Full text: Deutsches Kolonialblatt. XII. Jahrgang, 1901. (12)

verwenden, hatten sie doch uns ungestraft an der 
Arbeit gesehen, die heiligen Bäume selbst zu fällen. 
Ja noch mehr: sie hätten, wenn ich einen solchen 
Vandalismus nicht verhindert hätte — in ihrer Gott— 
losigkeit Alles, was noch dastand, klein und groß, 
gerade und krumm, niedergehauen. Ich mußte denn 
einen Befehl erlassen, daß Alle aus dem Gebüsch 
kommen müßten, sobald meine Leute abends die 
Arbeit einstellten; dann dürfte kein Beilschlag mehr 
gehört werden, sonst würde der Uebertreter der 
Strafe nicht entgehen. Dies war das einzige Mittel, 
ihrer Vernichtungswuth zu steuern. Jeden Augenblick 
belästigten sie mich mit ihren Bitten: einer erbat sich 
einen Baum, damit er sich ein Kanu daraus machen 
könnte; ein zweiter möchte gern ein Stück Holz haben, 
um sich davon ein Ruder zu fabriziren; ein dritter 
bat mich recht eindringlich um einen Stamm, aus 
dem er sich ein Bett herstellen könnte. Ja wirklich 
ein Bett, denn die Bakarra, im Gegensatz zu allen 
anderen Negern, schlafen nicht wie diese auf einer 
Streu oder auf dem flachen Boden, sondern auf 
einem harten Brett. Der strengste Ascet in Europa 
würde sich nicht unterstehen, zu thun, was bei den 
Bakarra aus lauter Genußsucht geschieht. Sie spalten 
oder hauen sich einen beliebigen Baumstamm — 
einerlei ob derselbe gerade oder krumm sei — der 
Länge nach in zwei Hälften und fertig ist ihr Bett- 
gestell, das weiter kein Polster oder sonstigen Ueberzug 
braucht. Auf ein solches Bett nun legen sie sich 
hin und schlafen darauf königlich. Auch Bettdecken 
brauchen sie nicht einmal: jene, welche sich auf die 
rechte Seite legen, decken sich mit der linken, und 
die, welche gewohnt sind, auf der linken Seite der 
Ruhe zu pflegen, decken sich mit der rechten, — das 
stimmt also immer genau. Die Bakarra sind, wie 
die Neger überhaupt, richtige Vegetarianer. Nun 
soll Einer aber nicht glauben, daß sie ein Stückchen 
Fleisch nicht liebten. Im Gegentheil, man kann es 
ihnen vorsetzen, wie man will: roh, gebraten oder 
gesotten, frisch oder verfault — so gräßlich oder fein 
kann es nicht sein, daß die Herren Bakarra die Nase 
darüber aufwerfen: die dicksten und zähesten Sehnen 
schmelzen gleichsam zwischeh ihren scharfen Zähnen. 
Es ist wirklich kurios, in der Gegenwart dieser Ur- 
menschen ein Zicklein für die Küche zu schlachten: 
nichts, gar nichts geht dann verloren, sogar die win- 
zigen Fleischtheilchen, die nach dem Abhäuten an der 
Haut sitzen geblieben sind, werden mit den Zähnen 
von derselben abgenagt. So ärmlich sie auch leben, 
so ergiebt doch der Boden ihrer Insel kaum genug, 
ihr Leben damit fristen zu können. Ihr Vichbestand 
ist kaum nennenswerth: die wenigen Rinder und 
Ziegen, welche die Bakarra besitzen, müssen die trau- 
rige Erfahrung gemacht haben, daß da für die Menschen 
und auch für die Thiere Schmalhans Küchenmeister 
ist, wo der Erdboden sich so wenig ergiebig zeigt. 
In der trockenen Jahreszeit wächst auf ihren Wiesen 
so viel Gras, wie auf meinem Tische. Dann besteht 
das Viehfutter nur aus Baumblättern, die dem Vieh 
  
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recht kärglich zugemessen werden. Sind auch solche 
nicht mehr zu haben, so ziehen die Weiber, den Korb 
auf der Schulter und den Holzspaten in der Hand, 
aus und graben sich Graswurzeln aus, wo sie die- 
selben nur finden können. 
Trotz all ihrer Armuth halten die Bakarra große 
Stücke auf ihr Land. Obgleich sie ganz nahe bei 
der Insel Ukerewe wohnen und mit ihren Booten 
regelmäßig herüberkommen, will doch keiner sich hier 
ansiedeln, und ebenso wenig findet man in ihrem 
Lande Fremde. Sie gehören einer ganz anderen 
Rasse an und unterscheiden sich von unseren Insu- 
lanern durch einen schweren Körperbau. Wie sämmt- 
liche anderen Neger lieben sie besonders den Schmuck 
einer schönen Kopffrifur, namentlich die jüngeren 
unter ihnen. Sie flechten sich allerlei Glasperlen in 
das Haar. Die Weiber tragen das Haar lang, so 
lang es wenigstens bei einem Neger wachsen will. 
Hier auf Ukerewe dagegen rasiren sich die weiblichen 
Personen den Kopf ganz, so daß auch nicht eine 
Stoppel darauf übrig bleibt. Wenn nun das Haar 
der Bukarranegerin seine volle Länge erreicht hat, 
so läßt sie es von einer Freundin in sehr seine 
Flechten ordnen, die zu beiden Seiten an den Schläfen 
herabhängen. Diejenigen, welche über Mittel ver- 
fügen können, streichen über diese Einzelflechten rothe 
Erde, die mit Harz klebrig gemacht wird. 
Auch ihre Bauart ist gänzlich verschieden von der 
unserer Inselbewohner. Ein hiesiges Dorf nämlich 
besteht aus einer größeren oder kleineren Zahl Nka, 
die zwischen den Bananenpflanzungen und dem Mu- 
hago versteckt daliegen, und eine Nka besteht aus 
drei bis vier Strohhütten, die von einem Kaktuszaun 
eingeschlossen sind. Vergebens würde man nach einem 
Wege suchen, da es höchstens nur schmale Schlängel- 
pfade giebt, denn Ordnung und Regelmaß sind dem 
Neger nun einmal fremd. 
Außer in dem sogenannten heiligen Walde findet 
man auf Bukarra fast kein Holz vor. Weil nun 
dieser heilige Wald bisher nur von unzähligen Raub- 
vögeln und Myriaden von Mäücken oder Muskitos 
bewohnt werden durfte, und es Keinem erlaubt war, 
sich dort Holz oder Brennstoff zu holen, so mußten 
sich die Eingeborenen mit Mutamastengeln begnügen, 
wollten sie ihre Speisen kochen. Diese Stengel 
wurden deshalb in Büschel gebunden und zeitweilig 
auf steilen Felsenspitzen aufbewahrt, damit der Nachbar 
nicht das „Dein und Mein“ verwechsele und die 
gefräßigen weißen Ameisen nicht hülfen, den Vorrath 
zu schmälern. 
Weil wir auf Ukerewe schon mit Arbeiten über- 
häuft sind, hatten wir bisher noch keinen Versuch 
mit der Evangelisirung der Bakarra gemacht, um so 
weniger, weil ihre Sprache ganz anders ist als die 
hiesige. Kürzlich aber haben wir ein paar Katechisten 
hingeschickt, um unsere Vorläufer zu sem. Es wird 
aber eine Riesenaufgabe sein, diese armen Leute zu 
Christen umzugestalten, denn nicht nur der Unglaube, 
sondern auch der Aberglaube und die daraus hervor-
	        
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