Full text: Deutsches Kolonialblatt. VIII. Jahrgang, 1897. (8)

sehr geräumig und kunstvoll gebaut; die Wände be- 
stehen aus Rohrgeflecht, das mit Lehm beworfen ist, 
Seitenwände und Decke sind scharf unterschieden, 
während man in den Dörfern und auf den Farmen 
häufig bienenkorbartig gebaute Hütten findet. Der 
Gehöftkomplex des Häuvtlings ist meist von einem 
hohen Mattenzaun umgeben. Allenthalben in der 
Stadt liegen gedeckte Hallen, in denen die Leute bei 
Versammlungen sich zusammenfinden, gedeckte Müll- 
und Abfallgruben, Schaf= und Ziegenställe. Die 
Häuser selbst sind in der Regel getheilt; der Mahl- 
stein zum Kornreiben, Töpfe, Kalebassen, oft bunt 
und kunstvoll bemalt, Körbe, Mörser und Stößel 
sehlen nirgends. Die hölzernen, niedrigen Betten 
sind sorgsam gefügt. Niedrige Holzsessel, gut gegerbte 
Felle und fein geflochtene Matten, hölzerne Kämme, 
sein geschnitzte Löffel, Beutel, Haarnadeln, ja selbst 
Pinzetten zum Herausziehen von Splittern rc. ver- 
rathen einen Luxus, den man bei den Bantus nicht 
kennt, der aber zum großen Theil seinen Grund in 
dem steten Verkehr mit den Haussas hat. Letztere 
haben die Industrie und den Handel des Landes 
völlig in der Hand. Zum Theil haben sie sich als 
Schmiede, Weber, Matten= und Korbflechter, Jäger 
und Medizinmänner fest angesiedelt und es verstan- 
den, sich den Häuptlingen unentbehrlich zu machen, 
zum Theil kommen und gehen sie als Händler vom 
bezw. zum Norden. Die Haussasiedelungen sind in 
den letzten drei Jahren überall bedeutend gewachsen 
und bei Ngilla wie Ngutte zählen die Kolonien an 
500 bis 600 Menschen. Früher waren auch bei 
Nna in Dinati und Dandugu in Mango Haussas, 
aber zur Zeit hat Ngilla über diese Plätze eine 
Sperre verhängt. Sämmtliche Haussas bezw. Fullahs 
kommen über Tibati, denn von Ngaumdere führen 
direlte Straßen nur weiter östlich nach Gaza und 
Kunde. Die Haussas bringen Weber-, Töpfer-, 
Schmiede-, Färber= sowie Leder- und Flechtwaaren, 
auch Pferde und Esel, verkaufen Medizinen für 
Mensch und Vileh, halten wunderthätige, in Leder- 
taschen genähte Koransprüche feil und beten auch für 
das abergläubische Volk. 
Die polltischen Verhältnisse der Wutes geben zur 
Zeit zu ewigen inneren Kämpfen Anlaß. Es stehen 
sich vier Häuptlinge mit ihren Stämmen feindlich 
gegenüber. Der mächtigste ist wohl Ngilla mit seinen 
Ndumbas, dem aber Ngutte aus dem Lintestamm 
und Wenque aus dem Melungstamm wenig nachstehen, 
während die Bansoes unter Dandugu, Nna und 
Dabene ja bereits über den eigentlichen Grenzfluß 
gedrängt sind. Vor zwei Menschenaltern noch herrschte 
Adumba über alle Wutes, die damals in stetem 
Kampfe mit den Fullahs lagen und von diesen von 
Norden her in ihre jetzigen Wohnsitze gedrängt 
wurden. Nach dem Tode des Herrschers konnte sich 
die große Häuptlingsfamilie, aus der der König von 
allen männlichen Mitgliedern gewählt werden soll, 
nicht einigen, und es entstanden die vier genannten 
Fürstenhäuser, von denen der Vater des jepzigen 
  
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Ngilla und der noch regierende Ngutte die Aner- 
kennung und Unterstützung des Tibatihäuptlings fanden, 
dem sie sich unterwarfen. Der verstorbene Ndgilla 
zwang Mango und Wenque, ihn anzuerkennen; er 
und Ngutte besiegten nach langen Kämpfen den letzten 
großen Batihäuptling in Ngaundelle und zwangen 
ihn zur Flucht nach Tibati, aber nach Ngillas Tode 
verweigerten die Söhne Mangos, Dandugu, Nna, 
Wimba, Wenque und Dabene, dem erwählten Nach- 
folger den Gehorsam, auch Ngutte wollte den jungen 
Mann nicht als ebenbürtig anerkennen und grimme 
Kämpfe finden jetzt fortgesetzt zwischen den feindlichen 
Verwandten statt, aus denen nur der schlaue Tibati- 
sultan Vortheil zieht. Die Herrscherform ist überall 
die denkbar absoluteste. Der Häuptling ist unbe- 
schränkter Herr über Leben und Tod jedes seiner 
Unterthanen. Er verfügt über Hab und Gut jedes 
Einzelnen. Die Dörfer giebt er gleichsam an Ver- 
wandte zum Lehen, die dort an seiner Stelle ebenso 
unumschränkte Herren sind. Es herrscht deshalb im 
ganzen Wutelande, im Gegensatz zu der Zuchtlosig- 
keit der Bantus, eine wunderbare Disziplin, die 
allerdings oft mit unerhörter Grausamkeit aufrecht 
erhalten wird. Namentlich Ngilla und Wenque sind 
sehr gefürchtet, ein Menschenleben gilt ihnen nichts. 
Agutte, ein alter, würdiger Mann, ist weniger grau- 
sam; doch muß ich sagen, daß die Ordnung in seinem 
Staatswesen bei Weitem nicht den Eindruck macht 
als bei Ngilla, wo man es jedem kleinen Dorfober- 
haupt sofort anmerkt, daß er nur ein Werkzeug seines 
Herrn ist. Aus dieser Stellung, die der Häuptling 
einnimmt, hat sich auch ein allgemein übliches Cere- 
moniell seiner Unterthanen ihm gegenüber heraus- 
gebildet; so muß in Gegenwart des Häuptlings Jeder 
auf der bloßen Erde sitzen, muß gebeugten Rückens 
an ihm vorübergehen und darf nur mit nieder- 
geschlagenen Augen zu ihm sprechen. Spuckt der 
Häuptling, so beeilt sich Jeder, den Speichel an der 
Erde mit den Fingern zu zerreiben, jedes Stäubchen, 
jeder Halm wird sorgsam entfernt, wenn er geht, 
ein Schild wird über ihn gehalten, wenn es regnet 
oder er dem Sonnenschein ausgesetzt ist; Sklaven, 
Weiber und Kinder dürfen ihm nur mit spezieller 
Erlaubniß nahen und müssen knieend zu ihm sprechen; 
kurz, es wird fast ein Kultus mit seiner Person ge- 
trieben. Er ernennt die Großen und Führer, setzt 
sie als Unterhäuptlinge über einen Theil der Stadt 
oder ein Dorf ein und weist ihnen ihre Unterthanen 
zu, für die er sie in jeder Hinsicht verantwortlicht 
macht. Todesstrafen über Freie verhängt nur der 
König. Die Sklaven zerfallen in zwei Kategorien, 
erstens die in der Sklaverei geborenen, die man 
besser als Hörige bezeichnet und die fast dieselben 
Rechte genießen als die Wutes, selbst Sklaven be- 
sitzen und oft, namentlich wenn sie dem Königlichen 
Hausstand angehören, nicht ohne Einfluß sind; dann 
die frischgefangenen Bantus, die meist, damit sie nicht 
fortlaufen, möglichst schnell verkauft werden. Auch 
sie gelten zunächst als Eigenthum des Häuptlings
	        
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