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übertrieben, angegeben — direlt nach den Croßfällen
handeln. Jetzt haben sie sich nach Banjang zurück-
gezogen und sollen einen schwunghaften Gummi= und
Elfenbeinhandel treiben. Auf meinem ganzen Wege,
der mich durch das Batanga-, Bakong= und Bakundu-
land führte, bin ich nirgends auf die Spuren dieser
Landstreicher gestoßen, so daß ich die Angaben der
Eingeborenen, sie hätten sich nach Banjang zurück-
gezogen, für richtig halten muß.
Eine endliche definitive Festlegung der deutsch-
englischen Grenze ist absolut nöthig, wenn es gelingen
soll, den Gummi= und Elfenbeinhandel aus unserem
nördlichen Hinterlande, der immer noch über den
Akwa Jafé und den Croß-River nach Calabar seinen
Weg nimmt, nach der deutschen Seite und zwar nach
dem Rio del Rey und nach Mundame herunter zu
leiten. Wurde mir doch im Norden der Rombiberge,
in dem Dorfe Baro, versichert, daß von dort aus
mit Calabarleuten, die von Norden her, also wahr-
scheinlich von Croß-River kommen, gehandelt wird.
Dabei sind gerade jene Gebiete für den Gummihandel
von größter Bedeutung, da auf dem ganzen von mir
zurückgelegten Wege von Ndian bis Kiliwindi der
Kautschukbaum vorkommt.
Am Montag den 20. Juni marschirte die Expe-
dition in achtstündigem überaus anstrengenden Marsche
von Okobo nach Fave an der Grenze des Ngololandes.
Das Uebersetzen über den Ndian und seinen reißenden,
hochangeschwollenen Nebenfluß Mana, die durchwatet
werden mußten, ging nur langsam und nicht ohne
Der Weg führte auf ungebahnten Gebirgspfaden
durch dichten Busch, zum Theil auch in kleinen Wasser-
läufen entlang. In Fave wurden wir von dem
Häuptling und den Eingeborenen freundlich empfangen.
Die Leute handeln nach dem Rio del Rey, auch sind
bereits einige 20 Mann als Arbeiter nach der Küste
gegangen. Am nächsten Tage erreichte ich Meta,
das erste Ngolodorf. Das Dorf war gänzlich ver-
lassen, die Hütten leer, das Vieh weggetrieben. Bald
nach meiner Ankunft in Meta kam ein Bote, den
mir der Häuptling von Fave mit seinem Stab nach-
sandte. Der Häuptling ließ mir sagen, ich solle nach
Fave zurückkommen, gleich nach meinem Abmarsch
seien Boten der Ngololeute zu ihm gekommen und
hätten ihn aufgefordert, sich ihnen anzuschließen, um
die Expedition zu bekämpfen. Die sämmtlichen Ngolo-
leute seien in Waffen und erwarteten mich im Busch.
Ich konnte nun entweder jede Berührung mit den
Ngolos vermeiden, mußte dann aber meinen ursprüng-
lichen Plan, über die Rombiberge nach Johann
Albrechts-Höh zu marschiren, aufgeben. Damit wäre
natürlich die Möglichkeit, weitere Informationen über
die Verhältnisse im Norden der Rombiberge einzu-
ziehen, abgeschnitten gewesen, denn ich mußte dann
den von Meta aus auf dem linken Ndian-Ufer nach
dem Rio del Rey führenden, schon oft von Kaufleuten
begangenen Handelsweg für meinen Rückmarsch wählen.
Oder aber ich mußte es, um den Weg über das Ge-
birge zu gewinnen, auf einen feindlichen Zusammen-
stoß mit den Ngolos ankommen lassen. Ich entschloß
mich zu der letzteren Alternative und marschirte des-
halb am 22. Juni nach Vevoka, nachdem ich noch
am Abend vorher durch den von Fave gekommenen
Boten die Mgolos hatte auffordern lassen, sich zu
friedlichem Palaver in Vevoka zu stellen. Kurz vor
Vevoka kamen mir Boten entgegen, die mir erklärten,
die Ngolo= und die mit ihnen verbündeten Batanga-
leute seien in Vevoka. Wenn ich das Versprechen
gäbe, nicht auf sie schießen zu lassen, würden sie mich
in Vevoka erwarten. Ich gab ihnen das Versprechen
unter der Bedingung, daß sie sich jeder Feindseligkeit
gegen die Expedition enthielten und mir für den
Weitermarsch Führer und Träger stellen. Um 10 Uhr
vormittags marschirte ich an der Spitze der Karawane
mit dem Stationsleiter Romberg und fünf Soldaten
in Vevoka ein und befand mich plötzlich etwa 300
Ngolos und 200 Batangas gegenüber, die sämmtlich
mit neuen Gewehren bewaffnet die Dorfgasse entlang
saßen. Ich ließ durch den Dolmetscher die Häupt-
linge kommen und begann mit ihnen zu verhandeln.
Die Batangaleute erklärten sofort, sie seien nur ge-
zwungen in Waffen erschienen und wollten vom
Kampfe nichts wissen. Sie zogen nach kurzer Zeit
in ihre Dörfer zurück. Die Ngolos meinten, es sei,
nachdem die Schutztruppe gegen sie gekämpft, über-
haupt kein gültiger Friede abgeschlossen, die ihnen
auferlegte Lieferung von Vieh, mit der sie schon
einmal begonnen hatten, würden sie nicht fortsetzen,
Gefährdung von Trägern und Lasten von statten.
da der Häuptling von Ikoi, namens Nakéri oder
Nakéli, den Friedensschluß überhaupt nicht anerkenne.
Ich solle ihnen jede Lieferung von Vieh nachlassen
und Ziegenblut mit ihnen trinken, dann würden sie
Frieden schließen.
Da ich feststellte, daß kein einziger bedeutender
Häuptling anwesend war, so befahl ich den Leuten,
nachdem sich nach Negerart die Verhandlungen in
nebensächliche Kleinlichkeiten zu verlieren dachten, Ve-
voka zu räumen, in ihre Dörfer zurückzugehen und
den Häuptlingen mitzutheilen, daß ich am nächsten
Tage nach Itoki kommen würde, um dort im Mittel-
punkt ihres Landes die Verhandlungen fortzusetzen.
Auf dem Wege nach Itoki wurden kurz vor dem
Dorse Betika die Führer angerufen. Der Dolmetscher
Otto, ein zuverlässiger Mann aus dem Rio del Rey,
meldete mir, daß am Eingang von Betika die Ngolos
kampfbereit ständen und den Führern zugerufen hätten,
wenn sie weitergingen, würde auch auf sie und die
Träger aus Vevoka, die ich mithatte, geschossen werden.
Ich ließ deshalb die Karawane halten und schickte
zurück zu Lieutenant v. Arnim, der mit 25 Soldaten
am Schlusse der Karawane marschirte, um Betika
mit Gewalt zu nehmen. Der Anlauf gegen das
Dorf war außerordentlich anstrengend. In strömen-
dem Regen mußten auf schlüpfrigen Wegen die An-
höhen im Sturmschritt genommen werden. Lieutenant
v. Arnim brachte es fertig, immer an der Spitze