Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVII. Jahrgang, 1906. (17)

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rationen, sie sind 500 Köpfe stark, helraten nie nach 
außen, melst sogar innerhalb der Dorfschaft; im 
ganzen Stamme wurde mir nur ein odoptlertes 
Künd bekannt (Iku) — trotzdem fielen mir noch. 
keine üblen Folgen der Inzucht auf. 
Unter den Kai sind Heiraten mit den Yabim 
häufig, jedoch immer nur in der Weise, daß Kai- 
frauen von Yabimmännern geheiratet werden. 
Die Bewohner der Inseln Siar und Bellao 
(bei Friedrich-Wilhelmshafen) adoptleren Kinder von 
der Raiküste (zwischen Stefansort und Cap Rigny). 
6. Unter den Kai fand ich unter ungefähr 300 
erwachsenen Männern 9, d. i. 3 vH., unter 140 cm 
hoch (bis 133 cm herab). Ich fasse diese Leute 
als Vertreter eines echten Zwergwuchses?) auf und bin 
geneigt, in ihnen den Rest einer jetzt in dem Kai- 
volk ausgegangenen Zwergbevölkerung zu erblicken. 
7. Spuren eines paläolithischen Zeitalters auf 
Neu-Guinea habe ich bisher nicht gefunden. 
8. Zu genauen Arbeiten auf dem Gebiete der 
Sinnesphysiologie war bisher keine Gelegenheit. 
Beim Jagen mit Hilfe von Eingeborenen ge- 
wann ich den Elndruck, daß das raschere Entdecken 
des Wildes, das er anfangs vor dem Europäer 
voraus hat, nur auf einer besseren Kenntnis des 
Aussehens und der Bewegungen der Tiere und auf 
der größeren UÜbung beruht. 
9. Die Ernährung der Papuas ist immer eine 
vorwiegend vegetarische, aber nie eine rein vege- 
tarische. Sie besteht der Hauptsache nach aus 
kartoffelartigen Knollenfrüchten: Dums, Taro und 
Süßkartoffeln; in vielen Gegenden ist Sago ein 
Hauptnahrungsmittel. Daneben werden auch viel 
Bananen, Brotfrucht, mitunter auch der von Malayen 
importierte Mais gegessen. 
Das Fleisch liefern vor allem das überall ge- 
züchtete und auch sekundär wieder verwilderte 
Schwein, der Hund und die Hühner. Beuteltiere 
spielen wegen ihrer Kleinhelt und ihrer schweren 
Erreichbarkeit keine wichtige Rolle als Nahrungs- 
mittel, die Vogelwelt wird von den Waffen der 
Papuas wenig belästigt. Dagegen werden an der 
Küste immer Fische und viel Muscheln verspeist, 
koch die Flüsse liefern Fische (namentlich Aale) und 
rebse. 
Wo die Fleischnahrung knapp ist, kann man mit- 
unter bedeutenden Fleischhunger beobachten. Bei den 
ai kommt es vor, daß eine gebratene Feldmaus 
unter vier und mehr Menschen vertellt wird; dort 
wurden bel meinen Mahlzeiten die nicht völlig ab- 
genagten Knochen von Tauben, die Haut von 
Würsten von meinen Begleitern etwas am Feuer 
geschmort und gegessen, ja, es wurden sogar zer- 
kaute Fleisch= und Faserreste, die ich aussple, wieder 
ausgelesen und verzehrt! 
Es ist mir zwelfellos, daß die Freude am 
*) .Jäle von Zwergwuchs unter den Kai." Am 
3. Februar 1905 abgesandt zur blikati ' 
Prof. E. Zuckerkandl. zur Publikation an Hofrat 
  
Menschenmahl in Neu-Guinea — zum Teile wenig- 
stens — in Fleischhunger wurzelt, zum Teile liegen 
der Anthropophagie allerdings auch komplizierte, 
übersinnliche Vorstellungen zugrunde. Die aus- 
gesprochensten Anthropophagen, denen ich begegnete, 
sind dle Bewohner der Inseln im sogenannten 
Herzog-,„See“ (das sind die Lagunen des Markham- 
flusses im Hüongolf). Die Leute zeigten ganz natv 
die Schädel der Erschlagenen und erzählten mit Be- 
hagen, wie sie sich daran satt gegessen halten. Keinen 
einzigen der von mir besuchten Papuastämme fand 
ich frei von Anthropophagie. 
Das wichtigste Genußmittel der Papuas sind 
die Betelnüsse, die mit gebranntem Muschelkalk und 
andern Zutaten, welche nach der Gegend wechseln, 
gekaut werden. Eine berauschende Wirkung übt 
das Betelkauen sicher nicht aus. 
Tabak wird fast überall von den Papuas selbst 
gekaut und ist (als amerlkanischer Tradetabal) ein 
sehr begehrter Tauschartikel. 
Der Genuß alkoholischer Getränke ist vielen 
Stämmen ganz unbekannt; ich konnte nichts davon, 
weder bei den Monumbo noch bel den Kabi, finden. 
Die Bewohner der Insel Beliao (Friedrich-Wilhelms- 
hafen) und wahrscheinlich auch die Angehörigen des- 
selben Stammes, welche die benachbarten Inseln 
Siar und Ragetta bewohnen, bereiten dagegen durch 
Kauen einer Wurzel ein berauschendes Getränk.5) 
Etwas Ahnliches soll auch den Yabim (Finschhafen) 
bekannt sein. 
Die Verabfolgung alkoholischer Getränke an die 
Eingeborenen ist in Deutsch-Neu-Gulnea verboten. 
Ethnologisches Sammeln. 
Es wurden bisher elfhundert Ethnologica ge- 
sammelt. Nach Möglichkeit wurde zu den Dingen 
der einheimische Namen ermittelt, es wurde nach dem 
Octe der Herstellung gefragt, um die Handels- 
beziehungen zu erfahren, nach dem Rohmateriale, 
um die heimischen Industrien kennen zu lernen, 
nach dem Erzeuger, ob Männer= oder Weiber- 
arbeit, nach der Arbeitsteilung überhaupt, nach Be- 
sitz und Eigentumsrecht. 
Ein Teil des Elgentums gehört der ganzen 
Dorsschaft, andere Dinge dürfen nur mit Erlaubns 
der Verwandten veräußert werden, wieder anderes 
ist persönliches Eigentum. Der Besitz des einzelnen 
gleicht sich aber immer wieder so aus, daß alle gleich 
reich sind. 
Die umfangreichste Sammlung wurde angelegt 
über den Stamm der Monumbo (Potsdamhafen), 
dann folgen die Sammlungen aus Watam (Augusta- 
fluß), Manam (Vulkaninsel) und Kai (Hinterland 
*) Proben der Wurzel und des Getränkes wurden an 
das pathologisch-anatomische Institut geschickt. Die dazu- 
gehörigen Bemerkungen über „ein berauschendes Getränk 
der Papua in der Umgebung von Friedrich-Wilhelmshafen 
leten in dem begleitenden Brief an Hofrat Prof. Weichsel- 
aum.
	        
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