Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIII. Jahrgang, 1902. (13)

ins Auge faßt, daß sich mit dieser Gleichmäßigkeit 
fast durchweg die Vorzüge des kapländischen Gras-, 
Busch= und Karroofeldes (Großbusch und Kleinbusch, 
„Kurzkarrooe und „Langkarrooc, je nach der Lage 
allein oder gemischt) vorfinden, wie dies im serneren 
Süden nur stellenweise der Fall ist (Karroo= und 
Grasfeldgrenzdistrikte, Angoraziegen = Gebiete par 
excellence), so kann man zu keinem anderen Schlusse 
kommen, als dem, daß das Schutzgebiet für 
Angoraziegenzucht als Ganzes gualitativ 
über der Kapkolonie steht und diesen so äußerst 
wichtigen Wirthschaftszweig in weit ausgedehnterem 
Maße gestattet, als dies dort der Fall ist. 
Nächst der Weide ist das Klima ein Faktor, der 
für das Gedeihen der Heerde und die Produktion 
eines guten Mohairs von allergrößter Wichtigkeit ist. 
Obgleich nun die Qualität des Haares in der Haupt- 
sache durch die Qualität des Zuchtmaterials bedingt 
wird, so ist es doch eine unumstößliche Thatsache, 
daß die Nachkommenschaft einer, wir wollen sagen 
in Kleinasien gezüchteten Ziege unter denselben Be- 
dingungen, d. h. bei Verwendung gleichwerthigen 
Materials in den verschiedensten Welttheilen weiter- 
gezüchtet, ein nicht gleichmäßiges, gleichwerthiges 
Mohair liefert. Aus diesem Grunde ist denn auch 
der eine Welttheil bezw. Gegend im Vortheil vor 
dem anderen, und dürfte dieser Vortheil wohl da zu 
suchen sein, wo beim Vorhandensein der entsprechen- 
den Weide das Klima solcher Art ist, wie es dem 
Naturell der an's Freie gewöhnten, auf's Freie an- 
gewiesenen Ziege am meisten entspricht. Die größte 
Abneigung hat sie gegen Nässe und Kälte, namentlich 
wo diese gemeinschaftlich auftreten; sie liebt vielmehr 
trockene, warme, sonnige Orte. Die andauernde Ein- 
wirkung von Nässe und Kälte, Zustände, wie sie in 
jenen Theilen Südafrikas herrschen, wo die Regen- 
zeit in die kalte Jahreszeit fällt, bewirkt stets eine 
auffallende Veränderung in der ganzen Verfassung 
der Ziege: das Haar verliert an Glanz, es wird 
struppig, liegt nicht wie gewöhnlich glatt an, das 
lange Haar vereinigt sich zu dichten Strähnen, das 
Thier ist nicht so munter wie bei sonniger, warmer 
Witterung, es mißt ängstlich seine Schritte, als ob 
es der Nasse und Kälte ausweichen wollte, auch stellt 
sich Abmagerung ein, alles Dinge, die auf einen 
Rückgang der Ernährung schließen lassen. Ein wei- 
terer Belag hierfür dürfte der Umstand sein, daß die 
so vernichtend wirkende Räude sich am liebsten zu 
jener Zeit einfindet, dann aber auch am schwersten 
auszurotten ist, wohl deshalb, weil der Körper in 
diesem Zustande in höherem Grade als sonst dazu 
disponirt ist. Daß derartige, in bestimmter Perio- 
dizität wiederkehrende Emwirkungen auf die bußere 
Hülle, das Haar, einen bleibenden Emfluß ausüben 
und eine Veränderung in der Beschaffenheit der 
Qualität im Gefolge haben müssen, dürfte wohl 
einleuchten. Solchen Gegenden gegenüber ist das 
deutsche Schutzgebiet mit seinem kurzen, trockenen, 
verhältnißmäßig warmen Winter, seinen erfrischenden, 
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klassig geltenden 
auf die Ernährung fördernd wirkenden Sommerregen 
entschieden im Vortheil. Wohlgenährt tritt das Thier 
in die trockene Jahreszeit ein, und wenn die Sache 
richtig gehandhabt wird, d. h. zur rechten Zeit und 
nur einmal im Jahr lammen lassen, nicht zu jung 
und nicht zu alt, dann fällt es nicht schwer, die 
Heerde während der trockenen Zeit in gutem Zustande 
zu erhalten. Weide und Klima ergänzen sich hier 
also auf das Vortheilhafteste, und wird man wohl 
die Grenze des Thatsächlichen nicht überschreiten, wenn 
man annimmt, daß das hier aus gutem Zucht- 
material erzeugte Mohair anderen als erst- 
Erzeugnissen in nichts 
nachstehen wird. 
Wenngleich nun die Aussichten für Angoraziegen- 
zucht hier die denkbar günstigsten sind, so wäre es 
doch verkehrt, die Augen vor Dingen zu schließen, 
die geeignet sind, die Produktion eines weltmarkt- 
fähigen Mohairs nachtheilig zu beeinflussen. Sich 
hierüber bei Zeiten klar zu werden, ist eine dringende 
Nothwendigkeit., denn mit der Beschickung eines 
Marktes von Bedeutung mit dem hiesigen Produkt 
tritt das Schutzgebiet als Produzent in die Reihe 
der Konkurrenten, ein Schritt, mit dem der gewissen- 
hafte Einzelproduzent die Pflicht und die Verant- 
wortung dafür übernimmt, daß sich das Produkt im 
Konkurrenzkampf nicht allein behauptet, sondern die 
Stelle erhält, die ihm auf Grund der dem Produ- 
zenten zu Gebote stehenden günstigen Produktions= 
verhältnisse zukommt. Und weil der Deutsche im 
wirthschaftlichen Getriebe als ein Agens gilt, dem die 
Qualitäten und Fähigkeiten zu hohen und höchsten 
Leistungen innewohnen, so muß es Jeder, der indi- 
viduelle Farmer sowohl wie die Gesellschaft, als eine 
Ehrenpflicht betrachten, gleich von vornherein das 
Beste zu liefern, was sich unter den bestehenden 
Umständen liefern läßt. — Vielfach besteht die Un- 
sitte, weiße Afrikanerziegen mit Angoras zu kreuzen: 
nichts ist verwerflicher als das, denn wir werden 
aus Bastardproduktionen niemals herauskommen, ja 
wir werden später, wenn wir das Irrige unseres 
Beginnens begriffen, nur mit größter Mühe den 
Stempel der Minderwerthigkeit entfernen können, 
den Vorurtheil und Konkurrenzneid selbst dem besten 
Produkt aufgedrückt haben oder doch aufzudrücken 
bestrebt sind! Zweifellos befindet sich unter dem 
jetzigen Angoraziegenbestand des Schutzgebietes werth- 
volles Material, Vermehrung des Bestandes durch 
frische Nachschübe jedoch, sowie eine weitere Ver- 
breitung unter den Farmern sind unerläßlich. Und 
so ist denn der Schritt, den die hiesige Regierung 
zur Beschaffung weiteren guten Zuchtmaterials aus 
bester kapländischer Quelle unternommen, nicht hoch 
genug anzuschlagen; ja die in dieser Richtung er- 
grissene Initiative tritt erst dann ums rechte Licht, 
wenn man der Schwierigkeiten gedenkt, die sich der 
Beschaffung auf privatem Wege entgegenstellen. 
Den weniger Kapitalkräftigen, unter denen es an 
Leuten voll Energie, Verständniß und gutem Willen
	        
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