekommen, und derselbe war auch hier am Markte 
zu haben. Große Geschäste in Toben, Pferden, 
Rindvieh und Elfenbein werden jedoch niemals auf 
dem Markte, sondern stets in den Häusern abgemacht. 
Das hier übliche Kleingeld ist die Kaurimuschel oder 
auch die weiße Perle, von welcher die runde fünf, 
die flache ein Kauri gilt. Die herrschende Nasse im 
Tibatireiche sind die Fullahs, welche sich jedoch 
im Unterschied zu den anderen Adamauastaaten hier 
in der Minderzahl befinden; die Mehrzahl bilden 
die Ureinwohner des Landes, die Kapullahs. Wenn 
auch die Fullahs diese als tief unter sich stehend be- 
trachten und sie verächtlich Sllaven nennen, stützt sich 
der Lamido doch hauptsächlich auf sie und hat den- 
selben auch die obersten Hoschargen eingeräumt, wie 
spezicll das Amt des Galadima, des Oberseldherrn,
	        
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