Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

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Das Bedürfnis nach Handwerkerschulen ist 
je länger je stärker hervorgetreten. Wir haben uns 
bemüht, es zu befriedigen. Zu jeder Station ge- 
hören wenigstens 200 Acker Land. Um nun die 
Schüler in den Stand zu setzen, sich später ihren 
Lebensunterhalt ehrlich zu verdienen, werden sie hier 
zu einem Gewerbe angehalten, zu Gärtnerei, Zimmerei 
us. Wenn sie dann in ihr Dorf zurückkehren, 
können sie Häuser bauen, Tische und Stühle her- 
stellen, ihre Kleider sertigen und was sonst zu einem 
kulturell gehobenen Leben nötig ist. 
Die Missionare haben sich lange danach gesehnt, 
eingeborene Hiilfskräfte bei ihrer Tätigkeit zu 
bekommen. Sie haben es erreicht, wenn es auch 
langer Zeit und vieler Gedold bedurste. Nun haben 
sie welche, die ihnen nützlich, ja unentbehrlich geworden 
sind. Vom Garten bis zum Lehrpult findet man 
jetzt junge Leute, welche die ihnen anvertraute 
Stellung gut ausfüllen. Sie besorgen den Einkauf 
und die Vertellung der Eßvorräte, sie unterrichten 
in den Klassen, sie halten die Sonntagsschule. Knaben 
urd junge Burschen, die selbst noch nicht lange die 
Schulbank verlassen haben, können mit solchen Auf- 
gaben betraut werden oder sich um einen Regierungs- 
poften bewerben; andernfalls nehmen sie unter ihres- 
gleichen in den Dörfern eine geachtete Stellung ein. 
So ist die Predigt des Evangeliums weit in die 
afrikanische Welt hineingetragen worden und hat 
hundertfältige Frucht gebracht. Wo vor 10 Jahren 
noch elne heidnische Wildnis war, gibt es jetzt drei 
wohl eingerichtete Kirchengemelnden. Ist die Zahl 
der vollberechtigten Mitglieder auch noch klein 
(30 bis 100), so werden die Versammlungen doch 
regelmäßig von 400 bis 600 Leuten besucht, dazu 
Sonntagsschulen, Katechetenklassen usw. Eine Er- 
weckungsbewegung geht durch die Gemeinden, die 
auch recht opferwillig sind. In Efulen hat das 
Volk die Mittel für eine neue Kirche aufgebracht, 
in Elat desgleichen; an diesem Orte betrug die letzte 
Kollekte über 45 Mark. So werden wir bald drei 
Kirchen haben, die den augenfälligen Beweis für den 
geistlichen und sittlichen Fortschritt der eingeborenen 
Bevölkerung liefern können. 
Es ist auch bereits eine lleine Literatur in der 
Sprache der Eingeborenen geschaffen, um den nächst- 
liegenden Bedürsnissen abzuhelfen. Als die ersten 
Missionare hierher kamen, war noch nicht einmal 
ein Alphabet der Bulusprache aufgestellt. Seit 
den Tagen des Dr. Good ist die letztere aber zur 
Schriftsprache erhoben. Jetzt haben wir Wörterbuch, 
Grammatik, Fibel, Lesebuch; serner ein Gesangbuch 
mit über 100 Liedern. Das Neue Testament ist 
größtentells übersetzt, die Evangelien und die Apostel- 
geschichte liegen bereits gedruckt vor. Die literatur- 
lose Zeit des Bululandes ist also vorüber, und die 
Nachfrage nach Büchern hält mit der Lieserung 
gleichen Schritt. 
So erfüllt uns der Rückblick auf das letzte Jahr- 
zehnt mit Dankbarkeit und Zuversicht. Das nächste 
  
Jahrzehnt wird, wie wir hoffen, mehr von der 
schönen Ernte bringen, deren Erstlingsfrüchte wir 
jetzt sehen dürfen. 
Aus fremden MKolonien und 
Produhktivnsgebieten. 
verwaltungsorganisation des kranzösischen Rongogebiets. 
Die bisher als „possessions du Congo français 
et dépendances“ bezeichneten französischen Kolonien 
haben durch Dekret vom 11. Februar 1906 elne 
grundsätzliche Umgestaltung erfahren. 
Das ganze Geblet untersteht von nun an in 
politischer und administrativer Hinsicht einem 
„commissaire général du gouvernement“ mit 
dem Sitze in Brazzaville. 
Es zerfällt in drei Kolonien: 
a) Gabun mit der Hauptstadt Libreville, 
b) Mittelkongo mit der Hauptstadt Brazzaville, 
e) Ubangl-Scharl-Tschadsee mit der Hauptstadt 
Fort-ide-Possel. 
Die Kolonien unter a und c unterstehen je 
einem „lieutenant-gouverneur", dem je ein 
wconseil d'administration“ beigegeben ist. Die 
Kolonie Mittelkongo untersteht einem „administrateur 
en chef“, dem ebenfalls ein „conseil d’'admi- 
nistration“ beigegeben ist. Das Militärgebict von 
Tschadsee untersteht auch in administrativer Hinsicht 
dem Kommandanten der dort stehenden Truppen; 
er ist abhängig von dem lieutenant-gouverneur 
der Kolonie Ubangl-Schari-Tschadsee. 
Die Abgrenzungen der elnzelnen Kolonien bzw. 
Territorien sind folgende: 
Die am Atlantischen Ozean liegende Koloule 
Gabun ist im Norden begrenzt von Spanisch-Gulnen 
und Kamerun, im Östen durch die Wasserschelde des 
Ogooré bis zum Schnittpunkt dieser Wosserscheide 
mit dem Merldian von Macabana. Dann blldet 
dieser Meridian die Grenze bis zur portugiesischen 
Kolonie. Im Süden bis wieder zum Atlantischen 
Ozean grenzt die portugiesische Kolonie. 
Die Kolonie Mittelkongo schließt sich östlich an 
Gabun und an Kamerun an bis zum 7.5 n. Br., 
welcher sodann die Grenze bildet bis zur Wasser- 
schelde zwischen Scharl und Kongo. Dann bildet 
die Wasserscheide die Grenze bis ausschließlich des 
Flußgebletes des Ombella und der Stadt Bangul. 
Im Süden bildet der Kongostaat die Grenze. 
Das Territorium Ubangi-Schari wird begrenzt 
im Westen durch die Kolonie Mittellongo, im Norden 
durch den 7.5 n. Br. bis zum Schpnittpunkt dieses 
Breitengrades mit der Grenzlinie des Kongobeckens. 
Dann bildet diese Linie die Grenze bis zum Kongo- 
staat, der wiederum im Süden grenzt. 
Das Militärgeblet des Tschadsee endlich umfaßt 
im Norden von Ubangl-Schart sämtliche unter fran- 
zösischem Einflusse stehenden Regionen gemäß den
	        
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