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um dann auf die von ihm auf der Kaiserreise nach
Palästina beobachteten Erfolge des syrischen Waisen-
hauses hinzuweisen, die auch als vorbildlich dienen
können. Insbesondere hebt er die Worte hervor, die
der Kaiser auf der Reise bei einer Gelegenheit ge-
sprochen hat, „daß es mit dem Predigen allein nicht
gemacht ist; aber unsere Kultur, unsere Anstalten,
das Leben, das wir ihnen (den Mohammedanern)
vorleben, die Art unseres Verkehrs mit ihnen, der
Beweis, daß wir untereinander einig sind, darauf
kommt es an.“ Unter lautem Beifall schloß der
Redner mit den Worten, unsere Kolonien lägen uns
näher als die Mohammedaner, und mit der Bitte,
die evangelischen Industriemissionen zu unterstützen.
Im Anschluß an diese Rede berichtete Pfarrer
Kriele aus Barmen über die Erfolge der Barmer
Mission auf dem Gebiete des gewerblichen Schulwesens
am Kap (Ort Wupperthal) und die bevorstehenden
Unternehmungen in Deutsch-Südwestafrika. In einem
neulich gebildeten Eingeborenen-Reservat ist durch
den Gouverneur der Barmer Missionsgesellschaft das
ausschließliche Recht eingeräumt worden, von den
Eingeborenen Land zu erwerben, unter der Bedin-
gung, neben dem Missionswerk zu der wissenschaft-
lichen Forschung beizutragen. Es darf keine Lizenz
zum Ausschank von Branntwein in diesem ganzen
Gebiet ertheilt werden. Die Mission hat bereits einen
Ingenieur ausgesandt, der sich den in dieser Kolonie
durchaus nothwendigen Wasserarbeiten widmet. Nach-
dem der Redner die ganz erfreulichen Erfolge der
Barmer gewerblichen Missionen in Borneo geschildert,
erwähnte er auch die von der Mission bereits durch
die Aussendung von vier, demnächst fünf Aerzten nach
ihren asiatischen Missionen bekundete Thätigkeit auf
dem Gebiete der Aerztemission. Das Thema der
gewerblichen Mission behandelte heute früh ebenfalls
Pfarrer Schneller aus Köln mit einer Schilderung
des syrischen Waisenhauses in Jerusalem. Die Anstalt
wendet sich nur an die einzig noch erziehbare Jugend;
natürlich nicht nur an Waisen, doch sind solche leichter
von der verdorbenen Umgebung loszulösen. Als
Lehrsprache ist das Arabische aufgegeben und herrscht
das Deutsche ausschließlich. Die Erziehung zur Arbeit
beginnt mit dem 14. Jahre. Der Redner erzählte
heitere Beispiele von der orientalischen Arbeitsscheu,
die es dabei zu überwinden gilt. Indes haben Zeit
und Ausdauer Erfolge gebracht, und die Anstalt kann
nicht allen Anmeldungen gerecht werden. Als Meister
kann nur ein Theil der früheren Schüler angestellt
werden; damit der Geist frisch deutsch bleibe, müssen
geeignete Personen aus Dentschland herangezogen
werden, wobei die Wahl nicht ganz leicht ist. Die
Arbeit des Waisenhauses läßt in den verschiedenen
Abtheilungen einen mehr oder weniger ansehnlichen
Gewinn. Einen besonderen Erfolg hat die Ziegel-
fabrik ergeben, die denn auch erweitert werden muß.
Eine gute Zukunft ließe sich auch von einer Pflanzen-
anlage erwarten, desgleichen von der Olivenpressung.
Die entlassenen Schüler sollen womöglich in ge-
schlessenen Kolonien und Gemeinden vereint werden,
nämlich die landwirthschaftlichen in einem großen
Gelände (Umfang wie das Kölner Stadtgebiet inner-
halb der Umwallung) in der Philisterebene, die ge-
werblichen hauptsächlich in der Nähe des Waisenhauses
bei Jerusalem, wo die Anstalt an diejenigen ihrer
Schutzbefohlenen, die in der Stadt arbeiten, von ihr
gebaute Zweifamilienhäuser vermiethet, deren sie jedes
Jahr eins baut. Diese Leute kommen sehr gut aus,
und mit der Zeit wird neben dem alten Jerusalem
ein evangelisches Jerusalem entstehen. An diese Mit-
theilungen schloß sich eine kurze Erörterung, bei der
Herr Fabarius berichten konnte, daß die Haupt-
versammlung des (allgemeinen) Afrikavereins in Berlin
gestern beschlossen hat, eine Handwerkerschule in Deutsch-
Ostafrika zu errichten. Dr. Hindorf aus Köln,
Mitglied des Kolonialraths, konnte die Nothwendig-
keit einer solchen Schule bestätigen. Arbeitermangel
ist häufig, und für 90 bis 120 Rupien (130 bis
165 Mk.) monatlich sind oft keine Leute zu haben.
Die Hauptversammlung am 2. März war zum
großen Theil den inneren Angelegenheiten des Ver-
bandes gewidmet. Zunächst ist zu bemerken, daß
Pfarrer Keller aus Koblenz das Schriftführeramt
an Stelle des scheidenden Herrn Fabarius übernimmt,
welch letzterem der warme Dank des Vorsitzenden
im Namen des Verbandes durch den Vorsitzenden
ausgesprochen wurde. An Stelle ausscheidender oder
verstorbener Mitglieder wurden als Vorstandsmit-
glieder gewählt die Herren Konsistorialrath Lic.
Mettgenberg aus Koblenz und Pfarrer Lic.
Weber aus Gladbach, die übrigen ausscheidenden
Vorstandsmitglieder wurden wiedergewählt. Als Ort
der nächsten Versammlung wurde Mülheim a. d. Ruhr
gewählt. Im weiteren Verlauf der Sitzung wurde
die Stellung des Verbandes zum evangelischen Afrika-
verein genau bestimmt: der Verband umfaßt ungefähr
Westdeutschland, mit Ausnahme der vorher an die
Berliner Centrale angeschlossenen Ortsvereine.
Herr Karl Perrot aus Wiesbaden berichtete
über die wirthschaftliche Bedeutung Ostafrikas und
führte aus seinen dortigen Pflanzungen, Erzeugnisse
vor, die er den Zuhörern näher erklärte. Es be-
finden sich darunter Hölzer von verschiedener Färbung
und Verwendbarkeit, die hoffentlich in den betheiligten
Gewerben dieselbe Anerkennung finden werden, wie
hier in beschränktem Kreise. Sie sind werthvoll und
Verschiffungen sind möglich. An das Missionswerk
anknüpfend erwähnt Redner, daß auf Madagaskar
die norwegische Mission 43 von Europäern geleitete
Stationen errichtet habe, mit denen, manche großartige
gewerbliche Anlagen verbunden sind, wogegen in
Deutsch-Ostafrika noch keine evangelische Mission bis
zum Tanganyika vorgedrungen ist. Herr Fabarius
gab eingehende Aufschlüsse über die neue Kolonial=
schule in Witzenhausen a. d. Werra. Der Andrang
von Schülern war sehr bedeutend. Es verging seit
den Ankündigungen in den Zeitungen kein Tag, ohne
daß einc oder zwei Anmeldungen eingingen, und jetzt,