Full text: Deutsches Kolonialblatt. VI. Jahrgang, 1895. (6)

offener See bleiben müssen. Es kommt daher oft 
vor, daß Segelschiffe bei Windstille auf Wochen ab- 
getrieben werden; schon aus diesem Grunde ist die 
Reise nach Nauru mit einem Segelschiffe nur in 
dem Falle anzurathen, wo es auf den Verlust von 
ein oder zwei Monaten Zeit nicht ankommt. Auch 
ist die geographische Lage von Nauru noch keines- 
wegs genau bestimmt, und die verschiedenen Angaben 
darüber unterscheiden sich um mehrere Meilen von 
einander, so daß die kleine Insel nicht immer im 
ersten Anlauf gefunden wird. Das vorgelagerte 
Korallenriff fällt außerordentlich steil ab, und bei 
hoher See ist es nur mit Lebensgefahr zu passiren. 
Die fast unter dem Aequator gelegene und in ihrem 
ganzen Charakter von den übrigen Inselgruppen 
wesentlich verschiedene Insel ist zweifelsohne die 
interessanteste, schönste und in feuchten Jahren auch 
die fruchtbarste des ganzen Schutzgebietes. Es ist 
schon früher darauf hingewiesen worden, daß in 
Nauru wie in den benuachbarten Gilbert-Inseln 
trockene und nasse Jahre in gewissen Zeiträumen 
abzuwechseln pflegen, und daß die Eingeborenen in 
den fetten Jahren sich durch Eingraben von Kokos- 
nüssen auf die mageren Jahre vorzubereiten pflegen. 
Jetzt hatte es seit Beginn des Jahres 1892 nicht 
heregnet, und diese lange Dürre hatte die Kopra- 
ernte auf Jahre hinaus völlig vernichtet. Während 
die Insel dem Kopraertrag nach sonst an erster 
Stelle zu siehen pflegte und einzelne Bäume hier 
die fast unglaubliche Anzahl von 1200 bis 
1500 Nüssen trugen, ist derselbe, alte bisher noch 
vorhandene Vorräthe abgerechnet, heute gleich Null. 
Erst in den letzten Wochen war wieder Regen ein- 
getreten, und die Vegetation hatte zur Zeit, als ich 
dort war, bereits ihre grüne Färbung wieder an- 
genommen; aber die Lage der Eingeborenen war 
doch so traurig, daß ihnen auch für dies Jahr die 
Lieferung der Steuer-Kopra und den Händlern wie 
im Vorjahre die Hälfte ihrer Steuern erlassen 
werden mußte. Die Insel, die etwa 10 Seemeilen 
im Umfange hat, erhebt sich terrassenförmig und oft 
von steil emporragenden, grotesken Korallenfelsen 
mit zahlreichen Höhlen unterbrochen bis zu einem 
Berge von etwa 50 bis 60 m Höhe, von dessen 
Spitze sich ein vollkommener Rundblick über die 
gaonze Insel und das umliegende Meer bietet. Zur 
Orientirung für die Seeschiffe werde ich auf der Spitzc 
dieses Berges demnächst einen Flaggenstock anbringen 
lassen. Die Höhenzüge sind alle ziemlich dicht, zum 
Theil mit Hölzern, die im Schutgebiete sonst nicht 
vorkommen, bewaldet und umgeben einen tiefen 
Grund, der in der Mitte einen großen Fischteich 
mit brackigem Wasser und einen Palmenhain von 
auffallender Schönheit — die Bäume sind hier 
80 bis 100 Fuß hoch — birgt. Die Ansiedelung 
hier wird das „Buschdorf" genannt und von einem 
weiblichen Häuptling, einer jungen hübschen Frau, 
regiert, deren Ansehen auf der ganzen Jusel sehr 
groß ist. Das Dorf am Fuße der sanft ansteigenden 
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heit eine wahrhaft idyllische Lage. Die Häuser sind 
ganz den auch sonst in den Marshall-Inseln üblichen 
ähnlich. Sie liegen nur auf der einen Seeseite; 
einzelne auch, auf hohen Pfählen gebaut, mitten im 
See. Fast vor jedem Hause befindet sich ein Gestell 
mit überaus zahmen Seeschwalben oder den größeren 
Fregattvögeln. Früher erwuchs den Nauru-Ein- 
geborenen aus der Zucht dieser Vögel ein großer 
Verdienst, indem sie die Federn nach den Marshall= 
Inseln verkauften, wo sie als Schmuck für Haar 
und Ohren und vor Allem für Kanoes gebraucht 
wurden. Jetzt dienen die Vögel lediglich zur Spielerei 
und sie theilen sich in die Zuneigung der Ein- 
geborenen mit den Schweinen, die, so lange sie klein 
sind, von den Eingeborenen auf den Armen herum- 
getragen werden und des Nachts bei ihnen schlafen. 
Auch Hunde werden viel gehalten, doch dienen sie 
nicht wie bei uns als Wächter, sondern als Lecker- 
bissen für größere Festlichkeiten. Der etwa 15 Fuß 
tiefe See selbst, der mit der Fluth steigt und fällt, 
außerordentlich schlammreich ist und einen üblen Moder- 
duft ausstrahlt, ist durch Dämme in einzelne Par 
zellen getheilt, dic verschiedene Besitzer haben. Die 
Fische in seinem Wasser werden kaum fingerslang 
aus dem Meer geholt und wachsen bis zur Größe 
eines fetten Herings. Dann werden sie wieder ein- 
gefangen und roh verzehrt. Sie sollen übrigens 
sehr gut schmecken. 
In halber Höhe über dem Dorfe, auf der Hoch- 
ebene im Nord-Nord-Osten vom Bezirksamte, befindet 
sich eine höchst interessante Höhle von mächtigen 
Dimensionen. Den Zugang zu ihr bildet ein steil 
abfallender trichterförmiger Schacht von 70 Fuß 
Tiefe, der an die Glerscherbildungen der Schweiz, 
die Gletschermühlen, in seiner fast zirkelrunden Form 
erinnert. Der Abstieg erfolgt mittelst Seilen und 
führt am Fuße abwärks durch einc niedrige Grotte 
zu einem See mit frischem Wasser, nach dessen 
Ueberschreitung man in ein mächliges, hohes, hallen- 
artiges Gewölbe mit reichen Tropssteinbildungen 
gelangt. Die Grotte ist ab und zu von Teichen 
unterbrochen und leitet wieder in einen Abgrund, 
dessen Tiefe und Grenzen noch nicht bekannt sind. 
Jedenfalls geht diese höchst merkwürdige Höhle, die 
eine ganze Anzahl noch nicht untersuchter Lebewesen 
enthält, noch tief unter dem Meeresspiegel fort, und 
ihre genaue Erforschung wird zweifellos noch manches 
Interessante für die Wissenschaft liefern. 
Kleinere Höhlen giebt es noch eine ganze Anzahl. 
Sie sind fast ohne Ausnahme mit kühlem Wasser 
von geringem Salzgehalt angefüllt und dienen als 
Begräbnißställen. Die Leiche wird den Schacht 
hinabgestürzt und Steine sowie brennendes Reisig 
darüber. Früher wurden — und das geschieht auch 
jetzt noch häufig — die Todten in eine Matte ein- 
genäht und mit einem Segel versehen über das Riff 
ins Meer geseht. Nur die Vornehmen werden in 
der Erde begraben; aber die Sitte der Ein- 
balsamirung, welche in einem früheren Bericht einmal 
  
Berglehne hat in seiner stillen friedlichen Abgeschieden= erwähnt ist, hat nach meinen Erkundigungen hier
	        
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