Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVI. Jahrgang, 1905. (16)

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jetzt noch die Stelle des höchsten Samoanerhäupt- 
lings bekleidet, was auch sein Titel „O le Alil Sili“ 
ganz und genau ausspricht. Man kann Mataafa in 
seinem Amte auch als Vermittler zwischen der Re- 
gierung und dem somoanischen Volke ansehen. Es 
ist dies eine Stelle, auf welcher elne nicht geringe 
Veranwortlichkeit lastet, und deren Ausübung viel 
Klugheit und Gewissenhaftigkeit erfordert. Könnte 
Mataafa seinem Herzenswunsche folgen, so würde 
er wohl am liebsten sich allen Amtern und Sorgen 
entziehen und in Ruhe und Frlede, als Privatmann 
in seinem schön gelegenen Heimatdorfe Amaile die 
letzten Lebensjahre verbringen, von seinen Angehörigen 
umgeben und gepflegt. An dem Orte, wo seine 
Eltern und Ahnen gelebt, wo sie auch ihre letzte 
Ruhestätte fanden, — da wo er ihnen vor einigen 
Jahren so würdige und vielverehrte Grabdenkmöler 
errichten ließ, würde auch er sich glücklich und 
helmisch sühlen. Aber die Stimme seines Volkes 
hat es anders gewollt, und stets opferfreudig für 
seln Volk, ergab sich Mataafa dessen Willen. Seines 
Amtes wegen hält er sich meist auf der westlich von 
Apia gelegenen Halbinsel Mulinuu auf. Dort be- 
sitzt er ein hübsches Samoanerhaus, das durch Bau 
und Schmuck sich vor anderen auszeichnet und so- 
gleich auf einen hohen Insassen schließen läßt. Da- 
selbst sind noch etwa 50 andere Samoanerhütten, in 
denen die verschiedenen stellvertretenden Häuptlinge 
und Ratsherren wohnen, wodurch Mulinun aus- 
schließlich der Sitz der samoanischen Regierung ge- 
worden ist. Um aber für die traute Stätte seiner 
Heimat und seiner Ahnen einen Ersatz zu finden, 
ließ sich Mataafa im vergangenen Jahre auf seinem 
Landgute am Fuße des Berges Folau ein schmuckes 
Bretterhaus erbauen, das ich eine Villa nennen 
möchte, wozu mich die herrliche Lage und die Aus- 
stattung des Hauses vollauf berechtigen. 
Es war in den Tagen des vergangenen Welh- 
nachtsfestes. Eine große Anzahl Gäste, die meisten 
Regierungsbeamten und auch andere Herren und 
Damen hatten sich dort eingefunden. Mataafa hatte 
nämlich, sobald das Haus fertig war, ein Fest ver- 
anstaltet, um das glückliche Ereignis freudig zu be- 
gehen. Das Fest war auch ein ganz gelungenes, 
und ganz befriedigt zogen die Gäste nach Hause. 
Elnige Erholungstage hatten meine Mitbrüder und 
mich auf einen anderen Ausflug gelockt, und Mataafas 
Villa war uns infolgedessen immer noch unbekannt. 
Daher benutzten wir eine spätere Gelegenheit, um 
dahin einen Spoziergang zu machen. Auf der breiten, 
schön angelegten Landstraße schritten wir rüstig 
voran. Wir kamen an einigen Samoanerdörfern 
vorbei. Uberall herrschte buntes Leben, denn viele 
auswärts wohnende Leute waren für die hohen Fest- 
tage nach der Stadt gekommen. In einem Dorfe 
wurde unter vielem Lärmen und Lachen Kricket ge- 
spielt, eine Belustigung, die bei den Samoanern in 
letzter Zeit sehr in Aufnahme kommt. Doch wie 
bei den meisten sonstigen Spielen geht es auch bei 
diesem nicht ohne Geldverschwendung ab, und manch- 
  
mal auch nicht ohne Prügel. Die Besiegten müssen 
am Ende eln allgemeines Festessen bezahlen, und 
da die Zahl der Beteiligten oft bis auf fünfzig und 
hundert wächst, die auch den daheimgebliebenen 
Alten etwas vom Feste mitbringen wollen, so läßt 
sich leicht denken, welche Summen bei solchen Anlässen 
ausgegeben werden. In Lotopa zweigte sich die 
Straße ab und führte uns an vlelen neuen Häusern 
und Pflanzungen vorbei, die besser als Worte vom 
Wachstum und Fortschritt dieser jungen Kolonie 
Zeugnis ablegen. Wer während eines Jahres eine 
der umliegenden Ortschaften von Apia nicht mehr 
betreten hat, ist bel einem neuen Besuche höchst 
erstaunt über das, was deutscher Fleiß und deutsche 
Tätigkelt hier vollbracht haben. —. Immer näher 
rückte der Kegelkopf des Folau, d. l. Wanderberg, 
denn wie die Sage erzählt, kam dieser Berg einst 
von Savali nach Upolu herüber. Nun erblickten 
wir schon das stattliche Haus, das in ziemlicher 
Höhe am Abhange des Berges liegt. Am Fuße des 
Folau angelangt, fanden wir zuerst ein Samoaner= 
haus, wo sich die Dienerschaft und die Feldarbeiter 
des hohen Häuptlings aufhalten. Von da führt 
eine breite Straße hinan. Noch einige Minuten, 
und wir standen vor Mataafa. Mit seinem stets 
freundlichen Lächeln kam er uns entgegen und führte 
uns in das Haus. Es scheint mehrere Zimmer zu 
bergen, dazu einen geräumigen, schönen Empfangs- 
saal; hübsche Veranden umziehen es ringsum. Im 
Empfangssaale bemerkten wir als Zierde ein schönes 
Kreuz, ein großes Porträt des deutschen Kaiser- 
paares, ein Bild des hl. Vaters und eine gut ge- 
lungene Photographle des hiesigen Gouverneurs 
Dr. Solf. 
Wir zogen es vor, uns auf der großen Veranda 
aufzuhalten, um uns an der entzückenden Aussicht 
zu erfreuen. Fürwahr ein allerliebster Aufenthalt! 
Soweit das Auge reicht, sieht es das blaue, ewig 
schöne Meer. Gewaltig brechen sich die Wellen an 
den Korallenriffen, welche die Insel umgeben, und 
stürzen sich immer wieder schäumend und brandend 
über die Korallenfelsen hinweg. Zu unsern Füßen 
breitet sich das herrliche Landschaftsbild aus: Palmen- 
haine, zahlreiche Pflanzungsstätten aller Art, dazwischen 
wie hingesät verelnzelte Samoanerhütten und zuweilen 
auch ganze Dörser. Leicht zu erkennen sind die 
Häuser der weißen Pflanzer. Die bläulich-weißen 
Wellblechdächer stechen scharf und grell aus der 
üppig grünen Pflanzenwelt hervor. Schön war auch 
der Blick auf Mulinuu und auf die Valufu-Bai. 
Wir unterhielten uns in ganz ungezwungener 
Weise mit dem verehrten Greise, der durch seine 
Einfachheit und Güte bei jedem Besucher Zutrauen 
und Liebe erweckt. Gern tranken wir eine Tasse 
Kava, der uns besser schmeckte als je zuvor, denn 
der Marsch hatte uns erhitzt, und der Durst quälte 
uns. Eine Stunde ging vorüber, und wir schieden 
von Mataafa. Aber die Erinnerung an diesen Be- 
such wird uns bleibeen. · E 
s
	        
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