Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVI. Jahrgang, 1905. (16)

d. h. kleine weiße und rote Perlen, legt ihr zwischen 
beide Hände zwei neue Pfeifen und zwei Stäbe 
Tabak zum Rauchen auf der anderen Seite des salo- 
monefischen Acheron; auch zwei allerprächtigste Jams 
legt er zu beiden Seiten, zum Gastmahl drüben. 
Run hüllt er das Ganze in eine weiße, mittels einer 
Schlingpflanze zusammengehaltene Decke. Damit ist 
die Toilette des Verstorbenen fertig. 
Nun zur Beerdigung. Aller Augen sind auf 
die kleine Offnung gerichtet, welche der königlichen 
Hütte als Türe und Rauchfang dient; die Krieger 
sind aufgestellt. Von seinen vornehmsten Unter- 
tanen getragen, erscheint die Leiche Kapitius. Ein 
Träger stößt einen Schrei aus: das ist das Signal 
zum Wehklagen; aus tausend Kehlen erschallt 
schauriges, an den Bergen wiederhallendes Jammer- 
geschrei. 
Der Zug setzt sich in Gang; einer der Nach- 
barhäuptlinge, die Streitaxt auf der Schulter, 
schreitet an der Spitze; ihm folgt die Leiche, ge- 
tragen von 15 in gebückter Haltung voranschreiten- 
den Männern, die die üblichen Schreie ausstoßen. 
Die Leiche hült einen Augenblick, vor der Hütte des 
Ulingsten Sohnes des Verstorbenen. Weiter geht der 
ug. Die Verwandten kommen, die sterblichen 
berreste ihres Oberhauptes ein letztesmal zu be- 
rühren, während die Kinder unter der Leiche durch- 
schlüpfen. Nach einem letzten Besuch bel der Hütte 
des ältesien Sohnes, einem Aufenthalt bei der Luma 
große, als Herberge für Reisende und Schutzdach 
für Kähne dienende Hütte) trägt man dann die 
Leiche auf den großen Stein am Eingange des 
Dorfes. 
Dort nähert sich der Teufelspriester, berührt die 
Leiche und, sich leicht bückend, spricht er leise einige 
orte, die in aller Stille angehört werden: „Großer 
Häuptling,“ so lauten ungefähr seine Worte, „du 
bist tot; dein Geist bleibe bei uns und gebe uns 
fruchtbare Pflanzungen!“ 
Unterdessen spielen sich am Meeresufer zwei 
orgänge ab, die tragisch wirken könnten, so aber 
nur einen komischen Verlauf nehmen. 
Zum Ausdruck ihres tiefen Seelenschmerzes und 
zum Zeichen für alle Anwesenden, daß sie ihre 
Trauer nicht überleben können, gehen der älteste 
Sohn und eine der beiden Frauen des Verstorbenen 
ins Meer mit dem schelnbaren Vorsatz, zu sterben. 
Sobald dies bemerkt wird (die Sterbenslustigen 
sorgen dafür, daß ihre Bewegungen vor aller Augen 
geschehen), laufen Männer und Frauen den Ver- 
zwelfelnden nach und bringen sie ohne große Mühe 
r#/ Dorf zurück. Wir waren über die Natur dieses 
organges berichtet worden und empfanden daher 
enig Aufregung. 
Ha Die Beerdigungsfeier geht zu Ende. Der große 
8 uptling hat ein letztesmal alle Orte besucht, wo 
sa zu verweilen pflegte; den letzten Abschied von 
nen Verwandten und Kriegern genommen. Im 
aufschritt wird nun seine Leiche in den Kahn ge- 
303 
  
bracht, der sie ins Meer versenken wird, denn für 
den Häuptling, wie für jeden gemeinen Küsten- 
bewohner dieser Inselgruppe ist der Ozean die 
Grabstätte. 
Schon im Kahne llegend, muß er vor seiner 
Ozeanreise noch die Vertrauensmittellungen der Alten 
anhören. Die Häuptlinge und die Altesten kommen 
der Relhe nach, neigen sich zu seinem Ohr, bitten 
ihn im Flüsterton um reichliche Ernte und trennen 
mit scharfem Steine eine Haarlocke von seinem 
Haupte ab. Diese Locke wird in einer kleinen 
Tasche aufbewahrt als ein Pfand des Schutzes, 
welchen Kapitiu seinen ehemaligen Untertanen ge- 
währt. 
Zwei schwere Steine haben im Kahn Platz ge- 
funden. An den Knieen des Verstorbenen befestigt, 
werden sie die Leiche in die Tiefe ziehen und ein 
Anschwemmen ans Ufer, wo sie von Hunden und 
Schweinen verunehrt würde, verhindern. 
Der Kahn wird gehoben; abermals wollen der 
älteste Sohn und die Frauen des großen Häupt- 
lings sich ins Meer stürzen, werden aber mit ge- 
ringer Anstrengung zurückgehalten und der Kahn 
entfernt sich. Ein Krieger springt ins Wasser, er 
will sterben mit seinem Häuptling; ungefähr zehn 
Männer springen ihm nach und bringen ihn ans 
Ufer zurück. Einige Minuten nachher hören wir 
ein dumpfes Geräusch; es ist die ins Wasser fallende 
Leiche; sie geht unter, und der Ozean schließt sich 
über dlesem Manne, der ehemals einen Tell dieser 
Insel zittern machte. Auf die Beerdigung folgt das 
Gastmahl. Zahlreiche, auf glühenden Stelnen mit 
Jams gebratene Schweine werden vorgelegt. Einige 
Wilde ziehen es vor, ihre Nahrung in ruhiger Ein- 
samkeit zu genießen; sie ziehen den Fluß entlang 
und heizen dort ihre Ofen. Es herrscht größte 
Ruhe; kein Mißton, kein Wortwechsel. Die Krieger 
haben ihre Lanzen und Streitäxte abgelegt. Nie- 
mand stellt die berüchtigte Frage: Wer hat den 
großen Häuptling getöteto? Ohne Zwelifel ist diese 
Ruhe die Folge des Einflusses der Religion auf die 
noch vor kurzem so wilden Naturen. Hätten wir 
nur dieses erreicht, wir wären genügend belohnt für 
unsere Bemühungen. 
Nach dem Glauben der Eingeborenen ruhet 
Kapitiu in der Tiefe des Meeres an dem Tage# 
seiner Beerdigung von den Anstrengungen eines 
langen Fastens aus. Aber morgen schon wird seine 
Seele mächtig sein; als großer Häuptling wird er 
Platz nehmen in den Reihen der Geister-Schutzgötter 
des Stammes. Um dessen Macht zu erproben und 
zugleich seine Einreihung in die Zahl der Götter zu 
feiern, rusen ihn die Eingeborenen am Tage nach 
der Beerdigung an in einer Zeremonie, die sie 
Juasua Koko nennen. -
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.