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jetzt noch die Stelle des höchsten Samoanerhäupt-
lings bekleidet, was auch sein Titel „O le Alil Sili“
ganz und genau ausspricht. Man kann Mataafa in
seinem Amte auch als Vermittler zwischen der Re-
gierung und dem somoanischen Volke ansehen. Es
ist dies eine Stelle, auf welcher elne nicht geringe
Veranwortlichkeit lastet, und deren Ausübung viel
Klugheit und Gewissenhaftigkeit erfordert. Könnte
Mataafa seinem Herzenswunsche folgen, so würde
er wohl am liebsten sich allen Amtern und Sorgen
entziehen und in Ruhe und Frlede, als Privatmann
in seinem schön gelegenen Heimatdorfe Amaile die
letzten Lebensjahre verbringen, von seinen Angehörigen
umgeben und gepflegt. An dem Orte, wo seine
Eltern und Ahnen gelebt, wo sie auch ihre letzte
Ruhestätte fanden, — da wo er ihnen vor einigen
Jahren so würdige und vielverehrte Grabdenkmöler
errichten ließ, würde auch er sich glücklich und
helmisch sühlen. Aber die Stimme seines Volkes
hat es anders gewollt, und stets opferfreudig für
seln Volk, ergab sich Mataafa dessen Willen. Seines
Amtes wegen hält er sich meist auf der westlich von
Apia gelegenen Halbinsel Mulinuu auf. Dort be-
sitzt er ein hübsches Samoanerhaus, das durch Bau
und Schmuck sich vor anderen auszeichnet und so-
gleich auf einen hohen Insassen schließen läßt. Da-
selbst sind noch etwa 50 andere Samoanerhütten, in
denen die verschiedenen stellvertretenden Häuptlinge
und Ratsherren wohnen, wodurch Mulinun aus-
schließlich der Sitz der samoanischen Regierung ge-
worden ist. Um aber für die traute Stätte seiner
Heimat und seiner Ahnen einen Ersatz zu finden,
ließ sich Mataafa im vergangenen Jahre auf seinem
Landgute am Fuße des Berges Folau ein schmuckes
Bretterhaus erbauen, das ich eine Villa nennen
möchte, wozu mich die herrliche Lage und die Aus-
stattung des Hauses vollauf berechtigen.
Es war in den Tagen des vergangenen Welh-
nachtsfestes. Eine große Anzahl Gäste, die meisten
Regierungsbeamten und auch andere Herren und
Damen hatten sich dort eingefunden. Mataafa hatte
nämlich, sobald das Haus fertig war, ein Fest ver-
anstaltet, um das glückliche Ereignis freudig zu be-
gehen. Das Fest war auch ein ganz gelungenes,
und ganz befriedigt zogen die Gäste nach Hause.
Elnige Erholungstage hatten meine Mitbrüder und
mich auf einen anderen Ausflug gelockt, und Mataafas
Villa war uns infolgedessen immer noch unbekannt.
Daher benutzten wir eine spätere Gelegenheit, um
dahin einen Spoziergang zu machen. Auf der breiten,
schön angelegten Landstraße schritten wir rüstig
voran. Wir kamen an einigen Samoanerdörfern
vorbei. Uberall herrschte buntes Leben, denn viele
auswärts wohnende Leute waren für die hohen Fest-
tage nach der Stadt gekommen. In einem Dorfe
wurde unter vielem Lärmen und Lachen Kricket ge-
spielt, eine Belustigung, die bei den Samoanern in
letzter Zeit sehr in Aufnahme kommt. Doch wie
bei den meisten sonstigen Spielen geht es auch bei
diesem nicht ohne Geldverschwendung ab, und manch-
mal auch nicht ohne Prügel. Die Besiegten müssen
am Ende eln allgemeines Festessen bezahlen, und
da die Zahl der Beteiligten oft bis auf fünfzig und
hundert wächst, die auch den daheimgebliebenen
Alten etwas vom Feste mitbringen wollen, so läßt
sich leicht denken, welche Summen bei solchen Anlässen
ausgegeben werden. In Lotopa zweigte sich die
Straße ab und führte uns an vlelen neuen Häusern
und Pflanzungen vorbei, die besser als Worte vom
Wachstum und Fortschritt dieser jungen Kolonie
Zeugnis ablegen. Wer während eines Jahres eine
der umliegenden Ortschaften von Apia nicht mehr
betreten hat, ist bel einem neuen Besuche höchst
erstaunt über das, was deutscher Fleiß und deutsche
Tätigkelt hier vollbracht haben. —. Immer näher
rückte der Kegelkopf des Folau, d. l. Wanderberg,
denn wie die Sage erzählt, kam dieser Berg einst
von Savali nach Upolu herüber. Nun erblickten
wir schon das stattliche Haus, das in ziemlicher
Höhe am Abhange des Berges liegt. Am Fuße des
Folau angelangt, fanden wir zuerst ein Samoaner=
haus, wo sich die Dienerschaft und die Feldarbeiter
des hohen Häuptlings aufhalten. Von da führt
eine breite Straße hinan. Noch einige Minuten,
und wir standen vor Mataafa. Mit seinem stets
freundlichen Lächeln kam er uns entgegen und führte
uns in das Haus. Es scheint mehrere Zimmer zu
bergen, dazu einen geräumigen, schönen Empfangs-
saal; hübsche Veranden umziehen es ringsum. Im
Empfangssaale bemerkten wir als Zierde ein schönes
Kreuz, ein großes Porträt des deutschen Kaiser-
paares, ein Bild des hl. Vaters und eine gut ge-
lungene Photographle des hiesigen Gouverneurs
Dr. Solf.
Wir zogen es vor, uns auf der großen Veranda
aufzuhalten, um uns an der entzückenden Aussicht
zu erfreuen. Fürwahr ein allerliebster Aufenthalt!
Soweit das Auge reicht, sieht es das blaue, ewig
schöne Meer. Gewaltig brechen sich die Wellen an
den Korallenriffen, welche die Insel umgeben, und
stürzen sich immer wieder schäumend und brandend
über die Korallenfelsen hinweg. Zu unsern Füßen
breitet sich das herrliche Landschaftsbild aus: Palmen-
haine, zahlreiche Pflanzungsstätten aller Art, dazwischen
wie hingesät verelnzelte Samoanerhütten und zuweilen
auch ganze Dörser. Leicht zu erkennen sind die
Häuser der weißen Pflanzer. Die bläulich-weißen
Wellblechdächer stechen scharf und grell aus der
üppig grünen Pflanzenwelt hervor. Schön war auch
der Blick auf Mulinuu und auf die Valufu-Bai.
Wir unterhielten uns in ganz ungezwungener
Weise mit dem verehrten Greise, der durch seine
Einfachheit und Güte bei jedem Besucher Zutrauen
und Liebe erweckt. Gern tranken wir eine Tasse
Kava, der uns besser schmeckte als je zuvor, denn
der Marsch hatte uns erhitzt, und der Durst quälte
uns. Eine Stunde ging vorüber, und wir schieden
von Mataafa. Aber die Erinnerung an diesen Be-
such wird uns bleibeen. · E
s