verwenden, hatten sie doch uns ungestraft an der
Arbeit gesehen, die heiligen Bäume selbst zu fällen.
Ja noch mehr: sie hätten, wenn ich einen solchen
Vandalismus nicht verhindert hätte — in ihrer Gott—
losigkeit Alles, was noch dastand, klein und groß,
gerade und krumm, niedergehauen. Ich mußte denn
einen Befehl erlassen, daß Alle aus dem Gebüsch
kommen müßten, sobald meine Leute abends die
Arbeit einstellten; dann dürfte kein Beilschlag mehr
gehört werden, sonst würde der Uebertreter der
Strafe nicht entgehen. Dies war das einzige Mittel,
ihrer Vernichtungswuth zu steuern. Jeden Augenblick
belästigten sie mich mit ihren Bitten: einer erbat sich
einen Baum, damit er sich ein Kanu daraus machen
könnte; ein zweiter möchte gern ein Stück Holz haben,
um sich davon ein Ruder zu fabriziren; ein dritter
bat mich recht eindringlich um einen Stamm, aus
dem er sich ein Bett herstellen könnte. Ja wirklich
ein Bett, denn die Bakarra, im Gegensatz zu allen
anderen Negern, schlafen nicht wie diese auf einer
Streu oder auf dem flachen Boden, sondern auf
einem harten Brett. Der strengste Ascet in Europa
würde sich nicht unterstehen, zu thun, was bei den
Bakarra aus lauter Genußsucht geschieht. Sie spalten
oder hauen sich einen beliebigen Baumstamm —
einerlei ob derselbe gerade oder krumm sei — der
Länge nach in zwei Hälften und fertig ist ihr Bett-
gestell, das weiter kein Polster oder sonstigen Ueberzug
braucht. Auf ein solches Bett nun legen sie sich
hin und schlafen darauf königlich. Auch Bettdecken
brauchen sie nicht einmal: jene, welche sich auf die
rechte Seite legen, decken sich mit der linken, und
die, welche gewohnt sind, auf der linken Seite der
Ruhe zu pflegen, decken sich mit der rechten, — das
stimmt also immer genau. Die Bakarra sind, wie
die Neger überhaupt, richtige Vegetarianer. Nun
soll Einer aber nicht glauben, daß sie ein Stückchen
Fleisch nicht liebten. Im Gegentheil, man kann es
ihnen vorsetzen, wie man will: roh, gebraten oder
gesotten, frisch oder verfault — so gräßlich oder fein
kann es nicht sein, daß die Herren Bakarra die Nase
darüber aufwerfen: die dicksten und zähesten Sehnen
schmelzen gleichsam zwischeh ihren scharfen Zähnen.
Es ist wirklich kurios, in der Gegenwart dieser Ur-
menschen ein Zicklein für die Küche zu schlachten:
nichts, gar nichts geht dann verloren, sogar die win-
zigen Fleischtheilchen, die nach dem Abhäuten an der
Haut sitzen geblieben sind, werden mit den Zähnen
von derselben abgenagt. So ärmlich sie auch leben,
so ergiebt doch der Boden ihrer Insel kaum genug,
ihr Leben damit fristen zu können. Ihr Vichbestand
ist kaum nennenswerth: die wenigen Rinder und
Ziegen, welche die Bakarra besitzen, müssen die trau-
rige Erfahrung gemacht haben, daß da für die Menschen
und auch für die Thiere Schmalhans Küchenmeister
ist, wo der Erdboden sich so wenig ergiebig zeigt.
In der trockenen Jahreszeit wächst auf ihren Wiesen
so viel Gras, wie auf meinem Tische. Dann besteht
das Viehfutter nur aus Baumblättern, die dem Vieh
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recht kärglich zugemessen werden. Sind auch solche
nicht mehr zu haben, so ziehen die Weiber, den Korb
auf der Schulter und den Holzspaten in der Hand,
aus und graben sich Graswurzeln aus, wo sie die-
selben nur finden können.
Trotz all ihrer Armuth halten die Bakarra große
Stücke auf ihr Land. Obgleich sie ganz nahe bei
der Insel Ukerewe wohnen und mit ihren Booten
regelmäßig herüberkommen, will doch keiner sich hier
ansiedeln, und ebenso wenig findet man in ihrem
Lande Fremde. Sie gehören einer ganz anderen
Rasse an und unterscheiden sich von unseren Insu-
lanern durch einen schweren Körperbau. Wie sämmt-
liche anderen Neger lieben sie besonders den Schmuck
einer schönen Kopffrifur, namentlich die jüngeren
unter ihnen. Sie flechten sich allerlei Glasperlen in
das Haar. Die Weiber tragen das Haar lang, so
lang es wenigstens bei einem Neger wachsen will.
Hier auf Ukerewe dagegen rasiren sich die weiblichen
Personen den Kopf ganz, so daß auch nicht eine
Stoppel darauf übrig bleibt. Wenn nun das Haar
der Bukarranegerin seine volle Länge erreicht hat,
so läßt sie es von einer Freundin in sehr seine
Flechten ordnen, die zu beiden Seiten an den Schläfen
herabhängen. Diejenigen, welche über Mittel ver-
fügen können, streichen über diese Einzelflechten rothe
Erde, die mit Harz klebrig gemacht wird.
Auch ihre Bauart ist gänzlich verschieden von der
unserer Inselbewohner. Ein hiesiges Dorf nämlich
besteht aus einer größeren oder kleineren Zahl Nka,
die zwischen den Bananenpflanzungen und dem Mu-
hago versteckt daliegen, und eine Nka besteht aus
drei bis vier Strohhütten, die von einem Kaktuszaun
eingeschlossen sind. Vergebens würde man nach einem
Wege suchen, da es höchstens nur schmale Schlängel-
pfade giebt, denn Ordnung und Regelmaß sind dem
Neger nun einmal fremd.
Außer in dem sogenannten heiligen Walde findet
man auf Bukarra fast kein Holz vor. Weil nun
dieser heilige Wald bisher nur von unzähligen Raub-
vögeln und Myriaden von Mäücken oder Muskitos
bewohnt werden durfte, und es Keinem erlaubt war,
sich dort Holz oder Brennstoff zu holen, so mußten
sich die Eingeborenen mit Mutamastengeln begnügen,
wollten sie ihre Speisen kochen. Diese Stengel
wurden deshalb in Büschel gebunden und zeitweilig
auf steilen Felsenspitzen aufbewahrt, damit der Nachbar
nicht das „Dein und Mein“ verwechsele und die
gefräßigen weißen Ameisen nicht hülfen, den Vorrath
zu schmälern.
Weil wir auf Ukerewe schon mit Arbeiten über-
häuft sind, hatten wir bisher noch keinen Versuch
mit der Evangelisirung der Bakarra gemacht, um so
weniger, weil ihre Sprache ganz anders ist als die
hiesige. Kürzlich aber haben wir ein paar Katechisten
hingeschickt, um unsere Vorläufer zu sem. Es wird
aber eine Riesenaufgabe sein, diese armen Leute zu
Christen umzugestalten, denn nicht nur der Unglaube,
sondern auch der Aberglaube und die daraus hervor-