Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

Die Aussichten für dieses Jahr sind ebenfalls 
günstig. Die Baumwollernte ist befriedigend aus- 
gesallen, wenn ihr Ertrag auch wegen ungenügender 
Niederschläge etwa um 15 v. H. niedriger sein wird 
als im Vorjahre. Die Baumwolle ist zwar teurer 
geworden, anderselts sind aber die Preise für 
Garn und Gewebe gestiegen, und die Fabriken haben 
zeitig zu niedrigen Preisen Baumwolle gekauft, so 
doß sie durch die jetzigen höheren Preise nur wenig 
geschädigt werden. Die Nachfrage nach Garn sowohl 
als nach Geweben ist andauernd groß, und manche 
Fabriken haben schon jetzt ihre ganze Produktion 
bis Ende des Jahres verkauft. Die Ausfuhr von 
Garn nach China verspricht gut und gewinnbringend 
zu werden. 
Infolge dleser günstigen Lage nimmt die Fa- 
brikatlon zu. In Bombay und Ahmedabad werden 
12 000 neue Webstühle aufgestellt werden, von 
denen die meisten voraussichtlich Ende dieses Johres 
in Betrieb gesetzt werden. Außerdem ist die Er- 
richtung einiger neuer Fabriken in Ahmedabad, Puna, 
Sholapur und Rolhapur geplant, und es haben sich 
hierfür Aktiengesellschaften gebildet. 
  
Die Behandlung und Besteuerung der Eingeborenen 
auf den Fidschl-Inseln. 
Bei der Einrichtung der englischen Verwaltung 
im Jahre 1875 wurden die Wohnsite aller Stämme, 
welche vorher demselben Oberhäuptling oder „Roko“ 
unterstanden hatten, zu einer Provinz vereinigt, zu 
deren Leiter der bisherige Oberhäuptling als „Roko 
der Provinz“ ernannt wurde. Dem Roko wurden 
die Häuptlinge der einzelnen Stämme, die soge- 
nannten „Buli“, als Bezirksleiter unterstellt. Auf 
diese Weise wurden an der Küste 12 Provinzen mit 
je einem Roko an der Snpitze eingerichtet. Im 
gebirgigen Innern des Landes, wo klelne kriegerische 
Stämme in fortwährender Fehde miteinander leben, 
ernannte man für jeden Distrikt einen besonderen 
europäischen Bezirksleiter. 
Dieses System besteht im wesentlichen noch jetzt, 
nur hat man aus den Distrikten im Innern drei Pro- 
vinzen unter europäischen Leitern gebildet und die 
Küstenprovinzen durch Tellung um zwei vermehrt, 
so daß die Zohl der Provinzen jetzt 17 beträgt. 
Die früher schrankenlose Gewalt der angestammten 
Häuptlinge hat man seither durch mannigfache Ein- 
geborenenverordnungen beschränkt. Der Erfolg dieser 
Verordnungen hängt davon ab, ob man sie „durch 
die Häuptlinge und im Interesse der Häuptlinge“, 
oder „durch die Häuptlinge und im Interesse des 
Volkes“ ausflhren lassen will. Der erstere Weg 
entspricht mehr den überlieferten Anschauungen der 
Inselbewohner, und ist bequemer und vorteilhafter, 
well er Reibungen vermeidet und der Regierung die 
Anhänglichkeit der meisten Häuptlinge sichert. Trotz- 
dem wird man, um die Entwicklung und Wohlfahrt 
  
206 — 
der Eingeborenen zu fördern, den zweiten Weg be- 
schreiten müssen. » 
Die Besoldung der eingeborenen Beamten ist 
nicht glänzend. Die Buli bekommen, obwohl sie 
die wichtigsten Personen des ganzen Verwaltungs- 
systems stnd und viele Geschäfte zu erledigen haben, 
10, 5 oder 3 K jährlich, je nachdem sie Buli erster, 
zweiter oder dritter Klasse sind. Die Provinzial- 
beamten erhalten 12—20 K, die eingeborenen Polizei- 
richter durchschnutlich 15 L jährlich. Dabel sind 
diese Beamten durch ihre dienstliche Tätigkeit so sehr 
in Anspruch genommen, daß sie für die ihnen sonsft 
obliegenden Arbeiten, besonders die Unterhaltung 
ihrer Gärten, keine Zeit haben. Da sfie sich bei dem 
geringen Gehalt auch keine Arbelter mieten können, 
sind sie darauf angewiesen, daß die Eingeborenen, 
der alten „Lala“-Sitte entsprechend, ihnen un- 
entgeltlich diese Arbeiten verrichten. Da anderseits 
die Häuptlinge mit dem Recht auf „Lala“ vielfach 
Mißbrauch getrieben haben, sind durch eine Ver- 
ordnung als zu leistende Arbeiten folgende bestimmt 
worden: Hausbau, Gartenunterhaltung, Wegebau, 
Fremdenführung, Kanoebau, Schildkrötenfang, Post- 
besorgung und die Verpflichtung, die Regierungs- 
beamten und deren Boten durchs Wasser zu tragen. 
Der Lalapflichtige muß für die Dienste in bar oder 
in Nahrungsmitteln entschädigt werden, soweit das 
im einzelnen Falle üblich sein sollte; er ist nicht 
verpflichtet, sie für einen Europäer unentgeltlich zu 
leisten. 
Leider trelben noch jetzt manche Häuptlinge da- 
durch Mißbrauch, daß sie die Bestimmung einer 
anderen Verordnung: „die Eingeborenen sollen nach 
ihrem Herkommen ihren Häuptlingen und Beamten 
in allen Dingen gehorchen“, dazu benutzen, um un- 
gemessene Dienste zu beanspruchen. · 
Fast überall herrscht unter den Eingeborenen, 
ihrer fortschreitenden Aufklärung entsprechend, eine 
wachsende Mißstimmung gegen die Lala-Stute. Sie 
bezeichnen es als besonders drückend, daß sie den 
Häuptlingen Gärten unterhalten, Häuser bauen, 
Geld und Nahrungsmittel geben, für sie Wege 
bauen und fischen, ihnen Botendienste leisten und 
ihre Boote jederzeit frei zur Verfügung stellen müssen. 
Die Mißstimmung wird dadurch vergrößert, daß die 
Eingeborenen Vergleiche zwischen ihrer Lage und der 
der immer mehr einwandernden Inder und Poly- 
nesier ziehen. Diese Farbigen, die schon fast ein 
Fünftel der Bevölkerung der Fidschtinseln aus- 
machen, sind von Handdiensten und einer Kopfsteuer 
in Flji ebenso befreit wie die Weißen und können 
gehen und kommen, woher und wohin sie wollen. 
Leider sind es hauptsächlich die jungen Ein- 
geborenen, die sich den schwereren Arbeiten zu ent- 
ziehen suchen. Zu den schweren, aber auch am 
häufigsten vorkommenden Arbeiten gehört der Bau 
des Eingeborenenhauses, das nur eine Dauer von 
4—6 Jahren hat. Die älteren Leute, die eine eigene 
Familie haben, beteiligen sich bereitwillig am Haus-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.