Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVI. Jahrgang, 1905. (16)

Riet, Schilf und Papyrus füllen das allerdings 
immer noch sehr tiese Flußbelt aus und lassen nur 
eine schmale Fahrrinne ofsen. Mit einer Strom- 
geschwindigkeit, die ich bei Tsau auf etwa 40 cm 
in der Minute schätze, führt der lebensmüde Strom 
seine Wasser dem Ngami zu. 
In verschiedenen Armen sucht er diese ungeheuere 
Senkung zu erreichen, doch seine Lebenskraft reicht 
nicht mehr dozu aus, bis zur Senkung zu gelangen. 
Etwa 15 km nördlich des alten Seeufers verliert 
der Strom sich im Sande. Deutlich konnte ich dieses 
bei dem Ritte von Maschabing nach Tsau beobachten. 
Von Maschabing, einer Sandpfütze im trockenen Oka- 
vangobette, geht der Weg hauptsächlich am trockenen 
Flußbette entlang, bis plötzlich der Fluß offenes, 
etwa 80 m breites ununterbrochenes, wohl 1 bis 2 m 
tiefes Wasser zeigt. « 
Aus den Sümpfen des Okavango zweigt sich ein 
großer Arm östlich ab und geht in den Tamlakan, 
der südlich fließend in den Botletle geht. 
In den Ngami--See gelangt das Wasser des 
Okavango augenblicklich nur durch den Botletle. 
Denn wenn der Tamlakan die Wassermassen des nach 
der Regenzeit stelgenden Okavango dem Botletle zu- 
führt, sließt ein Teil im Botletle östlich in die 
Makariharl-Salzpfanne, ein Teil westlich in den 
Agami-See. 
Der Ngami-See#) selbst ist zum großen Teil elne 
ungeheuere Schilf-Vley, deren Mitte Sumpf ist, mit 
einigen Stellen offenen Wassers. Ich traf den west- 
lichen Tell, an dem ich stundenlang vorbetritt, trocken, 
mit Schilf bewachsen an, der östliche Teil, wohl am 
tiefsten gelegen, soll noch eine große offene, allerdings 
wenig tiefe Wasserfläche zeigen. 
Der Ngami ist ein im Austrocknen begriffener 
See. Nach Erzählungen soll er noch im Jahre 1885 
ein offenes Meer mit brandenden Wellen gewesen 
sein. Die Arme des Okavango flossen als rauschende 
Ströme in ihn. 
Das Zuwachsen dieses Stromes ist wohl der 
Hauptgrund für das Austrocknen des großen Binnen- 
meeres; leider ist dieser Prozeß außerordentlich schnell 
vor sich gegangen. 
Der südliche Teil des NRgami-Distriktes ist Kron- 
land, der nördliche Teil, vom 21. Breitengrad an 
bildet das Reservat Sechomes, eines Betschuana- 
häuptlings. Der Distrikt gehört zum Betchuanaland- 
Protektorate, dessen Sitz Mofeking ist. Dem Pro- 
tektorat stehen zur Verwaltung des ganzen hauptsächlich 
aus Kalahart bestehenden Landes eine Polizeitruppe 
von 10 Offizieren, 36 weißen Unteroffizieren und 
etwa 160 Basutos zur Verfügung. Offiziere stehen 
den Distrikten vor. Im Ngamiland ist der Distrikts- 
(= Magistrats) Sitz Tsau. Tsau ist eine echt afri- 
kantsche Negerstadt mit etwa 5000 Einwohnern. 
Die eben genannten Polizelmannschaften sind 
jedoch nicht die einzigen Machtmittel, die der eng- 
  
*) Lgl. beiliegende Skizze. 
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lischen Regierung zur Verfügung stehen. Die Bet- 
schuanaland-Regierung kann auch sofort über Truppen, 
die an der Rhodesiabahn, vor allen aber in Mafeking 
stehen, versügen. 
Bewohnt ist der südliche Teil des Ngamilandes 
von Buschleuten und infolge des Aufstandes von 
Hereros. An Weißen sind nur 2 Buren da. 
Großen Wert hat dieser Tell des Ngamilandes 
nicht, infolge der Wasserarmut. Allerdings sollen 
die Pfannen bis 1899 noch Teiche und kleine Seen 
gewesen sein. Seitdem ist das Wasser so weit zurück- 
gegangen, daß man stellenweise nur 10 Pferde 
tränken kann. 
Der nördliche Tell ist das Reservat Sechomes 
und wird bewohnt von Betschuanas als Herrn des 
Landes, und Makobas, einem Bantustamm, der zu 
den Betschuanas in demselben Sklavenverhältnis steht, 
wie früher die Bergdamaras zu den Hereros. 
Das Reservat Sechomes ist sehr groß; nördlich 
reicht es bis an den „Caprivi-Zipfel“, westlich an 
unser Schutzgebiet, südlich bis an den 21. Breiten- 
grad, östlich bis 200 km westlich Tsau. Es ist 
also etwa 100 000 qkm groß. Die Grenzen find 
genau festgelegt. Ein Grenzstein etwa 10 km nörd- 
ech Kuki z. B. zeigt an, daß man das Reich Sechomes 
etritt. 
Das Gebiet des Okavango ist außerordentlich 
fruchtbar. Baumriesen mit ewig grünendem Laub, 
Palmen, Palmengestrüpp zeigen, daß man sich im 
tropischen Afrika befindet. Große Felder, welche sich 
am Strom meilenweit entlang ziehen, liefern den 
Betschuanas Mais, Koffernkorn und Tabak. Reisban 
ist ohne Frage möglich. Die Felder sind so angelegt, 
daß der in der Trockenzeit steigende Strom sie von 
selbst unter Wasser setzt. Der Viehreichtum ist groß, 
das Rind so billig, wie bei uns in Südwestafrika 
vor dem Hereroaufstande. Pferde haben die Bet- 
schuanas nicht allzuviel, da die Sterbe sehr scharf 
auftritt. Der Preis elines „gesalzenen" Pferdes 
beträgt 1200 bis 2000 Mk. 
In seinem Reservat herrscht Sechome als un- 
beschränkter Gebieter. Händler, die einen Store 
errichten wollen, müssen zuerst seine Erlaubnis ein- 
holen. Einen Waffenschein braucht der Betschnane 
nicht zu lösen, während der Weiße jährlich 10 Schilling 
bezahlen muß. Während der Weiße ohne Jagdschein 
(240 Mk. für 7 Monate) Großwild nicht schießen 
darf und auch mit Jagdschein überhaupt nicht Ele- 
fanten, Glraffen und Elen, schießt der Betschuane 
in seinem Lande ohne Jagdschein alles Wild. Wohl 
über 150 Giraffenhäute sah ich in den drei Stores 
von Tsau. Als Unikum, wie sehr Sechome noch 
Selbstherrscher ist, möchte ich erwähnen, daß er die 
vom Magistrat gewünschte Verlegung eines Weges 
nicht genehmigte, weil der neue Weg durch eine 
sehr wildreiche Gegend führe und ihm sein Wild 
verscheuche. . 
Die Polizeistationen sind anscheinend dazu da, 
die Weißen hinsichtlich des Munitlonshandels und
	        
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