Full text: Deutsches Kolonialblatt. X. Jahrgang, 1899. (10)

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um dann auf die von ihm auf der Kaiserreise nach 
Palästina beobachteten Erfolge des syrischen Waisen- 
hauses hinzuweisen, die auch als vorbildlich dienen 
können. Insbesondere hebt er die Worte hervor, die 
der Kaiser auf der Reise bei einer Gelegenheit ge- 
sprochen hat, „daß es mit dem Predigen allein nicht 
gemacht ist; aber unsere Kultur, unsere Anstalten, 
das Leben, das wir ihnen (den Mohammedanern) 
vorleben, die Art unseres Verkehrs mit ihnen, der 
Beweis, daß wir untereinander einig sind, darauf 
kommt es an.“ Unter lautem Beifall schloß der 
Redner mit den Worten, unsere Kolonien lägen uns 
näher als die Mohammedaner, und mit der Bitte, 
die evangelischen Industriemissionen zu unterstützen. 
Im Anschluß an diese Rede berichtete Pfarrer 
Kriele aus Barmen über die Erfolge der Barmer 
Mission auf dem Gebiete des gewerblichen Schulwesens 
am Kap (Ort Wupperthal) und die bevorstehenden 
Unternehmungen in Deutsch-Südwestafrika. In einem 
neulich gebildeten Eingeborenen-Reservat ist durch 
den Gouverneur der Barmer Missionsgesellschaft das 
ausschließliche Recht eingeräumt worden, von den 
Eingeborenen Land zu erwerben, unter der Bedin- 
gung, neben dem Missionswerk zu der wissenschaft- 
lichen Forschung beizutragen. Es darf keine Lizenz 
zum Ausschank von Branntwein in diesem ganzen 
Gebiet ertheilt werden. Die Mission hat bereits einen 
Ingenieur ausgesandt, der sich den in dieser Kolonie 
durchaus nothwendigen Wasserarbeiten widmet. Nach- 
dem der Redner die ganz erfreulichen Erfolge der 
Barmer gewerblichen Missionen in Borneo geschildert, 
erwähnte er auch die von der Mission bereits durch 
die Aussendung von vier, demnächst fünf Aerzten nach 
ihren asiatischen Missionen bekundete Thätigkeit auf 
dem Gebiete der Aerztemission. Das Thema der 
gewerblichen Mission behandelte heute früh ebenfalls 
Pfarrer Schneller aus Köln mit einer Schilderung 
des syrischen Waisenhauses in Jerusalem. Die Anstalt 
wendet sich nur an die einzig noch erziehbare Jugend; 
natürlich nicht nur an Waisen, doch sind solche leichter 
von der verdorbenen Umgebung loszulösen. Als 
Lehrsprache ist das Arabische aufgegeben und herrscht 
das Deutsche ausschließlich. Die Erziehung zur Arbeit 
beginnt mit dem 14. Jahre. Der Redner erzählte 
heitere Beispiele von der orientalischen Arbeitsscheu, 
die es dabei zu überwinden gilt. Indes haben Zeit 
und Ausdauer Erfolge gebracht, und die Anstalt kann 
nicht allen Anmeldungen gerecht werden. Als Meister 
kann nur ein Theil der früheren Schüler angestellt 
werden; damit der Geist frisch deutsch bleibe, müssen 
geeignete Personen aus Dentschland herangezogen 
werden, wobei die Wahl nicht ganz leicht ist. Die 
Arbeit des Waisenhauses läßt in den verschiedenen 
Abtheilungen einen mehr oder weniger ansehnlichen 
Gewinn. Einen besonderen Erfolg hat die Ziegel- 
fabrik ergeben, die denn auch erweitert werden muß. 
Eine gute Zukunft ließe sich auch von einer Pflanzen- 
anlage erwarten, desgleichen von der Olivenpressung. 
Die entlassenen Schüler sollen womöglich in ge- 
  
schlessenen Kolonien und Gemeinden vereint werden, 
nämlich die landwirthschaftlichen in einem großen 
Gelände (Umfang wie das Kölner Stadtgebiet inner- 
halb der Umwallung) in der Philisterebene, die ge- 
werblichen hauptsächlich in der Nähe des Waisenhauses 
bei Jerusalem, wo die Anstalt an diejenigen ihrer 
Schutzbefohlenen, die in der Stadt arbeiten, von ihr 
gebaute Zweifamilienhäuser vermiethet, deren sie jedes 
Jahr eins baut. Diese Leute kommen sehr gut aus, 
und mit der Zeit wird neben dem alten Jerusalem 
ein evangelisches Jerusalem entstehen. An diese Mit- 
theilungen schloß sich eine kurze Erörterung, bei der 
Herr Fabarius berichten konnte, daß die Haupt- 
versammlung des (allgemeinen) Afrikavereins in Berlin 
gestern beschlossen hat, eine Handwerkerschule in Deutsch- 
Ostafrika zu errichten. Dr. Hindorf aus Köln, 
Mitglied des Kolonialraths, konnte die Nothwendig- 
keit einer solchen Schule bestätigen. Arbeitermangel 
ist häufig, und für 90 bis 120 Rupien (130 bis 
165 Mk.) monatlich sind oft keine Leute zu haben. 
Die Hauptversammlung am 2. März war zum 
großen Theil den inneren Angelegenheiten des Ver- 
bandes gewidmet. Zunächst ist zu bemerken, daß 
Pfarrer Keller aus Koblenz das Schriftführeramt 
an Stelle des scheidenden Herrn Fabarius übernimmt, 
welch letzterem der warme Dank des Vorsitzenden 
im Namen des Verbandes durch den Vorsitzenden 
ausgesprochen wurde. An Stelle ausscheidender oder 
verstorbener Mitglieder wurden als Vorstandsmit- 
glieder gewählt die Herren Konsistorialrath Lic. 
Mettgenberg aus Koblenz und Pfarrer Lic. 
Weber aus Gladbach, die übrigen ausscheidenden 
Vorstandsmitglieder wurden wiedergewählt. Als Ort 
der nächsten Versammlung wurde Mülheim a. d. Ruhr 
gewählt. Im weiteren Verlauf der Sitzung wurde 
die Stellung des Verbandes zum evangelischen Afrika- 
verein genau bestimmt: der Verband umfaßt ungefähr 
Westdeutschland, mit Ausnahme der vorher an die 
Berliner Centrale angeschlossenen Ortsvereine. 
Herr Karl Perrot aus Wiesbaden berichtete 
über die wirthschaftliche Bedeutung Ostafrikas und 
führte aus seinen dortigen Pflanzungen, Erzeugnisse 
vor, die er den Zuhörern näher erklärte. Es be- 
finden sich darunter Hölzer von verschiedener Färbung 
und Verwendbarkeit, die hoffentlich in den betheiligten 
Gewerben dieselbe Anerkennung finden werden, wie 
hier in beschränktem Kreise. Sie sind werthvoll und 
Verschiffungen sind möglich. An das Missionswerk 
anknüpfend erwähnt Redner, daß auf Madagaskar 
die norwegische Mission 43 von Europäern geleitete 
Stationen errichtet habe, mit denen, manche großartige 
gewerbliche Anlagen verbunden sind, wogegen in 
Deutsch-Ostafrika noch keine evangelische Mission bis 
zum Tanganyika vorgedrungen ist. Herr Fabarius 
gab eingehende Aufschlüsse über die neue Kolonial= 
schule in Witzenhausen a. d. Werra. Der Andrang 
von Schülern war sehr bedeutend. Es verging seit 
den Ankündigungen in den Zeitungen kein Tag, ohne 
daß einc oder zwei Anmeldungen eingingen, und jetzt,
	        
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